So viel Schicksal, so viel Liebe

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Die Liebe zu den Kindern erfüllt das Leben von Doris Fery, die Kinder - wie hier die kleine Tochter einer Bekannten - einfach in den Arm nehmen muss. Foto: privat
Die Liebe zu den Kindern erfüllt das Leben von Doris Fery, die Kinder - wie hier die kleine Tochter einer Bekannten - einfach in den Arm nehmen muss.  Foto: privat

Pflegefamilien  Doris Fery aus dem Landkreis Haßberge ist seit 20 Jahren Pflegemutter. In einem Buch erzählt sie von ihren Erfahrungen - den aufwühlenden, aber auch den wunderbaren.

von unserem Redaktionsmitglied 
Friederike Stark

Kreis Haßberge — Es ist ein Gespräch, das berührt. Ehrlich und authentisch. Erschreckend und erhellend zugleich. Wer mit Doris Fery über das Thema Pflegefamilie spricht, weiß danach ganz genau, ob er sich zutraut, ein Pflegekind aufzunehmen oder nicht. So geht es auch dem Leser ihres Buches "Gesucht! Pflegefamilien" (siehe Kasten).
Das Buch hat Fery innerhalb nur weniger Wochen geschrieben, denn sie weiß genau, was sie erzählen will - nämlich alles, informativ und ungefiltert. "Ich selbst bin vor 20 Jahren sehr blauäugig an das Thema herangegangen", erinnert sich die blonde Frau mit dem fröhlichen Blick. Ihre Schwägerin erzählte ihr von der Arbeit als Pflegemutter und sie wusste sofort, dass sie das ebenfalls machen will. "Ich glaube, so ein Gefühl, wie ich es damals hatte, hat man nicht oft im Leben".
Damals. Sie war mit ihrem Mann und den beiden Söhnen in den Landkreis Haßberge gezogen. "Eigentlich wollte ich mich wieder nach einer Aufgabe im Marketingbereich umsehen." Doch dann kam alles anders.


Zwei Kinder mehr im Haushalt

Denn einige Zeit später saß sie in ihrem Wohnzimmer. Neben ihr zwei kleine Kinder. Eines knapp drei Jahre alt, das andere gerade mal 15 Monate. Das Jugendamt hatte sie gebeten, die Geschwister als Pflegekinder aufzunehmen. Die Eheleute trauten sich die Aufgabe zu und die Kinder hatten das große Glück, in dieser Familie gemeinsam aufwachsen zu dürfen. Das ist nicht immer der Fall.
Das eine Kind konnte weder krabbeln noch laufen. Auch sprach es kaum. Stattdessen wiegte es sich vor und zurück. Monoton. Immer wieder. Auch das Essverhalten war auffällig. "Also erkundigte ich mich, las viel und fand heraus, dass einige Anzeichen auf Hospitalismus hindeuten", erklärt Fery. Hospitalismus ist die Auswirkung schwerster Vernachlässigung von Kindern. Sie seufzt, streicht sich gedankenverloren eine Strähne aus dem Gesicht. Die Erinnerungen an diese Zeit sind noch immer präsent. "Die ersten paar Wochen waren schwierig, aber danach ging es mit der Entwicklung der Kinder stetig bergauf."


Erfolg und Emotionen

Alle Anstrengungen lohnten sich: Nach nur vier Wochen intensiver Betreuung waren die meisten Symptome verschwunden. "Die Jüngere plapperte bald munter vor sich hin. Und nochmal vier Wochen später übersprang sie die Krabbelphase und begann, wie ein Weltmeister zu laufen", beschreibt Fery. Sie war selbst erstaunt, wie schnell Kinder aufgebaut werden können. Es erforderte viel Zeit und Geduld, aber "wenn man den Erfolg sieht, spürt man als Pflegemutter einfach die Freude im Herzen".


Toleranz und Respekt

Eine weitere Rolle spielt die Herkunftsfamilie: "Die Zusammenarbeit mit den leiblichen Eltern darf man nicht unterschätzen", sagt Fery. Mitunter weiß man viele unschöne Dinge. Trotzdem ist es wichtig, Toleranz und Respekt aufzubringen, auch wenn man insgeheim andere Gefühle hegt.
All das, was die Kinder in den frühen Jahren erlebt haben, zeigt sich oft in der Pubertät. "Da wird viel hinterfragt und Pflegeeltern bekommen in dieser Zeit die Wut der Jugendlichen ab, die eigentlich nicht diesen, sondern den Herkunftseltern gilt", sagt Fery. Da helfe es zu wissen, dass die Kinder nicht die Pflegeeltern meinen, um mit der Situation besser klarzukommen.
Es ist genau dieses Auf und Ab, das die Arbeit als Pflegeeltern so spannend macht. Kaum ein Beruf verknüpft Arbeit und Emotion so sehr. "Denn es ist ein Job. Das muss man sich immer wieder klarmachen", mahnt Fery. Es sind nicht die eigenen Kinder, es sind auch keine Adoptivkinder. Die Kinder könnten theoretisch jederzeit wieder zurückgeführt werden in die Herkunftsfamilie. Mit diesem Wissen müssen Pflegeeltern umgehen können - aber sie haben auch die Genugtuung, den Kindern während der Pflegschaft eine behütete und gute Zeit ermöglicht zu haben.
Ein Pflegekind aufzunehmen ist immer eine Gratwanderung: Die eigene Familie darf nicht darunter leiden, das Pflegekind braucht einen sicheren und stabilen Zufluchtsort. Man muss viel Liebe aufbringen, auf der anderen Seite aber bereit sein, wieder loszulassen. Auch in Doris Ferys Buch wird klar: Es ist nicht leicht, die Tatsachen zu erzählen und dabei anderen Mut zu machen, den gleichen Weg zu gehen. Doch am Ende ist für Doris Fery nur eines wichtig: zu wissen, dass es all das wert ist. Den Kindern zuliebe.