Heute vermag ja manch Schnellentscheidung aus München für Kopfschütteln sorgen, weil niemand so richtig weiß, wie er sie umsetzen soll. Wer sich darüber ärgert, kann sich trösten: Das hat eine gewisse Tradition im Freistaat. Vor 50 Jahren setzte die Staatsregierung mit einem Schnellbrief die Kommunen unter erheblichen Druck. Nur wer ganz schnell war, kam in den Genuss der vollen zusätzlichen Schlüsselzuweisungen bei freiwilligen Gemeindezusammenschlüssen. Und so gab es im April 1971 auch in Münnerstadt eine kurzfristig anberaumte Aussprache.

"Zunächst war kein Stuhl mehr zu haben, weil die zwölf für die Eingliederung vorgesehenen Gemeinden (Althausen, Brünn, Burghausen, Burglauer, Fridritt, Großwenkheim, Kleinwenkheim, Reichenbach, Seubrigshausen, Strahlungen, Wermerichshausen und Windheim) nicht nur durch die Bürgermeister, sondern auch durch Gemeinderatsmitglieder vertreten waren", stand damals in der Zeitung. "Der Stadtrat Münnerstadt hatte zu dieser Aussprache eingeladen, weil die Gebietsreform jetzt schnelle Entschlüsse verlangt." In einer Bürgermeisterversammlung zuvor waren die Gemeinden nochmals eingehend über dieses Thema informiert worden. "Der eigentliche Anlass für die gegebene Hektik war jedoch ein Schnellbrief der Staatsregierung." Und der hatte es in sich, wie in der Zeitung zu lesen war: "Das bisherige Förderungssystem für freiwillige Gemeindezusammenschlüsse wurde geändert und angekündigt, dass künftige Leistungen des Staates wesentlich niedriger sein werden, als bisher."

Die Staatsregierung hatte den Gemeinden schlichtweg die Pistole auf die Brust gesetzt und schnelle, Gemeindezusammenschlüsse regelrecht vergoldet. Wer sich bis zum 1. Juli einer Gemeinde anschloss, bekam 550 Prozent der normalen jährlichen Schlüsselzuweisungen im Durchschnitt der letzten drei Jahre gewährt, verteilt auf sieben Jahre.

Keine Zeit

Wer sich zu viel Zeit ließ, wurde bestraft. Gemeinden, die sich nach dem 1. Juli 1971 zu einem freiwilligen Zusammenschluss durchringen konnten, bekamen nur noch 273 Prozent Schlüsselzuweisungen und wer ganz und gar erst ab dem 1. Januar 1972 eine Entscheidung traf, bekam nur noch 195 Prozent. Das alles bezog sich aber ausschließlich auf die Gemeinden, die sich einer größeren anschließen wollten. Für die aufnehmende Gemeinde - in diesem Fall also die Stadt Münnerstadt - gab es keine zusätzlichen Schlüsselzuweisungen.

Die Sache hatte aber noch einen Haken. Die Entscheidung für den Zusammenschluss musste binnen weniger Tage gefällt werden, wenn man die größtmögliche Förderung haben wollte. Sollten sich dann die Bürger bei einer geplanten Befragung anders entscheiden, dann hätten die Beschlüsse nachträglich aufgehoben werden können.

Anschaulich waren damals die möglichen zusätzlichen Schlüsselzuweisungen aufgelistet worden. Bei einem Beitritt bis zum 1. Juli 1971 stellte die Regierung beispielsweise Großwenkheim (damals 901 Einwohner) knapp 500 000 Mark in Aussicht, bei einem Beitritt bis 1. Januar 1992 wären es noch rund 319 000 Mark gewesen und danach nur noch 248 000 Mark. Bei der kleinsten Beitrittsgemeinde Brünn (155 Einwohner) waren es knapp 90 000 Mark, gut 56 000 Mark und knapp 44 000 Mark, je nach dem Zeitpunkt des Beitritts.

Münnerstadts Bürgermeister Alfred Müller betonte bei der Sitzung im April 1971 die erheblichen Beiträge, die den Gemeinden verloren gehen könnten, wenn der gestellte Termin nicht gewahrt würde. Bei diesen hohen finanziellen Einbußen kämen mit Sicherheit schwere Vorwürfe gegen die Vertretungsorgane.

Erst einmal Beschlüsse

Es kam allerdings auch die Frage auf, wie die spätere Zusammenarbeit zwischen der Stadt und den Gemeinden aussehen sollte. Das könne man später besprechen, jetzt gehe es erst einmal darum, die Beschlüsse termingerecht zu fassen, damit die finanziellen Vorteile voll ausgeschöpft werden können, sagte damals Münnerstadts Bürgermeister Alfred Müller. Im April 1971 hatten die Gemeinden Fridritt, Großwenkheim, Kleinwenkheim, Wermerichshausen und Windheim bereits Beschlüsse für die Eingliederung gefasst. Die Abstimmung der Bürger fand erst am 10. Oktober statt. Bis auf Burglauer und Strahlungen kamen alle Gemeinden zu Münnerstadt.