Die Nöte der Pflegenden

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SPD-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans (Mitte) beim Gespräch in der Gaststätte Loreley. Links OB-Kandidat Dominik Sauerteig, rechts SPD-Unterbezirksvorsitzender Thomas Rausch. Foto: Simone Bastian
SPD-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans (Mitte) beim Gespräch in der Gaststätte Loreley. Links OB-Kandidat Dominik Sauerteig, rechts SPD-Unterbezirksvorsitzender Thomas Rausch. Foto: Simone Bastian

SPD-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans spricht in Coburg mit Vertretern von Sozialverbänden. Diese klagen über Fachkräftemangel, zu schlechte Finanzierung und zu viel Bürokratie.

Norbert Walter-Borjans, einer von zwei Bundesvorsitzenden der SPD, ist seit Donnerstagvormittag auf Tour durch Nordbayern. Die Coburger Genossen erhielten den 11-Uhr-Termin und funktionierten ihn zu einem Fachgespräch zum Thema Pflege um. Als Gastgeber trat Oberbürgermeisterkandidat Dominik Sauerteig auf: Der amtierende OB Norbert Tessmer hatte einen Termin beim Deutschen Städtetag, Dritter Bürgermeister und Sozialreferent Thomas Nowak war wegen einer privaten Verpflichtung verhindert.

Walter-Borjans war Finanzminister in Nordrhein-Westfalen und wurde bundesweit bekannt wegen des Ankaufs von CDs mit Steuersünder-Daten. Er sei "kein Spezialist für Pflege", räumte er eingangs ein, aber dass es zu wenig Pflegekräfte gibt und diese zu schlecht bezahlt sind, gehört inzwischen zum Grundwissen. Bestätigt wurde das von den Coburger Verantwortlichen. Thomas Schwesinger (Arbeiter-Samariterbund) berichtete, dass er 20 Kunden der ambulanten Pflege aus akutem Personalmangel habe kündigen müssen. Deshalb habe der ASB schon Pfleger aus Serbien und dem Kosovo angeworben, "aber wir rennen ein halbes Jahr der Ausbildungs-Anerkennung hinterher". Auch sei die (medizinische) Behandlungspflege unterfinanziert, beklagte er: "Für einen Wundverband kriegen wir 8,90 Euro." Experten würden deshalb dazu raten, den Anteil der Kunden, die medizinisch versorgt werden, gering zu halten.

Susann Biedefeld kritisierte als VdK-Kreisvorsitzende, dass die Sozialverbände bei der Integration der ausländischen Pflegekräfte allein gelassen würden. Außerdem monierte sie, dass Kurzzeitpflege nicht mehr vom Freistaat gefördert werde. Deshalb rechne sie sich auch für die Pflegeträger nicht mehr. Dieser Hinweis ging an den Landtagsabgeordneten Michael Busch, der in Bayern als Teil der Opposition allerdings wenig ausrichten kann. Norbert Walter-Borjans kann die Erkenntnis aus Coburg im SPD-Parteivorstand und im Berliner Koalitionsausschuss verwerten.

Beklagt wurde auch die ausufernde Bürokratie und die ausführlichen Erhebungen für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. "Das setzt die Mitarbeiter gewaltig unter Druck", berichtete Torsten Scheler, Mitarbeitervertreter im Laurentiusheim in Lützelbuch. Den Pflege- und Sozialberufen fehle auch dadurch der Nachwuchs, dass es wegen der Abschaffung der Wehrpflicht keine Zivildienstleistenden mehr gebe, sagte er. Bundesfreiwilligendienst und Freiwilliges soziales Jahr könnten das nicht auffangen und seien auch zu schlecht bezahlt.

Weitere Themen: Bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit Behinderung, die eigenständig leben wollen, Personalbedarf auch bei der Betreuung von Kindern. Hubert Joppich, Awo-Kreisvorsitzender, verwies darauf, dass von 101 Kindern im Kinderhaus 43 ausländischer Herkunft seien - aus 21 Ländern.

Johanna Thomack vom Mehrgenerationenhaus wies darauf hin, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ohne Hilfestellung nicht machbar sei. Deshalb sei es gut, dass die Bundesregierung die Förderung der Mehrgenerationenhäuser gesichert habe. "Viele Kommunen können sich das nicht leisten."

Walter-Borjans widersprach nicht und versprach nichts. Dass Pflegekräfte ("Leistungsträger") besser bezahlt werden müssten, steht für ihn fest. Er sei auch der Ansicht, dass der Staat Investitionen wie Straßen über Kredite finanzieren solle und laufende Kosten über laufende Einnahmen, sagte er. So könne der Staat auch die Pflege stärken. "Ein Land, das Investitionen aus laufenden Einnahmen bezahlen kann, hat entweder zu hohe Steuern oder es macht etwas falsch."