Ingenieur aus Höchstadt bot VW Innovation an, um Schadstoffe zu reduzieren

4 Min
Jürgen Rabe studiert zuhause in der Sterpersdorfer Mühle seine Unterlagen über seine Emissions-Elektronik. Foto: Peter Groscurth
Jürgen Rabe studiert zuhause in der Sterpersdorfer Mühle seine Unterlagen über seine Emissions-Elektronik. Foto: Peter Groscurth

Der Ingenieur Jürgen Rabe aus Höchstadt hat dem Volkswagen-Konzern schon 2004 ein System angeboten, das den Ausstoß von Schadstoffen reduzieren konnte. Doch für seine Innovation gab es damals eine glatte Abfuhr.

Der Abgas-Skandal bei Volkswagen zieht immer weitere Kreise. Nun steht auch Audi am Pranger, von der Nobelmarke sind weltweit 2,1 Millionen Modelle betroffen. Denn der Motor mit manipulierter Software, der bei VW die interne Bezeichnung EA 189 trägt, wurde in allen Marken des Konzerns verwendet. Immer mehr Details des großangelegten Betrugs kommen ans Tageslicht: Ein VW-Techniker hat laut Medienberichten bereits 2011 vor illegalen Praktiken im Zusammenhang mit den Abgaswerten gewarnt. Dem Aufsichtsrat sei vor wenigen Tagen auch über diese Warnung Bericht erstattet worden. Allerdings konnte nicht geklärt worden, warum der Hinweis folgenlos blieb und wer alles im Konzern davon wusste.


Bosch-Technik zur Abgasnachbehandlung

Von außerhalb könnte VW sogar noch früher gewarnt worden sein: Bereits im Jahr 2007 habe der Autozulieferer Bosch in einem Schreiben vor der illegalen Verwendung seiner Technik zur Abgasnachbehandlung abgeraten. Volkswagen hatte eine verbotene Software in seine Dieselmotoren eingebaut, um die Abgaswerte auf dem Prüfstand niedrig zu halten. Bosch hatte diese Software aber nur zu Testzwecken an den Konzern geliefert und auch mitgeteilt, dass der geplante Einsatz gesetzeswidrig sei.

Ortswechsel ins idyllische Franken: die Sterpersdorfer Mühle an der Aisch - ein Jahrhunderte alter Fachwerkbau, nur wenige Kilometer von Höchstadt entfernt. Hier lebt Jürgen Rabe (72). Der promovierte Kunststoff-Ingenieur kennt die Automobil-Industrie, er arbeitete für Schaeffler und verantwortete die Forschungs- und Entwicklungsabteilung des früheren Kfz-Zulieferers Sachsenring AG in Zwickau.


Auto-Konzernen wird Tricksen zu leicht gemacht

Er weiß, wie leicht es den großen Auto-Konzernen gemacht wurde, bei den Messungen von Schadstoff-Werten zu tricksen. "Da genügt bei der Erstzulassung neuer Modelle eine Abnahme auf einem Prüfstand. Passen dort die Schadstoff-Werte gibt es eine Genehmigung und niemand testet später die Werte nach", sagt der frühere Vorstand der Sachsenring AG.

Dabei hatte er schon vor über 15 Jahren eine Innovation entwickelt, die dazu beitragen konnte, den Schadstoff-Ausstoß von Fahrzeugen laufend zu kontrollieren und auch während des Betriebs die Motorleistung anzupassen, um schädliche Abgase zu minimieren. "Mobile Emissions-Messung" oder kurz MEM hieß diese Technologie. "Mit Hilfe von Sensoren, einem Chip und anderer Steuerelemente war es möglich, die Motoren Zylinderselektiv zu beeinflussen, um weniger giftige Stoffe wie Stickstoffdioxide, Kohlenmonoxide oder Stickstoffmonoxide auszustoßen", führt Rabe aus.

Und er ergänzt: "Es ging darum, konsequent zu ermitteln, wo Probleme im Motor liegen. Schadstoffe zu vermeiden, war zwar nicht möglich, aber deren Ausstoß konnte mit MEM erfasst und so weit wie möglich reduziert werden."


Rabe und sein Team stießen auf Mauer der Ablehnung

Rabe und sein Entwicklungsteam betraten mit ihrem Projekt Ende der 90-er Jahre absolutes Neuland. Sie wurden von Anfang an argwöhnisch beäugt und stießen auf eine Mauer der Ablehnung. Stets hieß es, das Vorhaben von dauernden Messungen und Steuerungen von Motoren sei nicht machbar, erfordere zu viel Aufwand. "Selbst das Umweltbundesamt winkte ab", erinnert sich Rabe zurück. In einem Schreiben der Behörde aus dem Jahr 2004 heißt es unter anderem: "Uns ist nicht deutlich geworden, welche Technik sie zu der Emissionsmessung verwenden wollen."

