Rudolf Görtler Tanja Kinkel als Liebling der Literaturkritik zu bezeichnen, wäre mehr als ein Euphemismus. Abschätzig wird bzw. wurde sie in den Trivialbereich eingeordnet, ihre Ro...
Rudolf Görtler
Tanja Kinkel als Liebling der Literaturkritik zu bezeichnen, wäre mehr als ein Euphemismus. Abschätzig wird bzw. wurde sie in den Trivialbereich eingeordnet, ihre Romane sind als "historische Erbauungsschmonzetten" abgetan worden. Tatsache ist jedoch, dass die in Bamberg aufgewachsene Schriftstellerin (46), die bereits mit 19 ihr erstes Buch veröffentlichte, beharrlich und regelmäßig gut recherchierte nicht nur historische Unterhaltungsromane schreibt.
Und damit ebenso regelmäßig auf den Bestsellerlisten landet. Sie muss also einen Nerv des mehrheitlich weiblichen Publikums treffen, wie auch der bis auf den letzten Platz besetzte Bürgersaal in Bischberg am Montagabend bewies. Freilich gab die in München lebende Autorin ein Heimspiel in zweierlei Hinsicht.
Einmal ist sie in Bamberg und der Region nicht nur verwurzelt, sondern häufig präsent, zum andern trat sie als Schirmherrin des Bamberger Literaturfestivals und gleichzeitig Protagonistin einer Veranstaltung desselben auf.
Wobei sie jedoch ausgetrampelte Lesungs-Pfade verlassen wollte, wie sie zu Beginn bekundete. Von ihren 17 bisher veröffentlichten Büchern hatte sie zehn mitgebracht und sie praktischerweise vor sich aufgereiht wie papierene Soldaten. Aus einigen davon las sie, meist jedoch rankte sie Geschichten und Anekdoten ("Geschichten hinter Geschichten", Kinkel) um die Entstehung der Bände, auch anhand von an die Wand projizierten Bildern.
Wer es noch nicht geahnt oder gewusst hatte, dem war es nach dieser gut zweistündigen - weniger wäre mehr gewesen - Veranstaltung klar: Tanja Kinkel ist eine bienenfleißige und sorgfältige Rechercheurin, die die Schauplätze ihrer Romane genau in Augenschein
nimmt, Bibliotheksstudien betreibt und dann um die Fakten eine Romanhandlung spinnt. Erstaunlich eigentlich, dass erst eins ihrer Bücher verfilmt wurde bzw. gerade wird. Nach langem Vorlauf werden gerade in Prag die "Puppenspieler" gedreht nach ihrem dritten Roman, der ihr gleichzeitig den kommerziellen Durchbruch brachte. Herbert Knaup spielt Jakob Fugger und litt wie seine Kolleginnen und Kollegen in schweren Renaissance-Kostümen unter den Temperaturen im Jahrhundertsommer. Das sind Anekdoten, wie die Autorin sie um jedes ihrer mitgebrachten Bücher zu erzählen wusste: Dass sie einst in Jacky Kennedys Büro in New York saß und in der wunderbaren Villa Aurora in Los Angeles wohnte - dort lebte auch ihr Vorbild Lion Feuchtwanger, über den Kinkel promovierte. Wie sie in ihren Roman "Unter dem Zwillingsstern" ein Loblied auf Bamberg und die mittlerweile verblichene Gaststätte "Bockser" einfloht.
Wie Henry Kissinger beleidigt reagierte, als sie ihn mit seiner Rolle beim Sturz Salvador Allendes konfrontierte (bei der Recherche zum USA-Roman "Götterdämmerung"). Wie sie Bill Clinton begegnete, in einem venezianischen Palazzo wohnte (für den Casanova-Roman "Verführung") und beim evangelischen Kirchentag sprach, woraus eines ihrer zwei Sachbücher entsprang. Naturgemäß berichtete sie von der Genese ihres jüngsten Buchs, eines RAF-Romans. Das war meist kurzweilig, artete im weiteren Verlauf doch etwas in Namedropping aus, so nach dem Motto: Ich weit gereiste Autorin erzähle euch mal etwas von der großen weiten Welt und wen ich alles darin getroffen habe ... doch das würde die stets höfliche Schriftstellerin gewiss weit von sich weisen. Mit ungeheurer Disziplin schreibt sie ein Buch nach dem anderen und absolviert Marathon-Veranstaltungen wie die in Bischberg. Das allein nötigt zur Bewunderung.