Die zauberhafte Welt der Nadejda

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Nadejda Vlaeva nahm sich auch Zeit, dem Publikum ihren Bezug zu manchem Werk darzulegen. Foto: Markus Häggberg
Nadejda Vlaeva nahm sich auch Zeit, dem Publikum ihren Bezug zu manchem Werk darzulegen. Foto: Markus Häggberg

Die bulgarische Spitzenpianistin gab vor nur 40 Zuhörern in Lichtenfels ein bewegendes Konzert.

Von New York nach Frankfurt am Main, von dort in den Zug nach Lichtenfels und dann auch bald wieder zurück. Das war der Samstag bzw. Sonntag von Nadejda Vlaeva. Zwischendurch trat sie noch in der Ehemaligen Synagoge auf und sorgte für stehende Ovationen. Das Musikbusiness schreibt so seine Geschichten. Auch das der Klassik.

Nadejda Vlaeva eilt ein Ruf voraus. Den sprach Gastgeber Roberto Bauer auf der Bühne im Rahmen der Begrüßung auch offen aus. Vlaeva gehöre demnach also zu den Pianisten, "auf die wir alle hoffen, sie aber selten sehen". Der Witz an diesem Zitat: Der Name Nadejda bedeutet selbst schon Hoffnung.

Wuchtig und zartfühlend

Nun also, am Sonntagabend, war sie auch noch zu hören - und wie: energisch, präzise, dröhnend, brillant, wuchtig und zartfühlend. Mit "Weltklassik am Klavier - Füllhorn der Meisterwerke - Die zauberhafte Welt der Nadejda Vlaeva" wurde ein ziemlich langer Programmtitel der Beweisführung unterworfen, bediente sich die Preisträgerin des Grand Prix "Liszt" unterschiedlicher Epochen zwischen Barock, Romantik und Moderne. Kaum dürfte das Gewölbe der Ehemaligen Synagoge von Hall und Widerhall so eingenommen worden sein wie bei all den rollenden Tönen, die der Bulgarin bei einer von Johannes Brahms bearbeiteten Bachschen Chaconne von der linken Hand gingen. Alles, was sich in Molltonlagen begeben konnte, wurde aufgewühlt und durchgespielt. Ein Ereignis, das erstaunte, dem aber nur knapp 40 Personen beiwohnten. Gerade mal ein Drittel der Plätze war an diesem ersten Konzert nach der Sommerpause der Reihe Weltklassik am Klavier besetzt. Insofern wurde die Hoffnung nicht erfüllt. Dafür kam auf seine Kosten, wer auf Neues und Seltenes hoffte.

"Ich versuche, Bekanntes und Unbekanntes in meinem Programm zu bringen", erklärte die Ausnahmepianistin einer relativ unbekannten Dumka von Tschaikowsky vorschaltend. Eine solche beinhalte melancholische und ausgelassene Passagen, und tatsächlich schuf Vlaeva auf große Weise einen quirligen Klangteppich, auf den eingangs Molltöne gesetzt werden.

Kleine Verstecktheiten, Themen in Natur eines Marsches, arbeitete die nahezu weltweit tätige Solistin auch bei Schuberts Impromptus Nr.1 c-Moll heraus, die energisch umspielt wurden. Zu einem der vielen Höhepunkte des Abends sollte sich die Darbietung von Anton Arenskis Nr. 12 Intermezzo aus seinem Zyklus 24 Morceaux caracteristiques op. 36 auswachsen. Die Künstlerin selbst erklärte, zu diesem Stück Musik einen eigenen Bezug zu haben, den, wonach es ihr im Herbst Melancholie verursache, im Frühling hingegen Fröhlichkeit. Und jener Arenski, zu dem sich finden lässt, dass in der Antarktis ein Gletscher nach ihm benannt ist, schuf einen Lauf in Dur, der wie der erste Teil einer Melodie klingt, welcher von dunkleren Tönen komplettiert werden muss. Immer wieder sollten Bravo-Rufe hörbar werden, immer wieder versicherte das Publikum die Künstlerin seiner Bewunderung. Zwei Zugaben gab es, dann ging Vlaeva nach bald zwei Stunden und einer Autogrammstunde, und dürfte zwei Eindrücke mitgenommen haben: Wenn auch nicht viele kamen, so waren die Anwesenden doch begeisterungsfähig.