Es ist schon fast dunkel, als die beiden Priester das Flüchtlingslager Ketemaya bei Sidon erreichen. Schnell sind Stegaurachs Pfarrer Walter Ries und sein libanesischer Freund Abdo Raad umringt. Sechz...
Es ist schon fast dunkel, als die beiden Priester das Flüchtlingslager Ketemaya bei Sidon erreichen. Schnell sind Stegaurachs Pfarrer Walter Ries und sein libanesischer Freund Abdo Raad umringt. Sechzig syrische Familien mit zweihundert Kindern hausen hier notdürftig in Zelten und Verschlägen.
Da wird jede Abwechslung im tristen Alltag dankbar begrüßt. Zumal es immer etwas Gutes bedeutet, wenn der melkitische griechisch-katholische Priester Abdo Raad kommt und Besucher mitbringt. "Abouna!" (unser Vater) begrüßen ihn die Männer, Frauen und Kinder herzlich.
Heute rettet der 55-Jährige die Familien vor völliger Finsternis: Der Diesel, mit dem der Stromaggregator angetrieben wird, geht zur Neige. Der Öllieferant weigert sich, Nachschub auf Pump zu bringen. Abdo Raad gibt Lagerchef Ali Mahmoud Tafesh 200 Dollar und innerhalb einer halben Stunde wird Diesel kanisterweise den Berg hinaufgetragen.
Spenden seit Jahren für Libanon
Der Festtag für Ketemaya geht weiter. Denn Pfarrer Ries hat zwei prall gefüllte Koffer mitgebracht. Der Libanese Ali Mahmoud Tafesh, der das Land für das Camp kostenlos zur Verfügung gestellt hat, verteilt mit Walter Ries Stofftiere, Spielzeug, Tennisbälle. Alles Gaben, die Stegauracher gesammelt haben und die Kleinen für einen glücklichen Moment das Elend in der Fremde vergessen lassen. Seit einigen Jahren schon zeigen Stegauracher ein Herz für den Libanon.
Für dieses kleine Land im Nahen Osten, dessen 4,5 Millionen Bewohner zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Palästina aufgenommen haben - und wieder loswerden wollen. Denn der Zedernstaat liegt wirtschaftlich und finanziell am Boden. "Wir sind im Libanon in einer Katastrophe", sagt Ali Mahmoud Tafesh bitter zu seinen Gästen.
Von der schwierigen Situation der Flüchtlinge musste Pfarrer Ries nach jeder seiner Reisen in den Libanon berichten. Sein Freund Abdo Raad aus der gemeinsamen Studienzeit in Rom sorgt dafür, dass die Stegauracher Hilfsbereitschaft die richtigen Adressaten erreicht. Die Landkreisgemeinde spendet nämlich auch Geld. Viel Geld: 26 000 Euro jährlich. Eine Summe, die der von Abdo Raad gegründete Verein "Annas Linnas" (Einer für den anderen) akribisch genau verbucht und der Schule in dessen Trägerschaft zufließen lässt. "Ohne Hilfe aus Stegaurach müssten wir die Schule schließen", erklärt Raad und zeigt sich auch dem Erzbistum Bamberg gegenüber dankbar: Die Erzdiözese steuert für diese Privatschule in Nameeh - ein Vorort von Beirut - jedes Jahr 15 000 Euro bei.
Neunzig Prozent der 350 Schüler der 1. bis 9. Klasse sind Syrer, die aus ihrer Heimat vor Bomben und Terror geflohen sind. 28 Lehrkräfte - Syrer, Libanesen, Palästinenser - unterrichten. "Unser größtes Problem ist, dass nur noch zwanzig Prozent der Eltern das Schulgeld von 380 Dollar pro Jahr und Kind bezahlen können", beklagt Direktor Elie Fadel, "wir leben von Tag zu Tag und schicken keinen Schüler fort". Da komme es vor, dass die Lehrer auf ihr monatliches Gehalt von 300 Dollar warten müssen. Mit Idealismus sind sie bei der Arbeit, so wie etwa die 27-jährige Syrerin Allaa, die schon vor dem Krieg in den Libanon kam.