Das Amtsgericht sieht es als erwiesen an, dass ein 23-jähriger Marokkaner gestohlen, geschlagen, sich Beamten widersetzt - und eine Frau massiv sexuell belästigt hat. In der Verhandlung beschimpft er dann noch die Staatsanwältin.
Anna Lienhardt
Eigentlich kenne er so etwas nur aus den Nachrichten, sagt der 30-jährige Zeuge. Doch dann wurde es Realität. Er war mit seiner Bekannten in der Luitpoldstraße unterwegs, als die 32-Jährige plötzlich etwas erlebt, das sie bis heute beschäftigt.
Als sie sich im Gerichtssaal noch einmal damit auseinandersetzen muss, was in der Nacht des 15. Dezember 2016 passierte, kämpft sie immer wieder mit den Tränen. Zum Angeklagten kann sie gar nicht hinschauen. Lisa S. (Name geändert) war damals mit ihrem Begleiter auf dem Weg nach Hause, als den beiden zwei Männer entgegenkamen. "Einer hat mich im Vorbeilaufen sehr fest und sehr aufdringlich am Po angegrapscht."
Sie ruft "Was soll das?", als Antwort bekommt sie "geiler Arsch!" und "ich fick dich!" Garniert sind diese Worte mit Kopulationsbewegungen in Richtung von Lisa S. Die fühlt sich stark gedemütigt, ist "komplett durch und bekommt einen Weinkrampf", wie ihr Begleiter sagt. Seitdem geht sie abends nicht mehr alleine vor die Tür und lässt sich mit dem Auto zu Verabredungen bringen.
"Ich spüre, wie schwer das für Sie hier ist", sagt Richterin Marion Aman an Lisa S. gewandt. Was diese denn am meisten belaste? "Dass man wie ein Stück Fleisch behandelt wird und nicht mal mit männlicher Begleitung sicher in der Stadt unterwegs sein kann." Sie merkt noch an: "Einer der Männer hatte eine Art Dutt, die Haare nach oben gebunden."
Eine Beobachtung, die in dem Verfahren eine wichtige Rolle spielt. Denn wegen der auffälligen Herrenfrisur konnte die herbeigerufene Polizei kurze Zeit später den Angeklagten und seinen Begleiter schnappen.
Doch der Angeklagte, Rachid Z. (Name geändert), will unschuldig sein. Keine der vorgeworfenen Taten habe er begangen. Er sagt: Die wirklichen Täter machen ihn zum Sündenbock. Der marokkanische Staatsbürger will weder der sexuellen Belästigung schuldig sein noch zwei weiteren Taten: Der Vorwurf, dass er einen Iraner in der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) bestohlen und in den Bauch getreten haben soll, sei falsch. Das seien seine kriminellen Zimmergenossen gewesen.
Auch habe Rachid Z. sich bei seiner Festnahme in der AEO gegenüber der Polizei nicht aggressiv verhalten. "Ich wollte nur kommunizieren, dass ich unschuldig bin", lässt er über eine Dolmetscherin ausrichten. Das sieht die Polizei anders. Rachid Z. schlug offenbar dermaßen um sich, dass drei Polizeibeamte notwendig waren, um ihn zu bändigen und zu fesseln.
Gericht glaubt ihm nicht
Alle Tatkomplexe - die sexuelle Belästigung, den räuberischen Diebstahl, zwei Mal Körperverletzung sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte - sieht das Gericht als erwiesen an. Es verurteilte den 23-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Sobald das Urteil rechtskräftig wird, wird der Asylbewerber einen Teil seiner Strafe in Deutschland absitzen. Dann geht es nach Österreich. Dort "haben die mir Asyl gewährt, obwohl ich das gar nicht wollte, ich wollte nach Deutschland", sagt er vor Gericht.
In der Bundesrepublik saß er bereits einmal zwei Monate im Gefängnis - weil er nach seiner Abschiebung unerlaubt wieder eingereist war. Nur etwa zwei Wochen nach seiner Unterbringung in der AEO in Bamberg-Ost beging er die angeklagten Taten, wie es das Gericht als bestätigt sieht.
Zeugen hätten ihn erkannt, stets mit Verweis auf seinen Kleidungsstil beziehungsweise die auffällige Frisur, die auch in Lichtbildern festgehalten ist. Der Begleiter von Lisa S. sagt etwa: "Der Mann mit dem Dutt hat gegrapscht." Der Angeklagte widerspricht, er könne die Sprache nicht und habe die anschließenden Beleidigungen auch nicht gerufen. Darauf Staatsanwältin Kerstin Harpf: "Um jemandem an den Hintern zu fassen, muss man kein Deutsch sprechen."
Auch ein Polizeibeamter deutet nach dem Diebstahlsdelikt von Rachid Z. und weiteren Mittätern in der Flüchtlingsunterkunft an: "Die haben uns mit Sicherheit verstanden und nur so getan, als ob nicht." Und dann kommt ein Nachsatz: "Nach dieser Sache war der Dutt weg." In der Tat saß der Marokkaner mit kurzgeschorenem Haar auf der Anklagebank.
Dem Polizisten sei die neue Frisur schon damals aufgefallen, weil der 23-Jährige "noch mal bei uns in anderer Sache war".
Eigene Einsatzgruppe
Zwei andere Beamte berichten, dass die Polizei im Winter 2016 eigens eine Einsatzgruppe in der AEO gebildet hatte, "weil wir so viele Vorfälle mit Marokkanern hatten". Diese seien vor allem durch Raubüberfälle auf andere Asylsuchende innerhalb der Einrichtung aufgefallen. Die Einheit sei mittlerweile aufgelöst, nachdem etwa 35 kriminelle Personen inhaftiert worden seien.
Dem Gefängnis entkommen sind zumindest vorerst weitere geladene Zeugen aus der AEO: drei abgetaucht, einer freiwillig zurückgekehrt in sein Heimatland.
Dem Gericht genügten die Beweise auch so. Dem Anwalt von Rachid Z. und dem Angeklagten selbst nicht. Der ärgerte sich über das Plädoyer der Staatsanwältin so sehr, dass er sie noch als Rassistin beschimpfte.