Er holt Behinderte aus dem Abseits

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Christian Hübners Verein hilft Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Der gebürtige Ebermannstadter ist vor fünf Jahren nach Gräfenberg gezogen, wo auch dieses Bild entstand. Foto: Petra Malbrich
Christian Hübners Verein hilft Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Der gebürtige Ebermannstadter ist vor fünf Jahren nach Gräfenberg gezogen, wo auch dieses Bild entstand. Foto: Petra Malbrich

Auch jeder Behinderte hat das Recht ein selbstbestimmtes Leben. Diesen Menschen hilft Christian Hübners in Gräfenberg gegründeter Verein "Mit euch".

Alle reden von Inklusion, und doch wird sie nicht gelebt. Denn oft leben Menschen, die eine Behinderung haben, abgeschirmt von der Außenwelt in den eigenen vier Wänden, nicht selten alleine und einsam. Und deshalb sind sie durchaus auch depressiv. Geholfen wird ihnen von Familienangehören - Inklusion sieht anders aus. Wenn Christan Hübner das erzählt, weiß er, wovon er spricht, denn er hat nicht nur im Sommer 2019 "Mit Euch", einen Verein für behinderte Menschen in Gräfenberg gegründet, sondern ist mit einem Vater im Rollstuhl aufgewachsen. Wie das war?

"Ganz normal", sagt der gebürtige Ebermannstädter. Und genau das sei Inklusion: es als normal zu betrachten, wenn Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung im Alltag dabei sind. Das scheitert aber meist schon an den baulichen Hürden.

Mit anderen Augen durchs Leben

Christian Hübner geht mit anderen Augen durchs Leben. Er sieht eine Stadt, ein Restaurant und jede andere Einrichtung mit den Augen der Betroffenen. Das Kopfsteinpflaster auf dem Gräfenberger Marktplatz jedenfalls hindere sogar alte Menschen, ein selbstbestimmtes Leben leben zu können. Das geht mit Toiletten weiter. Nicht nur in Gräfenberg, sondern in ganz Deutschland, denn deutschlandweit tätig ist Hübner mit seinem Verein.

"Oft verspricht ein Schild ,barrierefrei‘, vor einer Toilette oder vor der Eingangstür. Wenn die Tür aber nicht automatisch aufgeht und der Rollstuhlfahrer ohne Hilfe nicht in das Gebäude kommt, ist es nicht barrierefrei", kritisiert Hübner. Und leider würden auch Neubauten ganz ohne den Gesichtspunkt barrierefrei gebaut.

Das persönliche Budget

Für einen zwölfjährigen Jungen, der von Christian Hübner betreut wird, wäre es das größte Erlebnis, in einem Feuerwehrhaus den Helm aufsetzen zu dürfen. Ins neue Thuisbrunner Feuerwehrhaus käme der Junge nicht hinein. Andere würden gerne an einer Gemeinderatssitzung teilnehmen. Weder in Gräfenberg noch in Igensdorf wäre das für diese Menschen möglich. Diese Beispiele ließen sich unbegrenzt auf fast alle Ortschaften im Landkreis und deutschlandweit fortsetzen. Während kranke oder pflegebedürftige Menschen durchaus wissen, vom Staat finanzielle Unterstützung zu erhalten, wissen das die körperlich beeinträchtigten Menschen nicht. Doch: "Es gibt das persönliche Budget. Das ist Geld, das jeder Behinderte vom Staat bekommt, um Leute einzustellen, die er für ein selbstbestimmtes Leben braucht", erklärt Hübner. Der Behinderte wird zum Arbeitgeber.

Um diese sozialen Themen hat sich Christian Hübner in jungen Jahren eigentlich nie gekümmert. Mit einem Elternteil aufzuwachsen, das Hilfe braucht, bringt ein anderes Verständnis: Helfen ist selbstverständlich.

So ging Hübner seinen Weg in die Selbstständigkeit als Bilanzbuchhalter mit einer eigenen Firma. Um die Menschen mit Beeinträchtigung kümmerte sich sein Vater. Dann kam ein Anruf von Hübners Vater: "Kannst du eine Lohnabrechnung erstellen? Wir brauchen das." Mit "wir" meinte Hübners Vater den Schützling, um den er sich kümmerte. Und er scheute sich auch nicht, den Sachbearbeitern, die finanzielle Unterstützung verweigerten, aufzuzeigen, dass diese Entscheidung unterlassene Hilfeleistung sei.

Viele neue Kontakte gewonnen

Durch diese Tür hat Christian Hübner zu den hilfsbedürftigen Menschen Kontakt gefunden und eins festgestellt: "Es ist eine Riesenzielgruppe, um die sich niemand kümmert." Menschen, die im Urlaub gerne ins Meer gehen würden. Menschen, die froh sind, wenn sie ins Kino gebracht werden und die völlig ohne Hilfe in eine Gaststätte zum Essen gehen wollen.

Mit Firmen und Immobilienmaklern hat er deshalb Kontakt, um neue Bauvorhaben oder Renovierungen unter dem Gesichtspunkt "barrierefrei" zu beraten. 24 Mitglieder zählt sein Verein, der Jahresbeitrag kostet 72 Euro. Viele neue Kontakte hat er gewonnen.

Das erste Gespräch findet immer am Telefon statt, das zweite zu Hause bei den Betroffenen. Das kostet viel Zeit, denn Christian Hübner fährt zu den Menschen ins Fichtelgebirge oder nach Gera und München. Daneben besucht er viele Seminare, um im Sozialrecht fit zu sein.

Wenn für ihn Inklusion nie ein Fremdwort war, so hatte er schon immer ein Helfersyndrom. "Ich war 16 Jahre beim THW, auch bei Auslandseinsätzen", erzählt Hübner. Und als ein blinder, querschnittsgelähmter Handbikefahrer vor zehn Jahren am Fränkische-Schweiz-Marathon teilgenommen hat, war es Christian Hübner, der ihm die Augen ersetzte.

Nicht nur er möchte das Gefühl haben, zumindest im letzten Lebensdrittel etwas Sinnvolles bewirkt zu haben. Im Vordergrund steht der Mensch, der Hilfe braucht. Für ihn ändert sich nach Hübners Besuch einiges: "Sie kommen aus ihrer Bedürftigkeit heraus, weil sie wieder ihr eigenes Leben leben können, ohne in ein Heim zu müssen", erklärt Hübner.

Und der beeinträchtigte Mensch verliert seine Bittsteller-Rolle. Denn bislang ist es doch so, dass der auf Hilfe Angewiesene immer "Kannst du mir bitte ein Wasser geben, können Sie mir bitte die Tür aufhalten ..." betteln muss. Selbst wenn die Hilfe aus der Familie kommt.

Ein Recht auf Hilfe

"Es ist für diese Menschen eine Riesenbelastung", erklärt Hübner. "Diese Menschen brauchen Hilfe, und sie haben ein Recht darauf. Niemand darf aufgrund einer Behinderung benachteiligt werden", betont Hübner.

Wer sich an Christian Hübner wenden möchte, kann ihn unter der Rufnummer 09192/9954830 oder per E-Mail an post@miteuch-ev.de erreichen.