Waren die Behörden schon damals Marionetten an den Fäden der mächtigen Auto-Konzerne? Fakt ist: 2004 besuchten Rabe und sein Team auch Volkswagen in Wolfsburg. Auch dort stellten sie ihre MEM vor und ernteten nur Kopfschütteln. "Uns wurde erklärt, der Aufwand sei zu hoch." Etwa 1000 Euro hätte die Technik pro Fahrzeug gekostet. "Nach dieser Präsentation haben wir die ganze Produktentwicklung gestoppt", meint der Ingenieur weiter. Volkswagen tut sich zumindest mit der Erinnerung an diesen Besuch schwer. Auf Nachfrage dieser Zeitung meint ein Konzern-Sprecher: "Ob und inwiefern sich recherchieren lässt, was vor elf Jahren wem vorgestellt wurde, kann ich nicht sagen." Weitere Details ließ er zunächst offen.


Der Frust des Ingenieurs

"Ich bin wirklich frustriert. Durch den aufgedeckten VW-Skandal bin ich heute umso mehr bedrückt, dass es damals mit MEM nicht klappte", sagt Rabe, der zuhause in einer Stube seiner alten Mühle die alten Unterlagen seiner Forschungen noch einmal durchgeht. Seine späte Einsicht: "Gleich nach dem Nein von Volkswagen hätte ich ausländische Auto-Produzenten ansprechen sollen. Die wären offener wie die deutsche Industrie gewesen."

Schon einmal hatte er erleben müssen, wie deutsche Konzerne eine seiner Entwicklungen mit Nichtachtung straften, die nur kurze Zeit später eine Revolution in der Automobil-Branche in Gang setzen sollte. 1996 ließ Rabe drei Prototypen des Uni 1 bauen. Des ersten Autos mit Hybrid-Antrieb aus einem kombinierten Verbrennungs- und Elektromotor. Doch dem Uni 1 erging es wie vielen guten Ideen: Er kam zu früh. Niemand wollte ihn, weder Firmen noch private Kunden. Die Politik wollte ihn erst recht nicht. Rabe war sich aber 1996 sicher, auf dem absolut richtigen Weg zu sein und warnte: "Japanische Hersteller sind an unserer Hybrid-Technik besonders interessiert. Könnte sein, dass wir da einen Stein ins Rollen gebracht haben." Er lag mit seiner Einschätzung damals genau richtig, denn nur kurze Zeit später brachte Toyota mit dem Prius die erste Hybrid-Generation für den Kfz-Massenmarkt heraus und gilt seitdem auf diesem Feld als führend.

Die deutschen Hersteller guckten hingegen in die Röhre. Viel zu lange galt laut Rabe für die Branche der Spruch: "Was nicht sein durfte, wurde nicht." So wie seine eigene Erfindung MEM. Die Innovation wird wohl nie in Autos eingebaut werden. Im Fußball würde man von einer verpassten Chance sprechen, der man zumindest in Wolfsburg noch lange nachtrauern wird.



Info: Teure Umrüst-Aktion


Kosten Die Kosten für die Umrüstung der betroffenen VW-Autos werden, vorsichtig kalkuliert, auf 100 bis 200 Euro pro Fahrzeug geschätzt. Das wären insgesamt mehrere Hundert Millionen Euro. Für die Um- oder Nachrüstung sei mindestens ein halbes Jahr zu veranschlagen, sind sich Experten sicher. Zuvor muss noch geprüft werden, ob das dann einen höheren CO2 -Ausstoß, also andere Umweltprobleme zur Folge hat. Und ob anschließend der Spritverbrauch steigt, die Verbraucher also finanziell belastet werden. Volkswagen erklärt dazu, man nehme zu solchen Spekulationen grundsätzlich keine Stellung. Volkswagen arbeite "mit ganzer Kraft an einer intensiven und schonungslosen Aufklärung". Dabei gelte: "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit!"

Versicherungen Wie teuer der Skandal für Volkswagen wird, darüber spekulieren die Manager noch. Klar ist, dass die 6,5 Milliarden Euro, die VW für Rückrufe und Rechtsstreitigkeiten zurückgelegt hat, kaum ausreichen dürften. Der Volkswagen-Konzern kann von diesen Milliardenkosten infolge des Abgas-Skandals nur einen Bruchteil von der Manager-Haftpflichtversicherung zurückholen. Die Deckungssumme der sogenannten D&O-Versicherung dürfte kaum über einer halben Milliarde Euro liegen, sagte Michael Hendricks, Chef des Düsseldorfer D&O-Maklers Hendricks & Co. Laut dem Leiter der D&O-Versicherung des Maklers Aon in Hamburg, Marcel Roeder, liegt die Summe bei Dax-Konzernen häufig nur bei 350 bis 400 Millionen Euro.