Das Pulver reichte nicht aus

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Die Postkarte nach 1930 zeigt das Anwesen, das 1972 für einen Neubau abgerissen worden ist. 1930 wurde die Scheune (rechts am Haus) gebaut. Foto: Archiv
Die Postkarte nach 1930 zeigt das Anwesen, das 1972 für einen Neubau abgerissen worden ist. 1930 wurde die Scheune (rechts am Haus) gebaut. Foto: Archiv
Das Gemälde findet sich noch heute an der Giebelseite der Pulvermühle. Gemalt von Armin Braun zeigt es die Mühle, bevor sie 1806 in die Luft flog. Foto: Reinhard Löwisch
Das Gemälde findet sich noch heute an der Giebelseite der Pulvermühle. Gemalt von Armin Braun zeigt es die Mühle, bevor sie 1806 in die Luft flog. Foto: Reinhard Löwisch
 

Die Literaten-Gruppe 47 machte die Pulvermühle bei Waischenfeld nach dem Zweiten Weltkrieg bekannt. Die Historie des Anwesens reicht bis 1437 zurück.

Die Pulvermühle bei Waischenfeld war drei Tage lang im Oktober 1967 Mittelpunkt der deutschen Literatenszene. Hier traf sich die Gruppe 47 zu einer ihrer letzten Tagungen. Der Treffpunkt war mit Absicht gewählt, verriet Hans Werner Richter in seinen Tagbuchaufzeichnungen, nämlich wegen des Namens und wegen der Abgeschiedenheit der Lokalität. Richter spekulierte: "Wenn die Gruppe 47 hier aufgelöst wird, wird sie faktisch pulverisiert".

Der Gedanke mit dem Wortspiel gefiel ihm, obwohl die Quellenlage für die erste rührige Pulvermühlengeschichte äußerst gering ist. Vor allem auf der Homepage der Pulvermühle ist der Hinweis zu lesen, dass "die Soldaten Napoleons 1806 auf ihren Feldzug gegen Preußen und Russland in der Nähe der Pulvermühle ihr Quartier" aufschlugen und vom Pulvermüller Pulver für ihre Geschütze forderten. Der Pulvermüller jedoch war Patriot und er sprengte deshalb seine Mühle und sich lieber in die Luft, als den Franzosen mit Pulver im Krieg zu helfen.

500 Jahre früher datiert die erste urkundliche Erwähnung einer "Mül unterm Sluzzelberg", ein Hinweis darauf, dass oberhalb der Pulvermühle die erste Burg der Schlüsselberger - der Felssporn hatte laut Burgenforscher Hellmut Kunstmann, die Form eines Schlüssels - stand. Das ist auch der Grund dafür, dass man auf den Bildern der Gruppe 47, die sie vor dem Gästehaus zeigt, in der Giebelwand ein Schlüsselbergwappen mit gekreuzten Schlüsseln sieht.

Zurück zur alten Geschichte. Für 1437 ist nachgewiesen, dass Heinz Hungerberger aus Waischenfeld auf einem "Flecklein bei der Schlüsselmühle" eine Schleifmühle baute, die offensichtlich noch 1608 existierte. Aus jenem Jahr fanden Helga Seidel und Walter Rüfer, die die Geschichte der Pulvermühle im Staatsarchiv Bamberg erforschten, eine Urkunde, die "ein Fischwasser unter der Schleifmühl" bezeugte.


Eine Leidensgeschichte

Im August 1826 erschien ein Österreicher namens Kolomann Keller auf der Waischenfelder Gemeindeverwaltung mit der Bitte um Verehelichung mit der einheimischen Antonia Fuchs, die er in Wien kennengelernt hatte und mit der er eine neue Pulvermühle auf Gemeindegrund, etwa 600 Meter unterhalb der Hammermühle bauen wollte. Die Gemeinde willigte ein und auch die Einwanderungserlaubnis wurde vom Hollfelder Landrichter schnell erteilt, als jener erfuhr, dass der Österreicher nicht unbemittelt war. Was fehlte, war noch die Konzession zum Betrieb einer neuen Pulvermühle.

Damit begann die Leidensgeschichte der Familie Keller, denn das Innenministerium in München zog die Sache in die Länge; man wollte keine Pulvermühlen in privater Hand. Sogar eine Petition an den bayerischen König half da nicht viel. Keller durfte zwar laut Burgenforscher Kunstmann kleine Mengen Pulver herstellen, doch die großen Staatsaufträge blieben aus.

1831 heirateten Antonia und Kolomann, 1833 baute Keller ein einstöckiges Wohnhaus auf das gekaufte Grundstück. Das Geschäft der Pulverherstellung rentierte sich aber nicht, so dass es 1842 zur Versteigerung des Anwesens kam. Der Waischenfelder Adam Wehrl kaufte das Anwesen: das neuerbaute Wohnhaus und die Pulvermühle unweit des Hauses, die er zwei Jahre später abreißen ließ. 1860 wurde das Wohnhaus erneuert, mittlerweile gehörte der Besitz Johann Neuner aus Rabeneck.

1875 verkaufte jener die Pulvermühle an Johann Schatz und damit kam das Anwesen in die Familie Bezold, die es seit 1933 besaßen. Sie bauten das Haupthaus aus und um, 1950 kam das Gästehaus hinzu und 1959 die Veranda davor. 1963 übernahm Kaspar Bezold das Anwesen, der es mit Hilfe seiner Frau Erika zu einem der bekanntesten gastronomischen Betriebe in der Fränkischen Schweiz ausbaute. 1972 fiel das Gästehaus einem Brand zum Opfer. Anstatt eines Neubaus hat der Pulvermüller das Haupthaus abgerissen und neu gebaut, wofür er 1977 den bayerischen Innovationspreis bekam. Im Jahr 2000 starb der Pulvermüller Kaspar Bezold, Ende des Jahres 2011 wurde das Traditionshaus geschlossen und erst 2014 unter einem neuen Besitzer wieder eröffnet.
An die Gruppe 47 erinnert derzeit kein bauliches Relikt, eigentlich nichts mehr - außer in der Erinnerung und in Bildern. Daher ist das Vorhaben der Gemeinde Waischenfeld, mit einer Gedenkveranstaltung und einem Denkmal an diese erfolgreiche Zeit und an die Gruppe 47 zu erinnern, sehr zu begrüßen.