Bis zu 18 Asylbewerber will die Stadt in ihrem Anwesen in der Engelgasse unterbringen. Bürgermeister Brehm informierte die Anwohner bei einem Treffen am Montag persönlich. Nicht alle waren begeistert.
Zwei Adelsdorfer tanzten aus der Reihe. Und das im besten Sinne. Denn sie waren vor allem aus einem Grund gekommen - um ihre Hilfe anzubieten. Sie wollen etwas beisteuern, sich einbringen, sagten sie, um die Betreuung der Flüchtlinge zu unterstützen. Doch damit waren sie am Montagabend im Kommunbrauhaus die einzigen in dieser Runde. Niemand sprang auf ihr Pferd auf. Außer Anne-Marie Müller, Abteilungsleiterin für Umwelt und Soziales im Landratsamt, die dankbar für jede weitere ehrenamtliche Hilfestellung für die zur Zeit über 500 Flüchtlinge im Landkreis ist.
Bezahlbaren Wohnraum schaffen Bürgermeister Gerald Brehm (JL) hatte die Anwohner der Engelgasse schriftlich eingeladen, um über die geplante Unterbringung von Asylbewerbern in ihrer Nachbarschaft zu informieren
(wir berichteten). Ein paar von ihnen waren bereits im Vorfeld der Informationsveranstaltung ziemlich enttäuscht und sauer über die Art und Weise gewesen, wie sie von diesem Vorhaben erfuhren - und machten ihrem Ärger darüber nun Luft.
Ursprünglich wollte ein Geschäftsmann aus Hemhofen das Anwesen in der Engelgasse 5 kaufen, dem Landratsamt zur Verfügung stellen und Flüchtlinge darin unterbringen. Der Stadtrat verhinderte dies allerdings, indem er sich im Dezember mehrheitlich darauf einigte, von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Die Anwohner gingen davon aus, dass das Thema damit erledigt sei. Das das jetzt aber nicht so ist, werfen sie nun dem Bürgermeister vor.
Der betonte mehrfach, dass in dem Anwesen keine dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen in Frage kommt. Der Vertrag soll auf drei Jahre begrenzt sein. Bei dem privaten Investor wäre die Laufzeit deutlich länger ausgefallen. "Wir wollen städtebaulich aktiv werden, das Haus abreißen und wie vorgesehen neuen, bezahlbaren Wohnraum schaffen", sagte Brehm.
Zudem sei man zunächst davon ausgegangen, dass die Stadt mit der derzeitigen Erweiterung der Gemeinschaftsunterkunft am Lappacher Weg ihren Solidarbeitrag, was die Unterbringung von Asylbewerbern angehe, erfüllt habe, doch die Situation habe sich mittlerweile akut verschärft. "Man darf als Anwohner kritisch sein. Wir können auch nicht die ganze Welt aufnehmen, aber wir sind als Stadt gefordert und fühlen uns verantwortlich."
Anwohner Baptist Keller äußerte Bedenken: "Wer garantiert, dass es bei einer Dauer von drei Jahren bleibt? Die Situation in Afrika und Syrien wird sich nicht ändern. Versprechen könnt ihr viel." Ein weiterer Anwohner, Anton Gehr, zeigte sich skeptisch, ob nicht auch noch die freistehende Fläche daneben zusätzlich genutzt werden könnte: "Können da im Lauf der Zeit noch Wohncontainer aufgestellt werden?" Brehm jedoch verneinte. Eine Erweiterung auf dem Grundstück sei nicht vorgesehen.
Der Stadtrat hat das letzte Wort Auf 220 Quadratmeter sollen in der Engelgasse auf drei Wohnungen verteilt 14 - maximal 18 - Flüchtlinge Obdach finden. Für Anwohnerin Maria Förster nur schwer vorstellbar: "Ich bin in dem Haus ein- und ausgegangen. So viel Platz ist da nicht." Pro Person sind laut Anne-Marie Müller sieben Quadratmeter vorgesehen. Diese Vorgaben gelten bayernweit. "Im Moment ist die Not sehr groß. Wir sind dankbar über jedes neue Angebot von Unterbringungsmöglichkeiten", erzählte sie.
