Als Städteplaner und Architekten konnten sich Jungen und Mädchen der Mittelschule Seßlach bei einem Projekttag betätigen.
Baulücken sind für keine Stadt eine Zier. Doch was fängt man mit ihnen an? In
Seßlach hatten am Dienstag Schüler die Gelegenheit, sich als "Baumeister" zu betätigen, inem sie Freiflächen zwischen bestehenden Gebäuden kreativ mittels Holzbausteinen füllten. Über drei Stunden entstanden dabei in der Turnhalle unter anderem ein Olympia- und ein Fußballstadion, eine Villa mit Hubschrauber-Landeplatz und ein 20-stöckiger Prinzessinnenturm.
Ermöglicht hatte dies die Initiative Rodachtal, die sich seit ihrer Gründung 2001 mit den Themen Architektur, Städteplanung und Baukultur beschäftigt. "Mit unserem Projekt ,Siedlungsentwicklung 2.0‘ schauen wir, wo und wie in unseren neun Mitgliedskommunen zukünftig gebaut werden soll", erläutert Vorsitzender Martin Finzel. Da könne es nur von Vorteil sein, wenn den Bürgern von morgen schon frühzeitig ein gewisses Grundverständnis vermittelt werde. Obendrein sei das komplexe Thema eng mit Unterrichtsinhalten wie Wirtschaft, Naturwissenschaften, Literatur oder Kunst verwoben. "Daher passt Bauen wunderbar in die Schule und fördert interdisziplinäres Denken!", fügte Ahorns Bürgermeister (parteilos) hinzu.
Am Vortag im Unterricht vorbereitet
Schüler der sechsten und siebten Jahrgangsstufe durften nach Herzenslust Gebäude entwerfen und bauen. Lehrerin Christiane Marsoun hatte die Aktion am Vortag im Unterricht vorbereitet: "Wir haben Bilder angeschaut, auf denen Baulücken zu sehen waren." Die Mädchen und Jungen hätten sich dabei überrascht gezeigt, welch interessante Architektur in einigen Großstädten zu finden sei, auch wenn laut Marsoun "manche Mischung, vor allem aus Alt und Neu, nicht bei jedem ankam".
Zwischen den mit Pappkartons angedeuteten Gebäuden im Bestand durften sich erst eine sechste, dann eine siebte Klasse "austoben". Bei einer kleinen Führung durch "ihre" Stadt erzählen die Schüler selbst, was sie gebaut und sich dabei ausgedacht haben. Bekannte Namen finden sich an den Bauwerken, mit denen sie die Lücken gefüllt haben, wie am Müller-Drogeriemarkt von Lars und Marvin. "Der würde da gut reinpassen", meint Lars. Aus versetzten quadratischen Holzbausteinen ist das Geschäft konstruiert, "damit man durchgucken kann", wie Marvin erläutert. Auch an Straßen und einen Spielplatz - mit dem Schild "Betreten erlaubt!" - wurde gedacht.
Gute Kombination
In die nächste Lücke haben Emilia und Mia ihr Lieblingsgeschäft H&M gesetzt. "Wir mögen halt Kleider!", so Mias Begründung. In ihrer Stadt könnten sie gleich neben dem Familienwohnhaus mit Panoramafenstern einkaufen. "Das ist doch prima: Ihr habt Leben mit Einkaufen und Arbeiten kombiniert", kommentierte Finzel. Ein weiteres Gebäude von Florian und Melvin vereint einen "Ständer-Laden" mit dem Rathaus, Büros für Chef und Mitarbeiter. "Bocksbeutel-Tower" steht auf dem obersten Stein. "Den haben wir gefunden", sagt Florian. Bürgermeister Martin Mittag (CSU), der selbst keinen Tropfen Alkohol trinkt, meinte, er würde diese Bezeichnung nicht gern über seinem Rathaus sehen.
Mit dem pädagogischen Spielen und Bauen beschäftigen sich Bernd Bullnheimer und Michael Keim von Berufs wegen: Mit ihrer Firma Main Connect haben es sich die Eberner zur Aufgabe gemacht, Spielen und Menschen in Verbindung zu bringen, Kinder zum gemeinsamen Lernen zu animieren und dieses Prinzip auch auf Unternehmen zu übertragen.
Eine schwarze Villa
Am Dienstag ging es darum, das Thema "Städtebau" einmal anders umzusetzen. Neben flachen und quadratischen Holzbauklötzen finden sich solche, die mit schwarzem Tafellack überzogen sind und mit Stiften bemalt werden können. Rainy House steht auf dem Schlussstein der Säulen-Villa, die einige Jungen konstruiert haben. Selbst an einen Hubschrauber-Landeplatz auf dem Dach haben Josh, Paul, Noah und Daniel gedacht. Josh erklärt, warum: "Erst wollten wir nur ein Haus bauen, aber das war uns dann zu langweilig." In die schwarze Villa würden die Sechstklässler gern einziehen, "aber nur als Männer-WG", darin sind sich die jungen Baumeister einig. Die Damen-WG möchte es sich dagegen im Prinzessinnenturm gemütlich machen, der sich nach oben verjüngt und innen über eine Wendeltreppe verfügt. Auch wenn die sieben Mädels den Turm bestimmt mit "P" schreiben würden. "Brinzessin" sei halt die fränkische Variante", lacht Mittag über die Aufschrift. Ein 20-stöckiges Wohnhaus könnten sie sich in ihrem Heimatort aber abschminken, fügt der Bürgermeister hinzu.
"Super umgesetzt"
Jonas und Elias haben selbst die Pause durchgearbeitet, um ihr Olympiastadion fertigzustellen, inklusive Mauer, Sportlerkabinen und den Ring zum Hammerwerfen. Dabei mussten sie ihre Pläne immer wieder ändern. "Wie im richtigen Leben", lobt Dr. Bullnheimer die "Architekten". Daneben ist mit Hilfe von Jan-Luca und Jonas ein reines Fußballstation entstanden. Von den Ideen aller "Baumeister" zeigten sich Stadtoberhaupt Mittag wie sein Amtskollege aus Ahorn begeistert. Mittag: "Das habt Ihr super umgesetzt!" Wenn auch nicht als Architekten, so seien die Heranwachsenden vielleicht einmal als Bürger gefragt, um mit ihren Vorstellungen die Heimatstadt voranzubringen.
Wer weiterbauen oder sich selber mit dem Thema Architektur und Städteplanung auseinandersetzen möchte, so Finzels Hinweis zum Schluss, hat dazu am heutigen Samstag in Ummerstadt die Gelegenheit: Beim Tag der offenen Tür im Markt 33 steht das Team von Main Connect ab 14 Uhr mit seinem Lern- und Spielemodul allen interessierten kleinen und großen Baumeistern zur Verfügung. Anlass ist die Eröffnung der neuen Geschäftsstelle der Initiative Rodachtal in Verbindung mit dem Kompetenzzentrum Bauen. Auch mit Lehm kann unter Anleitung durch den Arbeitskreis "Historische Bausubstanz" gebaut werden, während regionale Handwerker über das Bauen im Bestand informieren.