Baukulturtage in Coburg - Heimat im hässlichen Beton der Stadt?

3 Min
Coburg-Bilder im Keller am Sonntagsanger: Architektur mit machtvoller Wirkung, ob unmittelbar in dem alten Industriebau oder in den Ansichten von Tamara Härty. Fragt sich nur, machtvoll in welchem Sinne. Foto: Carolin Herrmann
Coburg-Bilder im Keller am Sonntagsanger: Architektur mit machtvoller Wirkung, ob unmittelbar in dem alten Industriebau oder in den Ansichten von Tamara Härty. Fragt sich nur, machtvoll in welchem Sinne. Foto: Carolin Herrmann
Foto: Carolin Herrmann
Foto: Carolin Herrmann
 
Thorsten Klapschs Bilder aus deutschen Atomkraftwerken zwischen den hohen Pfeilern des alten Industriebaus. Auch hier ist das "Eigenleben" der Architektur zu spüren. Foto: Carolin Herrmann
Thorsten Klapschs Bilder aus deutschen Atomkraftwerken zwischen den hohen Pfeilern des alten Industriebaus. Auch hier ist das "Eigenleben" der Architektur zu spüren. Foto: Carolin Herrmann
 
Foto: Carolin Herrmann
Foto: Carolin Herrmann
 
Foto: Carolin Herrmann
Foto: Carolin Herrmann
 
Foto: Carolin Herrmann
Foto: Carolin Herrmann
 
Foto: Carolin Herrmann
Foto: Carolin Herrmann
 
Foto: Carolin Herrmann
Foto: Carolin Herrmann
 
Foto: Carolin Herrmann
Foto: Carolin Herrmann
 
Foto: Carolin Herrmann
Foto: Carolin Herrmann
 
Foto: Carolin Herrmann
Foto: Carolin Herrmann
 
Foto: Carolin Herrmann
Foto: Carolin Herrmann
 

Mit den 1. Baukulturtagen Coburg will der Architektur Treff die Bedeutung und Wirkung unserer bebauten Umwelt hinterfragen. Sie finden gegenwärtig reizvoll inszeniert in der rauen Architektur alter Industriehallen im Sonntagsanger statt.

Der Kaufhof-Klotz, die Hochhäuser in der Hindenburgstraße, brutale Beton-Ecken an vielen Stellen in und am Rande der Stadt, ungenierte Ruinen, ein nicht ins schöne Bild zu bringendes Konglomerat aus 50er-Jahre-Häuslein vor dem Landkrankenhaus, traurig wesende 50er-/60er-Jahre-Bäulein in an sich eleganter Anwandlung: Das ist auch eine Seite von Coburg, neben der prachtvollen Marktplatz-Historie, die alle willig und (selbst-)gefällig zur eigenen Identifikation nutzen.

Die Coburger Innenarchitektin und Designerin Tamara Härty hat aber mit ihrem Lichtbildervortrag gar nicht gemeint, dass die von ihr gesammelten Vorder- und Hinteransichten von Coburg alle hässlich seien, oder "Bausünde". Ihre "ungeliebten Pflanzen" sind für sie durchaus zu einer Art "Heimat" geworden, sind Wurzeln in die Vergangenheit, bieten Erinnerung, dienen der Verortung des einzelnen. Doch ist das alles tatsächlich schätzenswerte "Patina", eigene Atmosphäre?

In der von Härty gezeigten und bei den 1. Coburger Baukulturtagen ausgestellten Fülle von Beispielen vermittelt dieses wüste Gebaue aus den letzten vier Jahrzehnten vor allem eines: die hässliche Seite einer Stadt. Zum Teil brutal hässlich. Und die grundsätzliche Frage: Wie konnte es dazu kommen? Wie sollte es weitergehen mit unserer Baukultur?

Das hat Tamara Härty zwar so nicht angesprochen, liegt aber im Sinne dieser ambitionierten "1. Baukulturtage Coburg" , die noch bis zum Samstag im Sonntagsanger 1a veranstaltet werden. In einem alten Industriegebäude im Abseits hinter der Frankenbrücke, in einer Gegend, die zwar jetzt noch abgeschnitten ist, aber auf dem Weg zum wiedererweckten Hofbrauhaus zukünftig neue Bedeutung für die Stadt erlangen könnte.

