Die Frauenlesenächte haben wieder in ihren Bann gezogen: Rund 200 Frauen lauschten in Obertheres den Vorleserinnen und Sängerinnen, die sich dem Thema "Schubladen" widmeten.
Die Frauenlesenächte der Theaterwerkstatt Haßfurt sind die größte, erfolgreichste und beliebteste Veranstaltung von Frauen für Frauen im Landkreis Haßberge. So haben auch die beiden Frauenlesenächte am Wochenende im Landgasthof "Schafhof" wieder gut 200 Frauen fasziniert.
Die Anziehungskraft der Frauenlesenächte unter der Leitung und Organisation von Andrea Tiessen-Lehmann besteht darin, dass sich immer ein bestimmtes Thema (heuer: Schubladen) wie ein roter Faden durch die Abende zieht. "Es ist ein sehr vielseitiger und interessanter Abend, da das Thema von ganz unterschiedlichen Seiten her beleuchtet wird. Es erinnert mich daran, dass ich oft in Schubladen denke und daran, dass es gedankliche Schubladen gibt, in die man alles Mögliche reinstopft und die wieder einmal sortiert werden sollten", sagte etwa die Besucherin Martina Schmauser aus Knetzgau.
So konnten sich die Gäste auch am vergangenen Freitag und Samstag wieder ganz entspannt in die Sessel lehnen, den Texten und der Musik lauschen und ihre Erlebnisse und Erinnerungen in die Schublade mit der Aufschrift "ganz besonders kostbare Abende" einsortieren.
Sichtbar und unsichtbar
"Sichtbare und unsichtbare Schubladen begleiten uns durchs Leben. Sie können klemmen, verschlossen sein oder Geheimnisse enthalten. Sie befinden sich aber auch in unseren Köpfen und teilen beispielsweise Menschen in Stereotype ein oder begegnen uns im Zwischenmenschlichen in Form von Klischees", erzählte Andrea Tiessen-Lehmann eingangs. Jede der acht Vorleserinnen habe dabei ihren ganz eigenen Zugang zu diesem Thema gefunden und Geschichten und Gedichte, teils eigens für diese Abende verfasst, mitgebracht.
So berichtete Petra Wagner aus Schweinfurt unter anderem vom zerstörten "sanctuarium" von Hermann de Vries in Stuttgart, das es zuvor den Menschen erlaubt hatte, die Natur wie in einer geöffneten Schublade zu erleben. Der Auszug aus dem Roman "Die Klatschmohnfrau" von Noelle Châtelet, gelesen von Gaby Schmidt aus Kirchlauter, räumte mit dem Schubladendenken auf, dass die Liebe nur etwas für junge Menschen ist.
In dem Gedicht "Mein verlorenes Lachen" von Kerstin F. wiederum, das Brigitte Benkert aus Sand vortrug, findet die Schreiberin das Verlorene in einer Schublade unter einem Schleier wieder.
Helga Stegner aus Haßfurt hatte ihre Schublade "Eiswelten" geöffnet und ließ die Zuhörerinnen an ihrem spannenden Erlebnisbericht über eine Hundeschlittenfahrt im finnischen Lappland teilhaben. Elke Meyer aus Hafenpreppach, die den Anstoß zu dem Thema gegeben hatte, hatte wieder selbst zur Feder gegriffen. Ihr Essay "schieben und laden" behandelt Vorurteile über andere Menschen, die in vielen Köpfen schweben, und kommt zu dem Schluss: "Es muss doch möglich sein, in Würde zu leben und andere in Würde leben zu lassen".
Spiegelmomente
Dass man auch Gott in eine Schublade pressen kann und er vielleicht ganz anders ist, davon handelt die Kurzgeschichte "Spiegelmomente" von Susanne Niemeyer, die Annerose Simon aus Knetzgau aus einer ihrer Schubladen gezogen hatte und mit der sie die anwesenden Frauen berührte. Ebenfalls anrührend ist die Geschichte "Der Seelenvogel" von Michal Snunit Carlsen, die Monika Schraut aus Zeil in ihrem Vortrag mit einer Puppe und einem Flötenspiel zum Leben erweckte. Sie handelt von den vielen Schubladen tief in jeder Seele, in der die Gefühle aufbewahrt werden.
Rund um den Begriff "Das ist doch unterste Schublade!" hat schließlich Silke Kasamas aus Babenhausen eine humorvolle Geschichte mit dem Titel "Teenager-Ordnung" verfasst. Petra Schlosser (Klavier, Gesang), Gabriele Marquardt (Gesang) und Andrea Tiessen-Lehmann (Gesang) spannten mit ihren Liedern den musikalischen Bogen um die Texte.
Gabriele Marquardt zeigte außerdem mit ihrem Bauchtanz, dass man sich nie in die Schublade einer "älteren Frau" sperren lassen dürfe. "Jeder hat das Recht zu träumen und seine Träume zu leben", so ihr Fazit.