Mit zunächst zwei Standorten beteiligt sich der Landkreis Coburg am Modellprojekt "Familienstützpunkte". In Neustadt und in Bad Rodach war Eröffnung.
Familienfreundlich präsentiert sich das Coburger Land seit langem. Egal ob durch die "familienpolitischen Leitlinien", die Stabsstelle "Familienbüro", die Gründung der Lokalen Bündnisse für Familien, das Projekt Elterntalk, die Einführung der Familiencard oder Willkommenstaschen für alle Neugeborenen. Insofern sei es für den Landkreis selbstverständlich gewesen, so Landrat Michael Busch gestern, sich um ein Förderprogramm der Bayerischen Staatsregierung zu bewerben, das die Familienbildung in den Kommunen strukturell weiterentwickeln und dazu sogenannte "Familienstützpunkte" etablieren möchte.
Am Familienzentrum der Stadt Neustadt bei Coburg und im Mehrgenerationenhaus der Awo in Bad Rodach konnte am Montag Ministerialrat Robert Höcherl vom Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales die ersten beiden dieser Einrichtungen der Region eröffnen. Laut Höcherl ein "guter Tag für Familien im Landkreis", sollen die neuen Stützpunkte doch durch freiwillige Angebote die Erziehungskompetenz der Eltern stärken helfen. Denn in der Erziehungsarbeit hat die Staatsregierung nicht erst seit der Diskussion um die sogenannten "Helikoptereltern" Defizite ausgemacht. Abhilfe sollen Kurse und Veranstaltungen schaffen, die Eltern dort erreichten, wo sie Bedarf haben. "Wer ein Kind bekommt, hat anderes zu tun, als einen sechswöchigen Kurs zu besuchen!" Mit diesen Worten verteidigte Höcherl das Konzept gegen Forderungen nach einem "Eltern-Führerschein".
Stadt ist von jeher familienfreundlich
Die Wahl des ersten Standorts fiel nicht zufällig auf Neustadt: Familienfreundlichkeit ist dort ebenso seit langem kein Fremdwort: Nicht nur, dass die Infrastruktur mit günstigem Bauland, Betreuungsplätzen in sieben Kindergärten und einem Hort sowie der Wahl zwischen allen Schularten Familien entgegenkommt. Bereits Ende 2005 gründete sich hier ein "Netz für Kinder, Jugendliche und Familien" aus Fachleuten, die beruflich mit diesen Zielgruppen arbeiten. Das Ziel: Alle Beteiligten sollten sich besser vernetzen, auszutauschen und gemeinsam Strategien entwickeln, um die Situation von Familien in Neustadt weiter zu verbessern. Seit 2014 kümmert sich ein "Familienbeauftragter" um die Schnittstellen zwischen Politik und Familie.
Anlaufstelle für soziale Belange und zentraler Ort der Begegnung ist seit zehn Jahren das zentral gelegene "Familienzentrum" am Schützenplatz, das der Kommune jährlich mehr als 300.000 Euro an Haushaltsmitteln wert ist. Prävention, Integration, Hilfe zur Selbsthilfe, Beratung und Bildung hat sich das Zentrum zum Ziel gesetzt. Dafür bieten Fachpersonal und multifunktionale, gut ausgestattete Räumlichkeiten auf 900 Quadratmetern beste Voraussetzungen. Niedrigschwellige Angebote wie Beratungen aller Art (allein durch 14 Fachdienste), Informations- und Bildungsangebote und offene Treffs sollen den Familien, Jugendlichen und Senioren den Zugang erleichtern. Einen Schwerpunkt bildet die Integrationsarbeit. Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördert die durchgängige und flexible Ferienbetreuung für Grundschulkinder (mit Ausnahme der Weihnachtszeit).
"Durch die Ernennung zum "Familienstützpunkt" fühlen wir uns in der Arbeit des Familienzentrums bestärkt", sagte die Zweite Bürgermeisterin Elke Protzmann (CSU) bei der Begrüßung. Von der Geburt bis zur Pflege, so ihr Hinweis, könnten sich die Bürger hier beraten lassen. Das neue Label sporne die Verantwortlichen an, ihr Konzept stetig fortzuschreiben. Wie Leiterin Ines Förster mitteilte, sollen Angebote wie Elternforum, Eltern-Kind-Café und Elternpflege im Familienzentrum ausgebaut sowie neue Elterntalks in Neustadt etabliert werden. Außerdem ist geplant, das Konzept der deutsch-türkischen Mutter-Kind-Gruppen auf Flüchtlinge, speziell aus dem arabischen Raum, zu übertragen.
Auch der Gast aus München lobte die "tolle Leistung" des Familienzentrums, die nun als neuer Stützpunkt fortgeschrieben werden soll. Bis zum Jahresende, so hoffte Höcherl, werden sich 40 der 96 Landkreise am Projekt beteiligen. 140 Standorte sind bereits vorhanden, durch die schon jetzt "über die Hälfte aller Geburten in einem Jahrgang" erreicht würden. "Flächendeckend wollen wir 600 bis 800 Familienstützpunkte in Bayern etablieren", so der Ministerialrat. 2,5 Millionen Euro an "frischem Geld" für dieses niedrigschwellige Förderprogramm sieht der aktuelle Landeshaushalt vor. Wie der zuständige Koordinator am Coburger Landratsamt Jürgen Forscht mitteilte, stehen dem Landkreis für das Projekt jährlich rund 30.000 Euro zur Verfügung. Basierend auf den Geburtenzahlen im vorvergangenen Jahr werden vom bayerischen Staat pro Neugeborenem jetzt 30 Euro gezahlt (anfänglich 40 Euro).