Pflegehelferin in Höchstadt: Ausreise, um Abschiebung zu entgehen

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Landauf, landab fehlen in der Pflege die Fachkräfte. Da versteht Johanna Auerbeck vom Seniorenzentrum St. Anna nicht, wie man eingearbeitete, gute Leute einfach abschieben kann. Symbolbild: dpa
Landauf, landab fehlen in der Pflege die Fachkräfte. Da versteht Johanna Auerbeck vom Seniorenzentrum St. Anna nicht, wie man eingearbeitete, gute Leute einfach abschieben kann. Symbolbild: dpa

Integriert, gewollt und gebraucht - und trotzdem muss eine Ukrainerin jetzt gehen. Für das Seniorenzentrum St. Anna ist es ein harter Schlag.

Johanna Auerbeck versteht die Welt nicht mehr: "Der Pflegenotstand ist täglich Thema in den Medien und dann schicken wir die weg, die was können."

Die Leiterin des Seniorenzentrums St. Anna in Höchstadt muss eine eingearbeitete Pflegehelferin gehen lassen, weil sie in die Ukraine abgeschoben wird. "Obwohl ich hier schwarz auf weiß habe, dass sie eine Aufenthaltsgenehmigung bis 2020 hat", empört sich Auerbeck. Aber: Die 43-Jährige hat keinen anerkannten Flüchtlingsstatus, die Ukraine gilt wieder als sicheres Herkunftsland.

Förderung war genehmigt

Als sie nach Deutschland gekommen war, landete Kristyna B. (Name geändert) in Höchstadt. Sie machte Sprachkurse und begann im April 2016 als Pflegehelferin in Vollzeit im Seniorenzentrum St. Anna zu arbeiten. Sie hat einen pädagogischen Masterabschluss, "ist sich aber zu keiner Arbeit zu schade", so Auerbeck. Mit Fleiß, Empathie - gerade dementen Menschen gegenüber - und ihrem freundlichen Wesen sei sie bei Bewohnern wie Personal sehr beliebt. "Sie arbeitet in vorbildlicher Weise und ist sehr gut integriert", so Auerbeck.

Schon 2017 wollte sie die Leiterin zur Fachkraft ausbilden lassen. "Die Förderung vom Arbeitsamt war bereits genehmigt." Mit der sogenannten WeGebAU-Förderung wird älteren Arbeitnehmern oder Quereinsteigern nach bestandenem Kompetenz-Test eine Ausbildung ohne finanzielle Einbußen ermöglicht. "Die Leute beziehen ihr volles Helfergehalt weiter, wobei die Arbeitsagentur 50 Prozent übernimmt und wir 50 Prozent", erklärt Auerbeck. So fallen sie während dieser Zeit nicht auf eine geringere Ausbildungsvergütung zurück.

Aber diese Chance wurde Kristyna B. verwehrt. "2017 haben wir eine Anfrage bekommen, ob eine Ausbildung möglich wäre", bestätigt Hannah Reuter, Pressesprecherin am Landratsamt Erlangen-Höchstadt. "Nach den damaligen Vorgaben konnten wir dem nicht zustimmen." Der Grund war laut Auerbeck, dass Kristynas Aufenthaltsgenehmigung nur bis 2020 ausgestellt war. Bis die 43-Jährige vor drei Monaten zu einer erneuten Anhörung vorgeladen wurde. Nun hat sie eine schriftliche Aufforderung erhalten, das Land mit Frist bis zum 23. Oktober zu verlassen. Ein Einspruch und viele Fürsprecher, unter anderem die Höchstadter Geistlichen sowie Bischof Bedford-Strohm, konnten nichts dagegen ausrichten.

Hannah Reuter sagt dazu, dass die "betroffene Person" Ende September "von sich aus auf uns zugekommen" sei und mitgeteilt habe, "dass sie freiwillig ausreisen möchte".

Das ist laut Auerbeck darauf zurückzuführen, dass Kristyna andernfalls ein 30-monatiges Wiedereinreiseverbot bekommen hätte (siehe Kasten). "Ihr Rechtsanwalt hat ihr dazu geraten, freiwillig auszureisen. Sonst hätte sie im kommenden Jahr auch mit Ausbildungsvertrag nicht wiederkommen dürfen. Die haben ihr quasi das Messer auf die Brust gesetzt", sagt Auerbeck.

2019 gibt es einen Vertrag

So darf sie aber mit unterschriebenem Ausbildungsvertrag im August 2019 wieder einreisen. Das Landratsamt weist zwar darauf hin, dass es keinen erneuten Antrag auf Ausbildungserlaubnis erhalten habe. "Daher bestand auch keine Veranlassung für eine erneute Prüfung."

Auerbeck ist aber gewillt, Kristyna einen Ausbildungsvertrag zu geben. "Wir haben das schon bei der Schule beantragt. In der Ukraine muss er dann nur vorgelegt werden, um ganz normal mit einem Visum einreisen zu können." Eine Erlaubnis von Amtsseite sei nicht mehr nötig.

Aber die 43-Jährige muss jetzt wohl zunächst in ein Land, in dem sie keine Familie hat, keine Unterkunft, kein Auskommen. "Warum?", fragt Johanna Auerbeck. "Zumal ihre Mutter seit 16 Jahren in Nürnberg lebt."

Das ist nicht nur für die Frau selbst tragisch. Das Seniorenzentrum erleidet erhebliche Verluste: Neben fünf werdenden Müttern, die Auerbeck im Laufe des Jahres ins Beschäftigungsverbot schicken musste, fehlt ihr jetzt noch eine komplette Vollzeitkraft. "Zwei Stellen konnten wir durch fertige Auszubildende ersetzen. Aber trotzdem haben wir derzeit ein Defizit von 3,5 Stellen. Zehn Plätze können wir deshalb nicht belegen - obwohl der Bedarf da wäre." Die Warteliste sei lang.

Kristyna B. selbst war bis Redaktionsschluss leider nicht zu erreichen.