In Mittelfranken drückte er die Schulbank, in Unterfranken unterrichte er bis zu seiner Pensionierung: Jetzt möchte sich Bernhard Gehringer in Oberfranken als Autor einen Namen machen und lässt sich von seiner "Traumstadt" Bamberg inspirieren. Anbei eine Leseprobe
Gerade kommt der 66-Jährige aus einer Germanistikvorlesung. "Wo die Literatur spielt und womit sie spielt, interessiert mich eben brennend", sagt Bernhard Gehringer. Ja, man lernt nie aus. Dabei hatte sich der Gymnasiallehrer vor einem Jahr vom Lehrbetrieb verabschiedet. Er ließ Unterfranken hinter sich, um sich als Autor in einer oberfränkischen Stadt einen Namen zu machen: Bamberg, wo der gebürtige Rothenburger seit April lebt.
"Bin ich mit meiner Frau in Bamberg unterwegs, bewundere ich Klein Venedig, die Türme der Stadt. Ich blicke über die Dächer hinweg auf die historischen Gassen und Plätze", schwärmt Gehringer. Wie im Urlaub hätte sich das Paar in den ersten Wochen an der Regnitz gefühlt. "Rothenburg gleicht einer Festung. Ganz anders Bamberg, das durchzogen von Wasseradern ein weltoffenes Bild und keine Enge vermittelt."
In Den Haag unterrichtet
Aus der Enge seiner Heimatstadt war Gehringer gleich nach dem Abitur ausgebrochen und zog fortan durch Franken: Zunächst von Mittel- nach Unterfranken, da der Rothenburger in Würzburg studierte und später in Schweinfurt unterrichtete. Zwischendurch war der zweifache Familienvater von 1988 bis 1991 als Lehrer am Goethe-Institut in Den Haag tätig. "Man braucht mal einen Tapetenwechsel, so nahm ich das Angebot an, um in Holland Deutsch zu lehren." Nein, Niederländisch sprach der Philologe nicht. "Die meisten Holländer sprechen sehr gut Deutsch. Und mit meinen Schülern verständigte ich mich notfalls auf Englisch."
Eine Beziehung zu Bamberg entwickelte Gehringer schon vor Jahren, nachdem seine Tochter Lena bis 2007 hier Diplompädagogik studierte. "Zum Geburtstag bekam ich immer Geschenke mit Bamberg-Bezug: Theaterkarten, Gutscheine für Ausstellungen oder Stadtführungen." Nirgendwo sonst als in Bamberg ließ sich seine mittlerweile 34-jährige Tochter auch taufen - in der Stephanskirche, nachdem sie an der Regnitz zum christlichen Glauben fand. "Und ihren Mann Max lernte Lena hier kennen - gleich bei der Einschreibung zu Studienbeginn."
Erzählungen und Schulbücher
Bevor Gehringer nach Bamberg zog, hatte er auch schon als Autor beim C.C. Buchner Verlag an drei Deutsch-Lehrbüchern für die Oberstufe mitgearbeitet, wie er berichtete - "darunter ein ,Schulbuch des Jahres 2013' für Niedersachsen". Zuvor schon brachte der Franke im Eigenverlag sechs Erzählungen und einen Gedichtband zu Papier. "Mit Ablehnung kann ich schlecht umgehen", begründet der frühere Gymnasiallehrer seine Zurückhaltung. "So fand ich nicht den Mut, mich an andere Verlage zu wenden."
Gern nimmt Gehringer in seinen Werken Bezug auf berühmte Literaten wie Kafka, Goethe oder E.T.A. Hoffmann. "Ich liebe seine skurrile Fantasie", sagt der Autor über das Multitalent, das in Bamberg seine "Lehr- und Marterjahre" durchlitt. "Mein Lieblingswerk ist ,Der Sandmann'", meint der Philologe. "
In einer rationalen Welt wird Nathanael als Held der Geschichte in den Wahnsinn getrieben."
Was brachte Gehringer eigentlich zum Schreiben? "Schon zu Schulzeiten hatte ich ein Faible für die hohe Literatur, vernachlässigte darüber allerdings Mathe". Immerhin punktete der Gymnasiast damit bei Klassenkameradinnen, die sich mit ihm zu einem "Eismatsch in der Eisdiele trafen und nach und nach auftauten". Damals entstanden erste eigene Gedichte, "die leider gnadenlos baden gingen".
Liebe in der NS-Zeit
Statt als Autor seine Brötchen zu verdienen, wurde Gehringer zum "Vermittler von Literatur". Und kehrte erst wieder während seines Holland-Aufenthaltes zum Schreiben zurück. Fünf Jahre lang arbeitete er an seinem neuesten Werk "Die verschnürten Briefe": Die Liebesgeschichte seiner Eltern während des "Dritten Reichs" lebt auf. So lernte Gehringers Vater, der später zur Waffen SS ging, seine Mutter in der Hitler-Jugend kennen. Und die Briefe des Paares zeigen die Gefühlswelt junger Leute aus einer fränkischen Kleinstadt in jener Zeit auf, die mit dem Untergang des "Tausendjährigen Reiches" endete.
Die nächste öffentliche Lesung der "verschnürten Briefe" findet am Friedrich-Rückert-Gymnasium Ebern statt. Wie ist überhaupt die Resonanz auf die Arbeiten des Pensionärs? "Gut, sieht man mal von vereinzelten Vorwürfen ab im Sinne von: ,Wie kann man seine Eltern nur so in die Pfanne hauen?'"
Verschollener Bürgermeister
Gehringers nächstes Buchprojekt greift übrigens das Verschwinden eines fränkischen Bürgermeister auf, "der in den Wirren der Gebietsreform verschollen ist: Von einem politischen Empfang kehrte er 1977 nicht mehr nach Hause zurück. Und man kann seither nur spekulieren, was aus dem Gemeindeoberhaupt wurde."