Stürmer: Mitarbeiter geht mit Abfindung

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Die Zentrale der Firma Stürmer Maschinen an der Dr.-Robert-Pfleger-Straße in Hallstadt Foto: Matthias Hoch
Die Zentrale der Firma Stürmer Maschinen an der Dr.-Robert-Pfleger-Straße in Hallstadt Foto: Matthias Hoch

Der Maschinengroßhändler hatte einem Beschäftigten gekündigt. Nach dessen Angaben wohl nur, weil er einen Betriebsrat gründen wollte.

Die wichtigste Frage blieb auch nach dem gestrigen Verhandlungstag vor dem Landesarbeitsgericht in Nürnberg unbeantwortet. Hat der geschäftsführende Gesellschafter der Firma Stürmer in Hallstadt, Kilian Stürmer, Kündigungen nur deshalb ausgesprochen, um in seinem Unternehmen mit knapp 300 Beschäftigten einen Betriebsrat zu verhindern?
Das jedenfalls behauptete der Kläger, der seit 2013 beim Maschinengroßhändler Stürmer unter anderem als Lagerleiter beschäftigt war. In der Tat hatten drei Stürmer-Mitarbeiter im Januar 2017 vom Chef just in dem Moment Kündigungen erhalten, als sie dabei waren, zur Wahl eines Betriebsrats aufzurufen.


"Erfundener Arbeitszeitbetrug"

Um einen dieser Mitarbeiter ging es gestern in einer Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht. In einem weiteren Fall steht die Entscheidung noch aus.
Dieser Mitarbeiter, dem Stürmer außerordentlich und auch betriebsbedingt gekündigt hatte, wehrte sich seitdem vor Gericht gegen die Kündigungen - mit Erfolg. Das Arbeitsgericht Bamberg hatte im Sommer 2017 geurteilt: Das Arbeitsverhältnis sei weder durch die außerordentliche noch die hilfsweise ordentliche Kündigung aufgelöst worden. Es bestehe vielmehr fort, und die Firma Stürmer werde verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen. "Hier geht es um erfundenen Arbeitszeitbetrug, um von den wahren Gründen abzulenken", sagte der klagende Mitarbeiter nun gestern erneut vor dem Landesarbeitsgericht, das den Fall auf den Tisch bekam, nachdem Stürmer und sein Anwalt Klaus Peter Aumüller Berufung eingelegt hatten.


"Nicht gegen einen Betriebsrat"

Kilian Stürmer hatte die Kündigung damit begründet, dass Arbeitszeiten im Zeiterfassungssystem von einem anderen Mitarbeiter falsch erfasst worden seien, den der Kläger hätte beaufsichtigen müssen.
"Mit einer geplanten Betriebsratswahl haben diese Anschuldigungen nichts zu tun", sagte der Anwalt des Arbeitgebers. Stürmer habe nichts gegen einen Betriebsrat. Außerdem sei die Position des Klägers als Logistikleiter inzwischen obsolet geworden. "Die Leute machen das jetzt selbst. Das läuft ohne die Position des Klägers hervorragend", trug Aumüller vor.


Keine klaren Regeln vorgelegt

Wie schon das Arbeitsgericht Bamberg in erster Instanz stellte auch der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht, Gerhard Riedel, schnell klar, dass ein aktives Mitwirken des Mitarbeiters am Arbeitszeitbetrug nicht zu erkennen sei. Dies schon deshalb, weil Stürmer nach wie vor keine klaren Regeln zur Gestaltung von Pausen vorlegen könne. Außerdem müsse eine Schlechtleistung eines Arbeitnehmers zunächst abgemahnt werden, was in diesem Fall nicht erfolgt sei.
Arbeitgeber-Anwalt Aumüller stellte den Antrag, das Arbeitsverhältnis gegen die Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Schließlich sei das "Arbeitsverhältnis als völlig zerrüttet" anzusehen. Nachdem die Verhandlung mehrmals für Beratungen unterbrochen wurde, einigten sich der Arbeitnehmer und die Firma Stürmer am Ende auf einen solchen Vergleich, der diesen Rechtsstreit, sämtliche noch ausstehenden Verfahren und auch das Arbeitsverhältnis beendet.
Stürmer muss seinem ehemaligem Lagerleiter demnach eine Abfindung von 50 000 Euro zahlen. Zudem erhält der Mitarbeiter vom Zeitpunkt der Kündigung bis zum gerichtlich vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober vergangenen Jahres einen monatlichen Bruttogehaltsbetrag von 4350 Euro. Des Weiteren hat der Kläger einen Anspruch auf ein Zeugnis, das Leistungen und Verhalten mit gut bewertet.


Vertretung der Mitarbeiter

Im Herbst vergangenen Jahres hat es bei Stürmer Wahlen zur Mitarbeitervertretung gegeben. "Nachdem alle Mitarbeiter im ersten Schritt die Gelegenheit hatten, einen Vertrauenskollegen zu nominieren, stellten sich im zweiten Schritt die Kollegen mit den meisten Stimmen der Wahl - sofern diese das auch wollten. Somit stehen die Gewählten auf demokratisch festem Boden", ist auf der Internetseite der Firma zu lesen.
Einen Betriebsrat, wie ihn das Betriebsverfassungsgesetz vorsieht, hat Stürmer dadurch aber immer noch nicht.


Kommentar


Unversöhnliches Verfahren

Im Arbeitsrecht zeigt sich vor den Gerichten Tag für Tag die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis. Theoretisch entscheiden Gerichte darüber, ob eine Kündigung rechtmäßig war, also, ob der Arbeitnehmer den Betrieb zurecht verlassen muss oder nicht. In der Praxis geht es in der Regel nur noch ums Geld, sprich um die Höhe des Abfindungsanspruchs. Das ist nicht verwunderlich. Wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Monaten vor Gericht treffen, um so eine Kündigung sachlich zu erörtern, dann ist das Arbeitsverhältnis längst in unversöhnlicher Weise zerrüttet. Für den Mitarbeiter bedeutet das: Er ist nahezu immer gezwungen, seinen Arbeitsplatz aufzugeben. So kommt es gehäuft zu Abfindungszahlungen, seltener zu Urteilen. Auch in Güteterminen vor Gericht geht es meist nur ums Geld. Wenn aber das Prinzip "Bloß kein Urteil" gilt, könnte man Abfindungshöhen irgendwann auch gleich gesetzlich festlegen.