Günther Allinger leitet seit 20 Jahren die Einrichtung für behinderte Menschen der Barmherzigen Brüder in Gremsdorf. Ein Gespräch über das neue Wohnheim, den Bedarf an Wohnplätzen und die ambulante Betreuung.
Seit dem Umzug ins Schlossgebäude hat es Günther Allinger nicht mehr weit in die hauseigene Kirche. Sein Büro ist gleich ums Eck, am anderen Ende des Flurs. Geboren in Oberbayern, aufgewachsen in Niederbayern und studiert in der Oberpfalz ist er mittlerweile seit 20 Jahren Geschäftsführer der Einrichtung für behinderte Menschen der Barmherzigen Brüder.
Im Neubaugebiet in der Bechhofer Straße in Gremsdorf entsteht zur Zeit ein neues Wohnheim der Barmherzigen Brüder, also ein bisschen abseits von den anderen Wohnheimen - wieso?
Günther Allinger: Im Zuge der Inklusion haben Großeinrichtungen immer weniger Bedeutung. Stattdessen baut man heute lieber mehrere, kleinere Einheiten, die dafür aber ins Dorf und in die Nachbarschaft eingebunden sind. Zu den bisherigen 289 Wohnheimplätzen kommen mit dem Neubau 32 Plätze dazu.
Im Frühjahr ist die Fertigstellung geplant.
Sind diese Plätze bereits belegt?Noch nicht, aber ich bin mir sicher, dass das relativ schnell gehen wird. Wir haben eine umfänglich große Warteliste. In den letzten vier, fünf Jahren waren es relativ konstant 200 Anfragen pro Jahr. Durchschnittlich sind jährlich aber nur zwölf bis 20 Neuaufnahmen möglich, wenn ein Bewohner auszieht oder stirbt.
Wer wird bei den Barmherzigen Brüdern aufgenommen und wer nicht?
Bei uns wohnen Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung oder Mehrfachbehinderung. Akut psychiatrisch behandlungsbedürftige Personen können wir dagegen nicht aufnehmen. Genauso akut Suchtkranke oder Menschen, die einen hohen Pflegebedarf haben.
Ist der Bedarf an Wohnplätzen gestiegen?
Es gibt immer mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Und sie kommen auch immer früher, teilweise schon mit 14 oder 15 Jahren. Depression, Burnout oder Schizophrenie, diese Krankheiten sind definitiv ansteigend. Darum steigt auch der Bedarf an Wohnraum. Was dagegen aufgrund der heutigen Frühdiagnostik weniger wird, sind Menschen mit dem Down-Syndrom.
Spüren Sie den demographischen Wandel auch in Ihrer Einrichtung? Natürlich, Menschen mit Behinderung werden im Alter genauso pflegebedürftig wie Menschen ohne Behinderung. Und diese Pflege leisten wir auch, bis derjenige stirbt. Man kann aber schon sagen, dass der Aufwand der Pflege deutlich gestiegen ist. Das ist für uns aber noch zu stemmen. Zumal wir unsere eigene Schule im Haus haben und dort für die Arbeit mit behinderten Menschen selbst ausbilden.
Das stationäre Wohnen ist innerhalb, aber auch außerhalb der Einrichtung möglich.
Was ist der Unterschied?
Zur Zeit leben zwölf Menschen in den beiden Außenwohngruppen in Höchstadt und Gremsdorf. Sie sind von der Entwicklung bereits so weit, dass sie selbst waschen oder kochen können. Ein gewisses Mehr an Selbstständigkeit wird hier also erwartet. Zum ganz eigenständigen Leben genügt es aber noch nicht. Deshalb ist die Betreuung vergleichbar mit der innerhalb der Einrichtung. Was sich unterscheidet, ist der Hilfebedarf.
Gibt es auch die Möglichkeit der ambulanten Betreuung?
Vor fünf Jahren haben wir begonnen, diesen Bereich auszubauen. Zur Zeit sind es zehn Menschen mit Behinderung, die in einer eigenen Wohnung leben. Sie werden von uns zwar noch betreut und begleitet, aber nur in dem Umfang, der nötig ist. Das sind dann meist ein bis fünf Stunden pro Woche. Grundsätzlich leben sie aber eigenständig und versorgen sich selbst.
In der Regel arbeiten sie in unserer Werkstatt für Menschen mit Behinderung.
Gab es ein besonderes Ereignis in Ihrem Leben, dass Sie zur Arbeit mit behinderten Menschen gekommen sind?
Das ist beim Studium in Regensburg so gekommen. Ich hab' Sozialpädagogik studiert und da hatte ich eher Kontakt zu Menschen mit Behinderung. Ich hab' gemerkt, dass mir das liegt.
Was raten Sie Mitmenschen, wie sie am besten mit Menschen mit Behinderung umgehen sollen?
Ganz normal, wie mit jedem anderen auch. Keine Bedenken haben, nur weil sich Menschen mit Behinderung anders verhalten oder anders aussehen.
Und was wäre genau das Falsche?
Wenn man blöd glotzt. Wenn jemand im Rollstuhl sitzt, hat er eine Behinderung, aber ist trotzdem ein Mensch wie jeder andere. Außerdem: Keine übertriebene Fürsorge. Man kann Hilfe anbieten, aber man sollte sich nicht aufdrängen.