Corona-Krise: Eine Forchheimer Altenpflegerin erzählt, warum das Arbeiten im Moment auch emotional schwierig ist

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Inge Weiß ist als Altenpflegerin im Raum Forchheim unterwegs. Seit der Corona-Krise ist für sie ein Mundschutz bei der Arbeit Pflicht. Foto: Diakonie Bamberg-Forchheim
Inge Weiß ist als Altenpflegerin im Raum Forchheim unterwegs. Seit der Corona-Krise ist für sie ein Mundschutz bei der Arbeit Pflicht. Foto: Diakonie Bamberg-Forchheim

Inge Weiß ist Altenpflegerin. Die Corona-Krise erschwert ihr und ihren Kollegen die Arbeit erheblich. Mundschutz und Handschuhe sind Pflicht. Zu manchen Patienten fahren die Pfleger dennoch mit einem mulmigen Gefühl.

Im Einsatz an der Corona-Front: Um sechs Uhr morgens beginnt in der Diakoniestation Forchheim der Arbeitstag für die Mitarbeiter des ambulanten Pflegediensts. Inge Weiß ist eine von ihnen. Die Pflegefachkraft hat dem FT von ihrem Arbeitsalltag erzählt. Die Corona-Krise stellt die Pflegerinnen und Pfleger dabei nicht nur was die Schutz- und Hygienemaßnahmen betrifft vor Herausforderungen. Vor allem emotional waren die zurückliegenden Wochen eine schwierige Zeit, wie Inge Weiß berichtet.

Denn für die meisten ihrer Patienten bedeutet(e) die Corona-Krise vor allem eines: Einsamkeit. "Wenn wir zu einem Patienten gekommen sind, der alleine wohnt, waren wir Pflegekräfte oft der einzige direkte Kontakt, den diese Menschen hatten", sagt Weiß mit Blick auf die zurückliegenden Wochen.

Kontaktverbot wegen Corona: Großer Redebedarf bei den Patienten

Kinder und Enkelkinder durften aufgrund der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen nicht zu Besuch kommen. Viele Patienten seien den ganzen Tag in der Wohnung geblieben, weil sie sich nicht nach draußen getraut haben. Der Redebedarf der Patienten war groß, wenn die Pfleger vorbeikamen. "Viele wollten einen am liebsten gar nicht mehr weglassen", erzählt Weiß.

Seit Mitte dieser Woche sind Besuche in der Familie wieder erlaubt. "Ich hatte prompt den Fall, dass eine Tochter vor Ort war und ihren Vater besucht hat", berichtet Weiß. "Die beiden haben sich sehr gefreut und die Gelegenheit gleich beim Schopf gepackt, weil sie befürchten, dass die Lockerungen bald wieder zurückgenommen werden."

Nach wie vor gilt es, Abstand zu halten. Das Umarmen oder In-den-Arm-Nehmen fehle, sagt Weiß. "Wir Pflegekräfte sind auch fürs Trösten zuständig, fürs Händehalten oder einfach mal dazu da, jemanden in den Arm zu nehmen, dann geht es den Patienten meist auch schon wieder gut, und diese Dinge fallen im Moment halt alle weg", erzählt die Altenpflegerin.

Abstandsregeln: Distanz auch für die Pflegekräfte emotional schwierig

Das sei nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Pflegekräfte emotional schwierig. "Bei uns arbeiten sehr empathische Leute, was man in der Pflege ja auch sein sollte, und dann fällt das schon schwer, in bestimmten Situationen auf Distanz zu bleiben."

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Die Pflegerinnen und Pfleger waren auch mit Menschen konfrontiert, die im Sterben lagen. "Du kannst zwar mit Worten trösten, aber es ist halt doch nochmal was anderes, wenn du hingehen und die Hand halten oder streicheln kannst oder einfach mal jemanden auch in den Arm nehmen kannst", erzählt Weiß. Es bedürfe manchmal gar nicht vieler Worte. "Aber jetzt musst du oder solltest du Worte finden, weil du dieses Körperliche nicht zeigen kannst."

Die Patienten des ambulanten Pflegediensts sind in einem Alter von 60 bis teilweise weit über 90 Jahren, wie Inge Weiß berichtet. Damit zählen sie zu der durch das Coronavirus besonders gefährdeten Risikogruppe, was besondere Schutzmaßnahmen erfordert. Desinfektionsmittel kamen in der Altenpflege schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie regelmäßig zum Einsatz, wie Weiß berichtet. Bei der hygienischen Händedesinfektion zum Beispiel oder bei Flächendesinfektionen etwa in den Fahrzeugen des ambulanten Pflegediensts.

