Das neuartige Coronavirus führte zu einem Konjunktureinbruch. In vielen Fällen konnte massiver Stellenabbau jedoch verhindert werden – auch im Kreis Lichtenfels. Wir haben uns die Zahlen der vergangenen Monate angesehen.
Das Corona-Virus hat das Land fest im Griff. Nicht nur die gesundheitlichen und sozialen Folgen der Pandemie spielen hierbei eine Rolle, auch viele Bereiche der Wirtschaft sind betroffen. So setzt der zweite Lockdown beispielsweise viele Gastronomiebetriebe und den gesamten Tourismusbereich unter starken Druck. Die Folgen für diese Branchen auf dem Arbeitsmarkt im Kreis Lichtenfels sind indes schwer vorhersehbar: "Wir stehen momentan am Scheideweg. Es kommt darauf an, wie es nach dem 30. November weitergeht und wie sich die Pandemie entwickelt", erklärt Matthias Klar. Er ist Pressesprecher der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg, in deren Bereich auch die Lichtenfelser Region fällt.
Drei Monate Erholungskurs
Insgesamt habe sich der Arbeitsmarkt im Landkreis Lichtenfels in den vergangenen drei Monaten entspannt, berichtet Klar. Verglichen mit dem Jahr 2019 – als der Transformationsprozess der Automobilindustrie bereits in vollem Gange war – lasse sich das auch in Zahlen belegen. So fiel die Anzahl der Entlassungen im Landkreis für den Oktober dieses Jahres um 16,1 Prozent geringer aus. Aktuell sind 1533 Personen – also 4,3 Prozent – arbeitslos, wie der Pressesprecher berichtet. Im August waren es noch 1817 gemeldete Erwerbslose, im Folgemonat sank der Wert bereits auf 1677.
Ganz anders sah es noch zu Beginn der Pandemie aus: Während sich der erste Lockdown, nach Angaben Matthias Klars, Mitte März statistisch noch nicht ausgewirkt hatte, stieg die Zahl der Erwerbslosen im April von 1439 auf 1646. In diesen Zeitraum falle im Normalfall der sogenannte Frühjahrsaufschwung. Das liege daran, dass es in der Tourismusbranche und im Baugewerbe dann gewöhnlich wieder zu Einstellungen von neuem Personal komme, erklärt der Pressesprecher.
Im Kontrast hierzu begann diesen Frühling ein fortlaufender Negativtrend, der bis zum August anhielt. So stieg die Zahl der Arbeitslosen im Landkreis zwischen März und August von 3,7 Prozent auf 4,6 Prozent. "Im August liegt aber auch der saisonale Peak für die Sommermonate in normalen Jahren", betont Klar und ergänzt: "Das hängt mit den Auszubildenden zusammen, die fertig werden und sich dann teilweise vorübergehend arbeitslos melden."
Viele freie Lehrstellen
Die Chancen auf einen Lehrstelle für die Abschlussschüler dieses Jahres haben sich trotz der Pandemie indes kaum verschlechtert. Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe sei nahezu unverändert geblieben. So kämen auf 100 jugendliche Schulabsolventen 177 freie Ausbildungsplätze, berichtet Klar. Aktuell haben bereits 229 neue Azubis ihre Lehre begonnen, während die Betriebe noch 145 Auszubildende suchen. Das liege auch an dem zunehmenden Verbleib im Schulsystem sowie am demographischen Faktor. Es gebe schlichtweg weniger Jugendliche als noch in den Jahrzehnten zuvor.
Ein wichtiges Instrument
Ein entscheidender Faktor zur Eindämmung des Stellenabbaus war auch in der Lichtenfelser Region die Anmeldung von Kurzarbeit. "Bei uns in Deutschland spürt man deutlich die Auswirkungen des Kurzarbeitergeldes. Im Landkreis Lichtenfels hat sich die Zahl der Erwerbslosen durch Corona ,nur‘ um ein Drittel gesteigert. In den USA hat sich die Zahl der Arbeitslosen beispielsweise verdreifacht – dort gibt es kein Kurzarbeitergeld", zieht Klar einen Vergleich. Die Kurzarbeit sei auch deshalb eine große Hilfe, weil die Betriebe hierdurch ihre Fachkräfte halten könnten – für die Zeiten eines Konjunkturaufschwungs.
Zu Beginn des zweiten Lockdowns sei vorerst nur die Nachfrage nach Kurzarbeit gestiegen. Zu vermehrten Anmeldungen sei es hingegen noch nicht gekommen, berichtet Klar. So sei es auch bereits vorher nicht unüblich gewesen, dass Betriebe zwar Kurzarbeit angezeigt hatten, diese dann aber nicht anmeldeten. Um das hohe Aufkommen an Anfragen und Anmeldungen im Frühjahr dieses Jahres zu bewältigen, hatte sich die Lichtenfelser Agentur nach Aussage des Pressesprechers bereits zeitnah vorbereitet. Mithilfe von Schulungen seien die vielen Bearbeitungen im April gut zu bewältigen gewesen. In besagtem Monat stieg die Kurzarbeiterquote auf 21,8 Prozent, im Mai lag sie sogar bei 22,5 Prozent – also 6486 Beschäftigten. Verglichen mit dem Monat Februar war das ein Anstieg um gut 17 Prozentpunkte. Für die Monate ab Mai liegen für den Lichtenfelser Landkreis noch keine Zahlen vor.
Das Selfie-Ident-Verfahren
Trotz der Pandemie bleibt die Agentur für Arbeit in Lichtenfels geöffnet. "Wenn es um wichtige Belange geht, kann nach wie vor ein Termin ausgemacht werden", betont Matthias Klar. Vieles wickeln die Mitarbeiter aber auch telefonisch oder per E-Mail ab – auch mithilfe modernster Methoden: Das sogenannte Selfie-Ident-Verfahren erleichtert beispielsweise das Melden der eigenen Arbeitslosigkeit. Das muss normalerweise persönlich stattfinden. Nicht so in Zeiten von Corona: "Seit Mitte März wurde wegen der Pandemie auf die persönliche Meldung verzichtet. Sie ist ausnahmsweise auch telefonisch oder online möglich", erklärt Boris Flemming, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg und fügt hinzu: "Die persönliche Identifizierung kann man auch ohne persönliches Vorsprechen per Smartphone oder Tablet machen. Das extra hierfür entwickelte Selfie-Ident-Verfahren über die Nect-App aus den gängigen App-Stores macht es möglich."
Alle Kunden, die das Verfahren nutzen können, bekommen ein Schreiben mit dem QR-Code, in dem das Selfie-Ident-Verfahren angeboten und erklärt wird. Betroffene brauchen erst aktiv werden, wenn sie angeschrieben werden, heißt es weiter in der Pressemitteilung. Die Methode ist freiwillig, rund um die Uhr möglich und erspart den Weg zur Arbeitsagentur. In Zeiten von Corona vermeidet sie zudem unnötigen Kontakt. Wer diese Möglichkeit nicht nutzen möchte oder kann, der erhält zu einem späteren Zeitpunkt eine verbindliche Einladung, um sich persönlich in der Agentur für Arbeit zu identifizieren.