Zum Schauspiel-Auftakt am Coburger Landestheater brachte Gastregisseur Johannes Zametzer in der Reithalle die alten "Sonny Boys" zusammen. Viel Gelächter. Da brauchen wir nicht in den Abgrund zu blicken.
Blablablablabla. Mit auf- und absteigender Frequenz. Der Schauspieler Stephan Mertl sitzt als alter, vergessener Schauspieler Willie Clark mit unglaublich blödem Gesichtsausdruck, entglittenen Zügen, völlig entleertem Bewusstsein im Sessel und starrt in den Fernseher, durch ihn hindurch, durch sein Leben, ins Nichts. Blablablablabla. Das also blieb vom Leben des einstmals gefeierten Komikers? Da könnte man erschrecken.
Doch da kommt Neffe Ben (Benjamin Hübner), kriegt wieder und wieder diese vermaledeite Tür an den Schädel, stößt gegen die verstaubte Lampe, stolpert wie der verlotterte Onkel Willie. Nur dass der Junge noch nicht aufgeben hat. Ben arbeitet sich ab an dem alten Ekel.
Da war, ist also doch etwas, Zuneigung, Liebe, Verehrung? Auch wenn Ben als Künstleragent die frühere Berühmtheit Willies brauchen kann für den eigenen Erfolg.
Es gibt Standardsituationen auf der Bühne wie im Leben, über die muss man einfach lachen und wenn der Gag noch so bekannt und zu erwarten ist, Running Gags leiten, schubsen über die Trübsinns-Schwelle, sonst, wie gesagt, müsste man erschrecken.
Kunstvoll über die Trübsinns-Schwelle schubst Neil Simons Komödie "Sonny Boys" zum Schauspielauftakt jetzt im Landestheater Coburg. Bei der Premiere am Donnerstag gab es viel Gelächter. Gastregisseur Johannes Zametzer hat das Erfolgsstück des beliebten amerikanischen "Boulevard"-Autors mit seinen treffenden Dialogen nach den Regeln der Komödienkunst in der Reithalle inszeniert, mit funktionierenden Gags, ohne zu überdrehen, in allem Spaß mit Blick auf die Tragik des Lebens, mit
allem, was eine gute Komödie ausmacht.
Parodie und Slapstick Vier Schauspieler in Bestform sind ihm dazu die willigen Me dien. Von Stephan Mertl erwartet man, dass er den alten verbiesterten Komiker tiefgründig mit körperlichem Spielwitz und intellektueller Durchdringung zugleich zeigt. Mertl, seit vielen Jahren in Coburg, kann einem allmählich erzählen, was er will. Man folgt ihm gespannt und gefesselt.
Doch auch die beiden jungen Darsteller bereiten auf Anhieb großes Vergnügen. Benjamin Hübner hat als guter Bub Ben Silvermann in der Verzweiflung um den alten Willie den Slapstick drauf. Eva-Marianne Berger liefert als unglaublich doofe Blondine eine so krasse Parodie, dass es weh tut. Um dann als Krankenschwester im grauen Kittel zu verschwinden.
Dann kommt Al. 43 Jahre lang war er der Bühnenpartner Willies, in Tausenden von Sketches.
Bis er vor elf Jahren alles satt hatte, vor allem auch die Diva Willie, und sich zurückzog von der Bühne, damit Willie verließ. Gehasst hatten sie sich schon lange. Miteinander gespielt hatten sie trotzdem. Wie ein klassisches Ehepaar. Jetzt sollen sie noch einmal miteinander auftreten.
Thomas Straus schiebt den überkorrekten, vom Leben stoisch gewordenen Alten wie einen grauen Betonpfosten vorwärts, dem wüsten Egozentriker Willie entgegen. Ein toller Kontrast, diese ehemaligen "Kings of Comedy". In atemraubender Verkniffenheit lässt Thomas Straus als Al Lewis die Attacken Willies an sich abgleiten. Dieses Gesicht muss man gesehen haben. Und die menschliche Größe, die Straus dann dahinter aufscheinen lässt.
Denn da war in 43 Jahren gemeinsamen Bühnenlebens von Al und Willie keineswegs nur Blablabla. Da ist sehr wohl "etwas" zwischen den beiden.
Besser als die absolute Leere, in der Willie schon fast versunken war, ist es allemal. Wir wollen an das "Etwas" glauben.
Die Produktion Landestheater Coburg - Neil Simon: Sonny Boys. Komödie. Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme Johannes Zametzer. Dramaturgie Dirk Olaf Hanke/Georg Mellert. Darsteller: Stephan Mertl, Thomas Straus, Benjamin Hübner, Eva Marianne Berger.
Weitere Termine 21., 24., 25. September, 20 Uhr, in der Reithalle.
Stück und Autor Marvin Neil Simon wurde 1927 in New York geboren. Er ist einer der populärsten Dramatiker und Drehbuchautoren der Vereinigten Staaten, ausgezeichnet mit zahlreichen großen Preisen. Seine leichten Komödien haben durch ihre Verfilmungen und ihre Übersetzungen in zahlreiche Sprachen weltweiten Erfolg. Simons Stück "Sonny Boys" wurde mehrfach verfilmt, so 1996 von John Erman mit Woody Allen als Al Lewis, Peter Falk als Willie Clark und Whoopi Goldberg als Krankenschwester.