Die zehn Schutz-Gebote

2 Min
Im Bamberger Dom dürfen aktuell nur 80 Besucher Gottesdienst feiern. Foto: Thorsten Melnicky
Im Bamberger Dom dürfen aktuell nur 80 Besucher Gottesdienst feiern. Foto: Thorsten Melnicky

Ab dem kommenden Wochenende finden wieder öffentliche Gottesdienste statt. Die Reaktionen der Pfarrerinnen und Pfarrer sind gemischt: von gedämpfter Freude bis Kritik am "verpackten Klerikalismus".

Marion Krüger-Hundrup Uneingeschränkte Freude über den Neustart der öffentlichen Gottesdienste herrscht bei Anette Simojoki vor: "Ich freue mich und feiere gern wieder!" sagt die Pfarrerin der Erlösergemeinde.

Zumal in den vergangenen Wochen mit all den Corona-Beschränkungen viele Menschen den Wunsch nach Gottesdiensten geäußert hätten. "Unsere Erlöserkirche wurde in diesen Zeiten von deutlich mehr Leuten zum persönlichen Gebet aufgesucht", berichtet Pfarrerin Simojoki.

Wie nahezu alle evangelischen und katholischen Gotteshäuser im Bamberger Stadtgebiet startet am kommenden Wochenende auch in der Erlöserkirche eine Probephase, die es in sich hat. Strenge Hygieneschutzmaßnahmen wie Maskenpflicht, Abstandsregeln, beschränkte Besucherzahl, nur eigene Gesangbücher, kaum Gemeindegesang, Ordneranweisungen und mehr machen aus allen Gottesdiensten - gleich ob evangelisch oder katholisch - ein Experimentierfeld erster Güte.

Gemeinsam ist diesen Feiern in Bamberg auch, dass nirgendwo eine Anmeldung erforderlich ist. Selbst wenn die Kirchen durch die Abstandsgebote ein deutlich reduziertes Platzangebot haben. Die Erlöserkirche zum Beispiel kann maximal 69 Personen verkraften, die größte evangelische Kirche St. Stephan bis zu 80 Personen, der katholische Dom ebenfalls 80, die St.- Matthäus-Kirche in Gaustadt lediglich 18. Deshalb wird sonntags draußen auf der Kirchenwiese Gottesdienst gehalten - schönes Wetter vorausgesetzt.

Die katholische Kirche Heilige Dreifaltigkeit in Bug fällt sogar völlig den Regeln zum Opfer. "Sie ist zu klein, und die Bänke stehen wandbündig, das gäbe eine unerlaubte Einbahnstraße", bedauert Pfarrer Matthias Bambynek, der für diese Filiale der Oberen Pfarre zuständig ist. Auch in der Institutskirche am Holzmarkt werde es bis auf weiteres keine öffentlichen Gottesdienste geben können. Das gelte ebenso für die Kapelle im Klinikum. Von dort würden die Gottesdienste beider Konfessionen in die Krankenzimmer übertragen.

Bambynek, Leitender Pfarrer des Seelsorgebereichs Bamberger Westen, empfindet "großen Respekt vor dem, was kommt, wir müssen es würdevoll hinbekommen und den Charakter der Gemeinschaftsfeier erhalten". Pfarrer Bambynek trotzt dem "Riesenaufwand an Schutzmaßnahmen" eine gläubige Zuversicht ab: "Wir feiern in diesen Corona-Zeiten das Leben und die Frohe Botschaft!", bringt er den Sinngehalt einer Eucharistiefeier auf den Punkt.

Während es - soweit bekannt - in den vier evangelischen Kirchen zunächst kein Abendmahl gibt, wird in den katholischen Messen die Kommunion gespendet. Und zwar auch unter diversen Schutzvorkehrungen.

Marcus Wolf, Leitender Pfarrer im Seelsorgebereich Bamberger Osten, greift sogar zu einer Zuckerzange, um den Gläubigen die Hostie kontaktlos reichen zu können.

Pfarrer Wolf hat für die Gemeinden St. Gangolf, St.-Otto und Maria Hilf mit der Filiale St. Wolfgang "zehn Gebote" formuliert, "die jeder Gottesdienstbesucher unbedingt beachten muss". Das "siebte Gebot", das generell auf alle Kirchen übertragbar ist, lautet etwa: "Wer Krankheitssymptome aufweist oder sich krank fühlt, soll bitte daheimbleiben. Covid-19-Patienten und/oder Kontaktpersonen, die unter Quarantäne stehen, ist die Teilnahme am Gottesdienst strengstens untersagt."

Pfarrer Günter Höfer, zuständig für die Gemeinden St. Heinrich, St. Anna und St. Kunigund, nimmt sich diese "Gebote" zu Herzen und befolgt sie. Er sagt zwar: "Gott sei Dank, es geht weiter mit öffentlichen Gottesdiensten." Doch "unter diesen notwendigen Umständen ist meine Freude gedämpft".

Verhaltene Freude drückt auch Hans Lyer aus, Pfarrer der Gottesdienstgemeinde von St. Elisabeth. Es sei wichtig, so Lyer, dass sich die Menschen wieder in ihrer Kirche versammeln können, "raus aus der Isolation kommen". Doch er habe das Gefühl, dass die Kirche "mit Vollgas im Leerlauf fährt", nämlich weiterhin "freundlich verpackten Klerikalismus pflegt und nicht aus der Betreuungsmentalität heraus findet", meint Pfarrer Lyer. "Die Leute werden brav versorgt, doch der Gedanke der communio, der Volk-Gottes-Gedanke des Zweiten Vatikanischen Konzils ist weg." Er hoffe, dass die Corona-Krise als "Chance für die Kirche gesehen wird, die Umkehr an sich selbst zu vollziehen", sagt Lyer, der auch Gefängnisseelsorger in der JVA Ebrach ist.

Während Pfarrer Marcus Wolf in seinem "zehnten Gebot" an den "gesunden Menschenverstand eines jeden Gottesdienstteilnehmers" appelliert, klärt Erzbischof Ludwig Schick auf Anfrage Grundsätzliches: "Jeder muss für sich entscheiden, ob er an einem Gottesdienst teilnehmen möchte und kann. Wer nicht teilnimmt, ist seit Beginn der Corona-Krise von der Pflicht, am Sonntag die Eucharistie mitzufeiern, freigestellt" und solle eine entsprechende Zeit lang dem persönlichen Gebet oder dem Gebet in der Familie widmen, sagt der Erzbischof. Die Mitfeier über Livestream oder andere Medien sei dazu eine gute Möglichkeit.

Er freue sich, so der Erzbischof, dass wieder Gottesdienste möglich sind, an denen Gläubige teilnehmen können. Die staatlichen Auflagen müssten dabei von allen beachtet werden.