Von der Stadthalle her erklingt es majestätisch und historisch: Seit drei Wochen probt der Lichtenfelser Fanfarenzug nun vor der Stadthalle unter freiem Himmel - mit Hygienekonzept. Wie die Mitglieder die probenfreie Zeit erlebt haben.
Märsche mit Signalcharakter und Eleganz: Jeden Dienstagabend findet vor der Stadthalle ein ungewöhnliches Spektakel statt. Die Proben des Fanfarenzugs Lichtenfels gleichen kleinen, aber weithin hörbaren Konzerten. Den wenigen Anwohnern scheint das "Privatkonzert" zu gefallen. Immer wieder bleiben Passanten stehen und betrachten das weit auseinandergerückte Orchester aus Trompeten, Fanfaren, Landsknechttrommeln, Paradetrommeln und Flachtrommeln.
Auch wenn die Auftritte des Fanfarenzugs für den Sommer abgesagt wurden, weil manche Veranstaltungen komplett ausfallen oder nur mit reduziertem Programm stattfinden - die Mädchen und Jungen, Männer und Frauen üben ein Standardprogramm mit 15 Märschen "für die Routine", wie Vorsitzender Tobias Bergner sagt.
Von den rund 40 Aktiven finden sich 20 bis 30 zu jeder Probe ein, die unter bestimmten Hygienevorschriften seit drei Wochen wieder stattfinden darf. Eine Auflage sind die Abstände zwischen den Musikern: für die Mitglieder mit Blechblasinstrumenten sind es zwei Meter, bei den Trommlern und dem Dirigenten 1,50 Meter. Auch in der Pause soll der Sicherheitsabstand konsequent eingehalten werden. "Viele unserer Musiker stammen aus einer Familie oder sind verwandt, da ist es einfacher. Für andere ist es schon ungewohnt", beobachtet Bergner. "Ansonsten versuchen wir die Proben aber so normal wie möglich zu gestalten."
Die Gemeinschaft fehlte
Etwas fremd war wohl auch die probenfreie Zeit seit Beginn der Corona-Krise: Die Mitglieder des Fanfarenzugs treffen sich "in normalen Zeiten" regelmäßig. Nur eine Pause von sechs bis sieben Wochen unterbreche diese Regelmäßigkeit. Durch Nachrichten und so manchem lustigen Video einer Probesequenz zu Hause habe man versucht, den Kontakt zu halten. "Aber es ist eben die Gemeinschaft, die wir am meisten vermisst haben, und die Tatsache, dass es keine Auftritte gibt. Ohne Ziel zu proben ist schwierig." Der 27-jährige Trommler Andreas Hoch fügt hinzu: "Die Motivation lässt nicht los, aber es fehlen eben die Erfolgserlebnisse."
So geht es auch seinem Kollegen: "Es ist schön, alle Leute wiederzusehen und endlich mal wieder rauszukommen", erzählt der 19-jährige Max Prell aus Lichtenfels. Er spielt seit einem Jahr eine Landsknechttrommel im Fanfarenzug und konnte während der vergangenen Wochen ohne gemeinsame Probe zu Hause nur mäßig üben: "Ich probe nur mit den Schlägen. Alles andere wäre für die Nachbarn schwer." Seine Position sei eine Art "Familienfortführung". Sein Vater spielte das gleiche Instrument, das Instrument seines Großvaters sei die Fanfare gewesen. "Und ich wollte auch immer schon mit Leuten zusammen spielen. Im Fanfarenzug habe ich schon viele Leute vorher gekannt."
Das Licht der Abendsonne spiegelt sich in den Fenstern der Stadthalle wieder und schafft zusammen mit den Fanfaren-Klängen eine beinahe romantische Atmosphäre. Eigentlich ein perfekter Ort zum Üben - es sei denn, das Wetter ist schlecht. Dann fällt die Probe leider aus, denn dieser Ort wurde von den Verantwortlichen ganz bewusst ausgewählt. Die Fläche muss rund 30 bis 35 Personen, die den vorgeschriebenen Abstand wahren, unterbringen. Sicher könne man den Fanfarenzug auch für die verschiedenen Satzproben aufteilen, sagt Bergner, jedoch würden dann dreierlei Orte benötigt. Der bisherige Probenort im Jugendzentrum stellt derzeit auf Grund der Platzverhältnisse und des Hygienekonzepts keine Alternative dar.
So weiß auch ein ganz besonderer Zuhörer und Akteur den neuen Platz zu würdigen: Es ist Jörg Kirschbaum, der selbst 50 Jahre im Fanfarenzug aktiv mitgewirkt hat. Als erfahrener Landsknechttrommler bildet er nun den Nachwuchs an diesem Instrument aus. Er lehrt ihn die verschiedenen Marschnoten und vieles mehr. Derzeit sind es fünf junge Menschen, die wie die meisten Anfänger meist über familiäre Bindungen im Fanfarenzug aktiv werden, sozusagen "hineinwachsen." "Bläserneulinge" gibt es ebenfalls fünf.