Viel zu schade für die Tonne

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Seit 28 Jahren werden in Bamberg Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, an Bedürftige verteilt. Vorsitzender Wilhelm Dorsch dirigiert für die Bamberger Tafel ein Team von 60 Ehrenamtlichen, das auch die Ärmsten am Überfluss unserer Gesellschaft teilhaben lässt.

Es geht ein wenig zu wie auf dem Großmarkt. Kühltransporter fahren auf den Hof, Helfer tragen Kisten mit Obst, Gemüse und Backwaren in die große Ausgabehalle, deren 192 Quadratmeter Fläche sich immer mehr füllen. Fleisch, Wurst und Milchprodukte wandern gleich in die Kühlräume. In einem Hygieneraum dürfen auch Speisen offen aus größeren Packungen aufgeteilt werden. Einiges muss aussortiert werden, denn: "Wir geben ja keine schlechten Sachen raus."

Die Auswahl ist groß, von der knackigen Paprika bis zum bunt geschmückten Faschingskrapfen - doch keines der unzähligen Lebensmittel hier wird noch über eine reguläre Ladentheke gehen. Das konnte Wilhelm Dorsch schon 1992 nicht verstehen: "Wir standen vor einem Supermarkt und haben gesehen, was da alles entsorgt werden sollte. Zugleich hat es auch damals viele Leute gegeben, die arm dran waren." Also begannen er und seine Frau Michaela mit der Umverteilung, erst in Privatinitiative mit dem eigenen Pkw, dann als stationäre Lebensmittelausgabestelle des St. Vinzenzvereins in der Dieselstraße. 2005 schloss man sich dem Bundesverband Deutsche Tafel an, 2014 machte man sich selbständig, 2017 zog die Bamberger Tafel in die Hohmannstraße 5a.

Rein ehrenamtlich tätig

"Am Anfang war das Konzept noch völlig unbekannt. Es war schwierig, bei den Märkten um Lebensmittel betteln zu müssen", sagt Vorsitzender Dorsch. "Inzwischen gibt es fast 1000 Tafeln. Es ist schön, dass so viele helfen. Zugleich zeigt es aber auch, wie vielen es in unserem reichen Land nicht so gut geht." Die Tafel ist ständig auf Spenden angewiesen, freut sich aber über die über Jahrzehnte erarbeitete Unterstützung durch Firmen und Privatleute. Die schätzt auch Debrah Neser, die sich seit 13 Jahren für die Burgebracher Tafel im westlichen Landkreis einsetzt - und gut noch ein paar weitere ehrenamtliche Helfer gebrauchen könnte. "Es ist eine sinnvolle Tätigkeit, aber wir mussten auch schon Touren absagen, weil uns Leute ausgefallen sind", berichtet Neser.

"Wir sind nach wie vor rein ehrenamtlich tätig", sagt auch Dorsch über die Bamberger Tafel. 70 Supermärkte, Bäckereien und Metzgereien fahren seine 60 Helfer mit derzeit drei Kühlfahrzeugen in Stadt und Landkreis an. Im Jahr kämen die Ehrenamtlichen so auf 32 000 Stunden. Wie viel Zeit er selbst in die Tafel steckt, hat der Vorsitzende nicht erfasst. Zehn Tonnen Lebensmittel kommen in einer Woche zusammen. Würde man das Essen der letzten 25 Jahre in 40-Tonner verladen, könnte man laut stellvertretendem Vorsitzenden Heinz Zimmer eine Lkw-Kette von Bamberg bis Lichtenfels bilden.

In Deutschland werden im Jahr elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, in einem Gesamtwert von 25 Milliarden Euro. Davon entfallen allerdings nur 14 Prozent auf Groß- und Einzelhandel. Mehr als die Hälfte der weggeworfenen Lebensmittel kommen von privaten Endverbrauchern. Deren Anspruchsdenken führt auch dazu, dass so viele gute Waren lange vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums aus den Auslagen verschwinden. Oder gar nicht erst dort landen: "Neulich haben wir Unmengen von Äpfeln mit Hagelschaden bekommen. Die waren leicht eingedellt, aber vom Geschmack her einwandfrei", sagt Zimmer. Er behält alle Zahlen im Blick: Essen für mittlerweile 1993 Menschen stellt die Tafel bereit, im Schnitt kommen 400 Familien pro Woche.

Kein Geld im Alter

"Wir helfen unbürokratisch und schnell", erklärt Dorsch. Nicht nur, wenn es ums Essen geht. So kam erst gestern eine Mutter von zwei Kindern, der sie vor einer Woche den Strom abgestellt hatten. Die Tafel sprang auch hier ein - statt Lebensmitteln gab es finanzielle Unterstützung. "Wir machen unseren Dienst am Nächsten und können dabei auf ein fleißiges Team vertrauen", sagt der 74-Jährige. "Viele sind sehr dankbar, dass es uns gibt. Manche wollen auch immer noch mehr, obwohl sie ihre Taschen schon voll haben."

Dorsch weiß aber auch, dass für viele Bedürftige auch Überwindung dazu gehört, Angebote wie die Tafel überhaupt zu nutzen. Wer das möchte, muss einen Hartz-IV- oder Rentenbescheid vorlegen. Mittwochs und samstags ist dann jeweils Lebensmittelausgabe. "Unsere älteste Frau ist 92 Jahre alt. Schon hart, wenn man im Alter kein Geld hat und woanders wird das Essen weggeschmissen", sagt Dorsch.