Noch ist der Vertrag nicht unterschrieben. Zunächst müssten laut Brehm noch einige Fragen geklärt werden. Derzeit wird geprüft, was im Bereich Heizung, Sanitär und Wasser überhaupt investiert werden müsse. Unverhältnismäßig hohe Mittel wolle Brehm nicht einsetzen. Im Juni oder Juli liegt die Entscheidung beim Stadtrat.
Anwohner Anton Gehr wollte schließlich wissen, wie lange die Flüchtlinge durchschnittlich in dem Anwesen untergebracht sein werden: "Wird das ein Kommen und Gehen? Denn was soll ich jemanden unterstützen, der nur vier Wochen da ist?" Müller appellierte: "Tendenziell sind Flüchtlinge deutlich länger da, manche sogar Jahre. Es gibt bereits viele ehrenamtliche Helfer. Da möchte ich Sie ermutigen. Den Flüchtlingen wäre sehr geholfen, wenn sich einer ihrer annimmt." Zwei Adelsdorfer haben sich bei der Veranstaltung ja schon mal gemeldet, vielleicht werden es bis zur Ankunft noch mehr.
Jürgen Schmeißer:"Wir haben durchweg sehr gute Erfahrungen gemacht", berichtete Jürgen Schmeißer, Polizeichef in Höchstadt, den Anwohnern. In der Gemeinschaftsunterkunft in Höchstadt leben zur Zeit 87 Asylbewerber aus 15 Nationen. In den letzten viereinhalb Jahren wurden 46 Sachverhalte polizeilich registriert. "Das ist nicht mal einer pro Woche. Und es sind überwiegend Dinge, die mit behördlichen Überprüfungen zu tun haben", sagt Schmeißer. Es gebe mal Meinungsverschiedenheiten wegen religiöser und kultureller Unterschiede, dagegen aber kaum Körperverletzungs- oder Beleidungsdelikte. Kriminelle Strukturen seien nicht vorhanden. "Ihre Bedenken sind irgendwo nachvollziehbar, aber unbegründet. Meine Bitte an Sie ist, den Flüchtlingen eine Chance zu geben", wandte sich Schmeißer direkt an die Anwohner in der Engelgasse.
Kilian Kemmer: Auch der katholische Dekan Kilian Kemmer plädierte für Nächstenliebe. Menschen, die verfolgt werden, nehmen Gefahren und Strapazen auf sich auf, um irgendwo zu stranden. Er ist fest überzeugt: "Ich glaube, dass wir in zehn Jahren froh sind, um jeden, der bei uns bleibt", sagte der Pfarrer eindringlich. Deutschland sei nicht nur das geburtenschwächste Land der Welt, auch Fachkräfte gebe es viel zu wenig. "Wir müssen ein bisschen visionär denken: Wo geht es mit unserem Land und auch unserer Stadt hin", betonte Kemmer. Schließlich sei man nun vor allem als Mensch gefordert: "Immer, wenn wir etwas Neuem und Fremdem begegnen, haben wir Angst. Das ist auch normal. Aber es ist doch auch schön, wenn wir uns der Verantwortung stellen."
Jeanette Exner:Stadträtin Jeanette Exner (JL) erzählte bei der Informationsveranstaltung, dass sie in unmittelbarer Nachbarschaft von Flüchtlingen lebt - und das sehr gerne. Eine Nachbarin gewährt Asylbewerbern bereits seit einiger Zeit Obdach. Sie habe bisher nur positive Erfahrungen gemacht und würde es jedem weiterempfehlen. Derzeit ist bei der Nachbarin eine Familie aus Afrika untergebracht, deren Tochter Exner immer wieder mal in den Kindergarten fährt. Für sie ein Highlight. "Ich weiß nicht, was ihr für eine Angst habt. Lasst euch doch einfach drauf ein. Es gibt überall Leute, die Mist bauen", meinte Exner, egal, ob es sich um Flüchtlinge oder Höchstadter handele. "Die Leute möchten deutsch reden und sie möchten sich integrieren."