Rund hundert Zuhörer folgten der Einladung des Höchstadter Vereins "Youth for balance", gemeinsam über die aktuelle Flüchtlingssituation zu diskutieren.
Ein Zuhörer verließ demonstrativ den Maria-Elisabeth-Schaeffler-Saal. Den Film, den Stefan Biedermann vom Höchstadter Verein "Youth for balance" auf der Leinwand zeigte, wollte er sich nicht länger anschauen. Und das ging nicht nur ihm so. In den Publikumsrängen und auf dem Podium machte sich Unruhe breit. Auch andere Besucher forderten, das Video, in dem der Politologe George Friedman die Wurzeln des Terrorismus bei den Amerikanern sieht, abzubrechen. Viele empfanden die Filmsequenz als einseitig und deplatziert.
Denn diskutiert werden sollte am Montagabend eigentlich über die Asylpolitik. "Schaffen wir das wirklich?" war die Frage, die der Veranstalter "Youth for balance" in den Raum stellte. Fünf Podiumsteilnehmer sollten darauf eine Antwort finden.
"Die Leute, die jetzt zu uns kommen, werden unseren Sozialkassen zur Last fallen. Das Geld, das wir jetzt erwirtschaften, wird nur noch für Sozialleistungen ausgegeben", befürchtete ein Gast in der anschließenden Fragerunde. "Wie soll das alles finanziert werden? Rentner wollen auch ihr Geld", forderte ein anderer. Flüchtlinge würden nichts einzahlen. Die Stimmung in Deutschland drohe zu kippen.
Integration durch Arbeit
"Das ist die Gefahr. Die Meinung in der Gesamtbevölkerung hat sich verändert", meinte Bürgermeister Gerald Brehm (JL), Moderator an diesem Abend, der sich wie Landrat Alexander Tritthart (CSU) für eine Obergrenze für Flüchtlinge aussprach. Doch Brehm gab gleichzeitig zu bedenken: "Wir benötigen Zuwanderung, sonst können wir unser Sozialsystem nicht aufrecht erhalten."
Ein Asylbewerber aus der Ukraine, der in der Gemeinschaftsunterkunft am Lappacher Weg wohnt und im Lebensmittelpunkt arbeitet, fragte sich, warum es für jedes Land unterschiedliche Regelungen gibt. "Wir wollen Integration vor allem durch Arbeit fördern. Viele warten allerdings monatelang auf einen Anhörungstermin", erläuterte Tritthart.
"Deutschland wird an Wohlstand verlieren, wenn wir Flüchtlinge nicht aufnehmen", sagte Jürgen Ganzmann, Geschäftsführer der WAB Kosbach. Es brauche mehr Fachkräfte, nicht nur Akademiker. Asylverfahren dürften nicht auf die lange Bank geschoben werden. "Es können nicht alle auf den Arbeitsmarkt kommen. Hauptgrund ist die fehlende deutsche Sprache", erklärte Tritthart.
Ali Arabi, gebürtiger Perser, der seit 1962 in Deutschland lebt, machte mit dem Publikum eine Zeitreise in seine Heimat. In bewegenden Worten betonte er, dass die Terroristen von Paris nichts mit dem Islam zu tun hätten. " Ich bin Moslem und schäme mich dafür. Das sind keine Moslems. Das sind Verbrecher." Auf den Kommentar eines weiteren Zuhörers, dass Terroristen nicht dumm, sondern in der Regel sehr gebildet seien, reagierte Michael Ulbrich, Rektor der Ritter-von-Spix-Schule: "Es geht nicht um die Bildung von einzelnen. Es gibt immer wieder Menschen, die zu furchtbaren Entschlüssen kommen. Bildung, Aufklärung und eine gerechtere Aufteilung von Wohlstand ist dennoch ein Ansatz, Terrorismus zu besiegen."