Regelmäßige Gespräche

Noch fragt sich allerdings auch, wie die Leute dorthin locken. Denn tatsächlich hat der Architektur Treff in Koopera tion mit dem Coburger Designforum Oberfranken in den ehemaligen Lagerhallen mit ihren rohen Wänden und großen Pfeilern spannend inszeniert: Zwei Ausstellungen. "Baukulturkino" im Keller, wo zierliche, ja wieder "angesagte" 50er-Jahre-Sesselchen, in Kontrast gestellt wurden zur rauen Architektur-Umwelt, mit Decken versehen gegen das Frösteln. Vorträge, die Anstoß geben, Gespräche, die Fachleute und Bevölkerung zueinander bringen sollen.

Deshalb hat die Bayerische Architektenkammer vor Jahren zur Gründung von regionalen Initiativen aufgefordert. Der 2008 eingerichtete Coburger Treff richtet sich auch an die umliegenden Landkreise. Jeweils am ersten Mittwoch im Monat, von 17 bis 19 Uhr, trifft sich ein loser und offener Stammtisch im Caféchen der Buchhandlung Riemann am Marktplatz.

Lutz Wallenstein ist einer der Organisatoren und mit der bisherigen Resonanz auf diese durchaus aufwändig veranstalteten Baukulturtage zufrieden. Wenn Zuspruch und der Wille zur Mithilfe passen, darf es nächstes Jahr durchaus weitergehen. Schaun mer mal.

Das Eigenleben der Architektur

Doch zurück zu Tamara Härtys bewusst persönlich konzipiertem Vortrag. An vielen Stellen hätte man sich ihre interessanten philosophischen Gedanken präziser ausgeformt und formuliert gewünscht. Was sie zu zeigen versuchte, ist die in der Philosophie und unter anderem in der Kommunikationswissenschaft oder der Soziologie längst übliche Vorstellung, dass auch "die Dinge", erst Recht die größten "Dinge", also die Architektur ein "Eigenleben" haben über die reine Materialität hinaus.

Dass der Raum, zumal der bebaute, die Seele des Menschen tief beeinflusst, wissen die Menschen seit Jahrtausenden. Aber richtig: Blickt man auf das bauliche Schaffen des 20. Jahrhunderts, muss man zur Überzeugung kommen, dass vielen, sehr vielen Architekten und Bauherren diese elementaren Zusammenhänge unbekannt waren.

Wir "vernetzen" uns in einem wechselseitigen Rückkoppelungsprozess mit den "Dingen" und dem Raum um uns, auch mit Tamara Härtys bewusst in biologischem Anklang als "Pflanzen" bezeichneten Bauten. Sie endete mit der Feststellung, dass sie nicht sagen könne, wie eine Stadt mit den - von ihr nicht so genannten - Scheußlichkeiten, Brutalitäten und dem Ruinösen umgehen soll. Die Frage müsse heute ja sein: Was kommt nach dem Abriss? Ist Kreativität der Feind?

"Eventuell schon", sagt die junge Architektin. Losgelöste, auf alle anthropologische Konstanten pfeifende, egozentrische Kreativität ist sicher zerstörerisch. Das kriegen all die Nutzer von Kindergärten, Schulen, Altenheimen... schmerzlich zu spüren, die von Architekten ohne Interesse an den sozialen, psychischen, seelischen Befindlichkeiten der Nutzer geplant wurden. Derlei Zusammenhänge in die Köpfe von mehr Fachleuten wie Nichtfachleuten zu bringen, wären ein großes Verdienst von wiederkehrenden Baukulturtagen.

Ausstellungen "Atomkraft"- Bilder des Architekturfotografen Thorsten Klapsch, Berlin, aus deutschen Atomkraftwerken. "Ungeliebte Pflanzen" - Foto-Streifzug durch Coburg von Tamara Härty. Geöffnet heute von 16 bis 19 Uhr, Freitag und Samstag von 10 bis 19 Uhr.

Baukulturkino Freitag und Samstag um 19 Uhr, am Samstag mit Abschlussfeier.

Güterbahnhof Vortrag von Christian Boseckert und Diskussion: Güterbahnhof Coburg, Hintergrund und verwandtschaftliche Verhältnisse, am heutigen Donnerstag, 19 Uhr.

Ort Alle Veranstaltungen finden im Sonntagsanger 1a in Coburg statt. Eintritt frei.