Dachdecker arbeiten derzeit am Limit. Zwar sind die bei jeder Witterung aktiven Handwerker vieles gewohnt. Aber Temperaturen von mehr als 40 Grad Celsius machen auch ihnen zu schaffen.
Zum Feierabend sucht Andreas Kist so schnell wie möglich einen Schattenplatz auf. Mit seinen Kollegen der Firma Schmidt Bedachungen aus Forchheim arbeitet der 39-Jährige täglich in luftiger Höhe. Was nach erfrischender Abkühlung klingt, fühlt sich vor Ort - knapp 14 Meter über dem Forchheimer Marktplatz - ganz anders an. Was die Dachdecker dort leisten, erinnert eher die Mär von Ikarus. Der büßte seine mit Wachs befestigten Flügel während des Fluges ein, weil er der Sonne zu nahe gekommen war.
Statt mythischen Federn glühen auf den Dächern Forchheims derzeit reale Akkuschrauber und andere Werkzeuge. "Wir können der brütenden Sonne hier oben nicht ausweichen", erzählt Kist, während er sich Schweiß von der Stirn wischt. Aber nicht nur, dass die Sonne seit Wochen unablässig auf die Handwerker niederbrennt. "Man kann schon Schindeln und Gerüststangen fast nicht mehr anfassen", erklärt er. In der Küchensprache würde man den Begriff "Ober- und Unterhitze" wählen.
Deshalb müssen sich die Arbeiter auf dem Gerüst gut schützen. Ohne Sonnenbrille, Mütze und einer ordentlichen Portion Sonnenschutzcreme auf der Haut geht Kist im Moment nicht aufs Dach. Zumal er nicht nur gemütlich die Aussicht genießen kann, sondern teils auf allen Vieren entlang des frisch gedeckten Mansarddaches krabbeln muss.
Enorm wichtig: viel trinken
Enorm wichtig ist es an solchen heißen Tagen für Dachdecker - wie für viele Protagonisten der Hitzehelden-Serie - viel zu trinken. Auch Andreas Kist langt stetig in die Wasserkiste, um sein Flüssigkeitsdefizit auszugleichen. Pro Schicht trinkt er zweieinhalb bis drei Liter Wasser. "Obwohl das eigentlich noch viel zu wenig ist", wie er zugibt. Aber: Wenn er seine Wasservorräte oben auf dem Dachgerüst lagern würde, wären diese binnen kürzester Zeit kaum noch als Erfrischungsgetränke geeignet. "Dann gönnen wir uns in der Pause lieber ein paar Kugeln Eis mehr", sagt er schmunzelnd.
Wie Kist und Kollegen geht es aktuell wohl allen der 450 in den bayerischen Innungen angeschlossenen Betriebe. Bambergs und Forchheims Obermeister Markus Schmidt, zugleich Inhaber der Firma Schmidt Bedachungen, kennt diese Probleme. "Wir sind immer extrem wetterabhängig", sagt der 48-Jährige. Schließlich müssten die Dachdecker bei so gut wie jeder Witterung arbeiten. "Mal ist es zu heiß, mal zu trocken, zu nass oder zu kalt", sagt Schmidt. "Ran müssen wir trotzdem - die Auftragsbücher sind voll. Und wir können ja schlecht sagen, dass wir nicht arbeiten, weil das Wetter zu schön ist."
In den vergangenen Jahren hat der Dachdeckermeister aus Forchheim einige Wetterextreme erlebt. Aber die aktuelle Hitzewelle stellt sich auch für ihn besonders dar. "Als Chef habe ich auf jeden Fall Angst um meine Jungs und mahne sie zur Vorsicht", meint er. Daher stattet er sie beispielsweise mit drei Litern Wasser pro Baustellen-Tag aus.
Keine gesetzlichen Vorgaben
Gesetzliche Grenzen und Vorgaben oder gar Hitzefrei existieren im Übrigen nicht: Wer seinen Arbeitern wie viel zumutet, liegt im Ermessen des Inhabers. Schmidts Anliegen ist es, dass seine Leute die Hitze unbeschadet überstehen. Daher hat er unter anderem an den Zeigern der Arbeitszeituhr gedreht. Auf allen seinen Baustellen fangen die Mitarbeiter statt um sieben Uhr schon eine Stunde früher an und machen nicht erst 16.30 Uhr, sondern schon 14 Uhr Schluss. "Länger lässt es sich dort oben nicht aushalten", sagt Schmidt. Seinen Vorarbeiter Andreas Kist freut's: Je eher er in den Schatten kommt, desto besser.