Das macht aber nur einen Bruchteil unserer Arbeit aus. Die allermeiste Arbeit passiert im Zivil- und Betreuungsrecht, bei Familiensachen und dem Nachlassgericht. Wir sagen oft: Das Gericht begleitet die Menschen vom Anfang bis zum Ende.
Als Justizexperte und Berufspendler: Welchen Eindruck nehmen Sie von Forchheim mit?
Forchheim ist eine wunderbare Stadt. Und wenn ich das als Bamberger sage, will das etwas heißen. Forchheim zeichnet sich einerseits durch seine Geschichte und sein wunderbares historisches Ambiente aus - andererseits auch durch die Modernität, die die wirtschaftliche Entwicklung dieser Stadt mit sich gebracht hat. Forchheim ist ein wirklich spannendes Feld zwischen Historie und Modernität, das sich auch auf ein Gericht auswirkt. Je wohlhabender eine Stadt ist, desto mehr Bürger zieht sie an. Und je mehr Menschen hier ihr Zuhause haben, desto mehr Arbeit bedeutet das für ein Gericht.
Sprich, es gibt mehr Fälle?
Genau. Mehr Menschen bedeuten für uns auch mehr Arbeit. Und umgekehrt: Für eine Stadt ist es ein oft unterschätztes Privileg, ein Gericht vor Ort zu haben. Das wird gerne als selbstverständlich hingenommen.
Wie meinen Sie das?
Ein besonderes Anliegen war es mir von Anfang an, das Gericht in der öffentlichen Wahrnehmung nicht als Ort der Problemverursachung, sondern als Ort der Problemlösung wahrnehmbar zu machen. Keine Frage: Niemand geht gern ins Gericht, aber ins Krankenhaus geht auch niemand gern. Dennoch ist die Sichtweise auf beide Institutionen eine völlig unterschiedliche, obwohl sich beide um Lösung der an sie herangetragenen Probleme - hier juristisch, dort medizinisch - bemühen. Wenn es mir in Forchheim gelungen ist, die Sichtweise auf die Justiz in eine etwas positivere Richtung zu lenken, wozu ein wenig Respekt, Vertrauen und Akzeptanz gehört, wäre ich sehr zufrieden.
Viereinhalb Jahre als Direktor: Was waren Ihre größten Herausforderungen?
Neben den alltäglichen Herausforderungen für ein Gericht waren die vergangenen Jahre gekennzeichnet durch umfangreiche Baumaßnahmen am Gerichtsgebäude. Umbau des Eingangsbereichs und die energetische Sanierung des Gebäudes durch Austausch der alten Holzfenster und der Ölheizung. Solche Maßnahmen führen im laufenden Dienstbetrieb, der ja weitergehen muss, stets zu Belastungen sowohl der Bediensteten als auch der Rechtsuchenden. Alle haben die Einschränkungen mit großer Geduld ertragen, wofür ich sehr dankbar bin.
Die große Frage vor Gericht lautet meistens: Was ist wahr und was nicht? Wie entscheiden Richter wie Sie, wer die Wahrheit spricht und wer nicht?
Für einen Richter ist die Wahrheitstreue - insbesondere von Zeugen - ein elementarer Bestandteil seiner Urteilsfindung: Und doch wird wahrscheinlich nirgendwo so oft gelogen wie vor Gericht. In manchen Bereichen wie dem Strafrecht muss man als Richter sogar mit der Lüge leben: So darf es einem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen, wenn er sich zu seiner Verteidigung einer Lüge bedient. In anderen Bereichen wie etwa dem Zivilprozess ist es höchst gefährlich zu lügen: Eine lügende Prozesspartei könnte sich wegen Prozessbetrugs strafbar machen, und bei Zeugen ist das Lügen vor Gericht sogar unmittelbar unter Strafe gestellt, im Fall eines Meineids beispielsweise mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr.
Klingt nach einer schwierigen Aufgabe...
Hier den Weg hin zur Wahrheit zu finden oder sich dieser zumindest anzunähern, gehört für mich zu den größten Herausforderungen richterlicher Tätigkeit, denn die Mittel, die einem die Prozessordnungen für die Wahrheitsfindung zur Verfügung stellen, wie etwa die Vereidigung von Zeugen, sind begrenzt und nur eingeschränkt wirksam. Generell sollte sich jeder, der mit dem Gericht zu tun hat, vor Augen führen, dass Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit nur dann gewährleistet sind, wenn die Mehrheit anständig genug ist, um bei der Wahrheit zu bleiben. Denn derjenige, der heute lügt, um sich oder anderen ungerechtfertigte Vorteile zu verschaffen, kann morgen schon selbst wieder Opfer einer Lüge werden. Und da sollte doch gelten: Was du nicht willst, das man dir tu'...
Das Gespräch führte
Ronald Heck