Dekan Kilian Kemmer: Das Dekanat Höchstadt verschenkt dieses Jahr das Weihnachtsevangelium in syrischer, englischer und deutscher Sprache, sowie Gutscheine für das Sozialkaufhaus. "Wir können letztlich nur einen atmosphärischen Beitrag leisten. Dazu bin ich bereit. Wir müssen ein Netzwerk schaffen. Niemand schafft es allein", sagte Dekan Kilian Kemmer. Ihm zufolge sei es aber auch wichtig, die Ursachen vor Ort zu bekämpfen. Deutschland sei eines der reichsten, aber auch eines der geburtenschwächsten Länder der Welt. Quantitativ könne es mehr Flüchtlinge ertragen. "Aber es geht auch um Integration. Es muss von den Zahlen nachvollziehbar sein, dass wir das logistisch noch leisten können", erklärte Kemmer.
Rektor Michael Ulbrich: An der Ritter-von-Spix-Schule werden zur Zeit vier minderjährige unbegleitete Flüchtlinge aus Aisch unterrichtet. "Sie spielen alle eine positive Rolle in der Klassengemeinschaft und sind für den ein oder anderen ein echtes Zugpferd, weil sie lernen wollen", betonte Rektor Michael Ulbrich. Schulen haben ihm zufolge eine wichtige Aufgabe, was Integration angeht. "Kinder lernen die deutsche Sprache schnell, aber da hört es nicht auf", findet Ulbrich. Auch Traditionen wie die Kirchweih und das Altstadtfest müssten gepflegt und erlebbar gemacht werden. Eine Begrenzung lehnt Ulbrich klipp und klar ab. "Das wäre Scharlatanerie. Es muss vielmehr überlegt werden, was wir tun können, dass Leute in ihrer Heimat bleiben."
Landrat Alexander Tritthart: "Jede Woche kommen 65 neue Flüchtlinge zu uns in den Landkreis. Allein am vergangenen Freitag und Samstag waren es 200 Menschen", erzählte Landrat Alexander Tritthart (CSU). Kleine Wohnungen würden nicht mehr reichen. "So wie es im Moment läuft, kann es nicht weitergehen. Wir brauchen eine Obergrenze." Tritthart forderte außerdem eine europäische Regelung. "Wenn wir Solidarität auf europäischer Ebene verlangen, müssen wir aber auch innerhalb unseres Landkreises solidarisch sein. Die einen nehmen mehr auf, die anderen weniger. Da ist nicht alles so, wie es sein soll." Tritthart geht davon aus, dass die meisten Flüchtlinge, die in den Landkreis kommen, bleiben werden.
Nico Kauper vom Jugendparlament: "Es geht um Menschen und darum, sie nicht nur unterzubringen, sondern auch zu integrieren. Denn sie werden länger hier bleiben", sagt Nico Kauper vom Höchstadter Jugendparlament. Integration funktioniere aber nur, wenn man die deutsche Sprache lernt. "Bildung ist der erste und wichtigste Schritt, um Radikalismus im Keim zu ersticken." Luftanschläge auf Syrien halte er dagegen für kontraproduktiv. Kauper begrüßte es zudem, dass die Flüchtlingskrise in der gesamten Jugend Thema sei. "Im Sozialkundeunterricht haben wir stundenlang darüber diskutiert." Nationalgefühl halte er prinzipiell für nichts Schlechtes. "Viele vergleichen es allerdings mit Nationalismus, aber das ist nicht das selbe."
Pfarrer Fritz Schäfer: "Ich sehe Höchstadt in der glücklichen Situation, dass es bisher nie Fremdenhass gegeben hat", betont Pfarrer Fritz Schäfer. Er freut sich über die Fachberatung des Diakonischen Werks in der Gemeinschaftsunterkunft am Lappacher Weg. "Es braucht Regeln und Strukturen. Ich würde mich riesig freuen, wenn wir diese Stelle aufstocken könnten", meinte Schäfer. Er sprach sich gegen eine Obergrenze aus. "Denn was wäre dann mit den Menschen, die jetzt schon in Mazedonien stecken und alles hinter sich gelassen haben?" Schäfer sieht eine Chance für eine multikulturelle und weltoffene Welt. "Wir haben jahrelang zugeschaut, wie die Spanne zwischen Arm und Reich immer größer wurde."