Wiglaf Droste las in der Alten Seilerei in Bamberg

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Der Satiriker Wiglaf Droste gab sich in der Alten Seilerei eher bedächtig. Foto: Barbara Herbst
Der Satiriker Wiglaf Droste gab sich in der Alten Seilerei eher bedächtig. Foto: Barbara Herbst
 
 
 
 

Auch so geht Rosenmontag: Ohne Klamauk unterhielten der Dichter Wiglaf Droste und der Sänger Ralph Schüller in der Alten Seilerei.

Dünn ist er geworden, Deutschlands schärfster Satiriker. Rührt das daher, dass die (übrigens wunderbare) Zeitschrift "Häuptling Eigener Herd", die Wiglaf Droste zusammen mit dem Gourmetkoch Vincent Klink 14 Jahre lang herausgab, ihr Erscheinen eingestellt hat? Deren schönes Herausgeber-Motto "Wir schnallen den Gürtel weiter" sich leider offenbar ins Gegenteil verkehrt hat.

Aus dem grollenden Mann mit mächtigem Schädel, den sein Kollege Max Goldt einmal mit einer westfälischen Bäuerin verglichen hatte, ist ein eher schmächtiger Melancholiker geworden. Er wird doch nicht krank sein? Vielleicht lag's auch am Auftritt als künstlerisches Tandem mit dem Leipziger Chansonnier Ralph Schüller, dem Droste viel Raum gab für seine Lieder. Apropos Raum: Die Alte Seilerei auf dem gigantischen früheren Schaeffler-Gelände ist mit ihrer ungeschlachten Industrie-Anmutung durchaus gelungen. Elektronische Ausrüstung ebenso, Akustik gut - ob allerdings ein Duo à la Droste/Schüller auf der riesigen Bühne gut aufgehoben ist, ob man nicht den Tribünen-Vorraum verkleinern könnte, sollten sich die Hausherren überlegen.

Droste, mittlerweile 54 Jahre alt, trat für dieses dreistündige "alternative Rosenmontagsprogramm", so seine eigenen Worte, nicht wie gewohnt als polemisches Fallbeil auf, als härtester Satiriker Deutschlands, der die Form der Schmähkritik in seinen unzähligen Kolumnen nie gescheut hatte. Jedenfalls kaum. Oder wenig. Seine Brachialkritik ist legitim, weil sie stets die richtigen trifft. Von einem Droste wird man zum Beispiel nie irgendein billiges politisches Bekenntnis hören. Also etwa aktuell ein Wort zur sog. Flüchtlingskrise. Das überlässt er Figuren wie Grönemeyer ("Ganzkörperverspannung") oder der Front-Heulboje der Gruppe U2, dem "Gratismoral-erpresser" Bono, der wieder einmal ein "Elendabgreifalbum" plant. Ja, es peitscht noch aus Droste heraus: Dem Bundespräsidenten bescheinigt er einen "zusammengeflunkerten Widerständlernimbus" oder er kalauert "Es ist kein dummes Tier von Steiff / es ist dummes dummes Marcel Reif". Den fränkischen Gastgebern geschuldet, ist ein kurzer Blick auf den Grünen Hügel - "eine Veranstaltung für Autohausbesitzer". Er hatte ja einmal angeregt, das Bayreuther Festspielhaus zu bombardieren. Was den Bayreuthern nicht so gut gefallen hatte.


Stilist statt Politpunk

Doch er ist tatsächlich ruhiger geworden, wie es einst auf seinem Grabstein stehen soll. Der Wahl-Leipziger ist wohl, wie jeder helle Kopf ab einem gewissen Alter, etlicher politischer Illusionen ledig. Als Indiz darf ein gewisses Hinüberlappen der Satire in die Misanthropie dienen, wenn etwa der Restaurantgast "Senioren genannte Debile in Funktionskleidung" beobachtet. Droste erregt heute vornehmlich das Alltagsgewäsch aus Politik- und Marketingphrasen, die mentale Verwüstung, die als Sprachverfall sicht- und hörbar wird.

Gegenmittel: Das Bedichten von Refugien wie dem eigenen Kräutergarten oder der "Schwertfisch-Posaunen-Bar" (mit Musik von Tom Waits). Stil statt Geld, Zivilisation statt Vulgarität. Deutlich zu erkennende Vorbilder sind Joachim Ringelnatz, Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Robert Gernhardt. Droste war ja auch stets ein fähiger Sänger, etwa mit dem "Spardosenterzett". "Weinen bis Blut kommt" über Männergruppen-Larmoyanz kommt auch a cappella gut.

Womit endlich auch Ralph Schüller gelobt sei. Seine Lieder, gesungen zu solidem Picking oder Akkorden, sind geschult an Element of Crime oder Hans-Eckardt Wenzel. Poetischer Realismus ohne schiefe Bilder, ohne Kitsch und triefende Betroffenheit. Keineswegs sitzt der Zuhörer des im Duett gesungenen Lieds "Mond über Berlin" im Sentimental, trauert eher zusammen mit Musiker und Autor um den vergangenes Jahr gestorbenen Harry Rowohlt, dem die beiden ein hinreißendes "Knockin' on Heaven's Door" widmen. Was Droste über den großen Vortragskünstler sagte, wird dereinst auch für ihn gelten: "Er fehlt der Welt. Umgekehrt ist das nicht so."