Infektionsrisiko: Abstand halten in der Pflege kaum möglich

Der empfohlene Abstand von 1,5 Metern lässt sich hingegen nicht immer einhalten. "Wir versuchen, den Körperkontakt soweit es geht einzuschränken, wobei das in der Pflege fast nicht möglich ist", berichtet Inge Weiß. "Bei irgendeiner pflegerischen Leistung vom Patienten 1,5 Meter Abstand zu halten, das funktioniert nicht. Wir sind also schon sehr nah an den Patienten dran." Etwa, wenn diese gewaschen oder beispielsweise vom Bett in den Rollstuhl gebracht werden müssen.

Über die aktuelle Lage in Franken, Deutschland und der Welt halten wir Sie in unserem Coronavirus-Ticker auf dem Laufenden.

Die Pflegekräfte tragen inzwischen bei jeder Tätigkeit Handschuhe und nicht mehr nur, wenn sie etwa mit Ausscheidungen der Patienten in Kontakt kommen. Auch einen Mundschutz haben sie bei ihrer Tätigkeit auf, was notwendig ist, aber die Arbeit zusätzlich erschwert.

"Man kriegt nicht so gut Luft durch den Mundschutz", berichtet Inge Weiß. "Die Patienten verstehen uns teilweise auch nicht so gut. Wir müssen also lauter sprechen, Dinge mehrmals wiederholen, weil Absetzen geht ja nicht." Kolleginnen klagten zudem über leichten Ausschlag im Mundbereich und trockene Nasenschleimhäute. "Das sind aktuell die unangenehmen Dinge, die uns bei der Arbeit vom Körperlichen her betreffen", fasst Weiß zusammen.

Mundschutz: Regelmäßiges Wechseln ist erforderlich

Der Mundschutz muss regelmäßig gewechselt werden, da ein durchfeuchteter Mund-Nasen-Schutz seine Wirkung verliert. Bei etwa 15 bis 20 Patienten, die bei einer Tagestour besucht werden (je nach Pflegeaufwand), war das mengenmäßig eine Herausforderung.

Wie Sie sich selbst einen Mundschutz nähen können, erklären wir Ihnen in unserem inFranken.de-Ratgeber-Artikel.

"Es ging ja plötzlich Schlag auf Schlag und jeder wollte große Mengen bestellen", erinnert sich die Altenpflegerin. Eine Pflegekraft und eine Auszubildende nähten in ihrer Freizeit Mundschutze für das Team. Auch das benachbarte Jörg-Creutzer-Seniorenzentrum stellte eine Kiste mit selbstgenähten Masken zur Verfügung.

Bei ihrem täglichen Einsatz sind die Pflegekräfte auch immer der Gefahr ausgesetzt, sich selbst mit dem Coronavirus zu infizieren. Mit welchem Gefühl sie und ihre Kollegen zu einem Patienten fahren, hängt dabei stets vom Patienten ab, wie Inge Weiß erzählt.

Schutzmaßnahmen: Mulmiges Gefühl bei manchen Patienten

"Zu den Patienten, die selbst sehr vorsichtig sind, zu denen geht man eigentlich am liebsten", sagt sie. Es gebe aber auch Patienten, die das Ganze sehr gelassen sehen und der Meinung sind, ihnen kann nichts passieren.

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"Da ist es dann schon ein bisschen schwierig, zu diesen Patienten nach Hause zu gehen", berichtet die Altenpflegerin. "Man hat dabei dann einfach ein ungutes Gefühl. Viele von uns haben ja zuhause auch Familie und da will man natürlich nicht, dass die durch den Beruf in Mitleidenschaft gezogen wird." Der Großteil der Patienten sei aber sehr vorsichtig und halte sich an die allgemeinen Schutz- und Hygienevorgaben.

"Inzwischen hat sich alles ganz gut eingespielt", sagt Weiß. "Wir nehmen die Situation halt jetzt auch einfach so hin, wie sie ist, ändern können wir sie ja ohnehin nicht, und wir tun unser Bestmögliches, damit wir uns nicht anstecken und natürlich auch keinen Patienten. Wir sind alle froh, wenn das Ganze überstanden ist und wenn wir dabei alle gesund bleiben."

Gestiegene Wertschätzung: Hoffnung, dass das auch nach Corona so bleibt

Über die im Zuge der Corona-Krise gestiegene Wertschätzung für Pflegekräfte und andere Berufsgruppen, die vorher kaum beachtet wurden, freut Weiß sich. Sie hofft, dass das auch nach Corona so bleibt. "Denn wie schnell ist etwas wieder vergessen, wenn es vorbei ist."

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Inge Weiß hat 2012 als Quereinsteigerin den Weg in die Pflege gefunden. "Wenn ich vorher gewusst hätte, wie toll die Pflege ist, dann wäre ich schon eher Pflegekraft geworden", sagt sie rückblickend. Der Beruf sei spannend und vielfältig. "Die Pflege am Menschen gibt einem auch sehr viel zurück", erzählt Weiß. "Es ist mein absoluter Traumberuf - Corona hin oder her."