Eine 48-Jährige wird für wiederholte Griffe in eine der Scheßlitzer Rathauskassen zu einem Jahr Haft auf Bewährung und zu 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Die Taten hat die Frau aus Liebe zu einem Betrüger begangen, der zurzeit in Haft ist.
Wenn die Macht der Liebe, kriminelle Energie und mangelnde Kontrolle zusammenkommen, ist ein Auftritt vor Gericht fast schon programmiert. Das bewies ein Prozess, den der Bamberger Amtsrichter Claus Schaffranek leiten musste. Der Fall sorgt in Scheßlitz für reichlich Gesprächsstoff.
Angeklagt ist Barbara S. (48), die frühere Sachgebietsleiterin des Standesamts. Zwischen September 2012 und August 2013 soll sie in zehn Fällen aus der Kasse ihrer Behörde rund 12 000 Euro entwendet haben. Erst eine Kontrolle des Kommunalen Prüfungsverbands entlarvte das Treiben der Verwaltungsfachwirtin, die derzeit ohne Job ist und von 1432 Euro Arbeitslosengeld lebt.
Ausschluss der Öffentlichkeit
Auf die Frage von Richter Schaffranek, warum sie das getan habe, brachte die Angeklagte einen Bekannten ins Spiel. "Es gab jemanden, der mir sagte, er sei in mich verliebt. Er war laut eigener Worten schwer krebskrank und brauchte das Geld für seine Therapie", erklärte Barbara S. mit dünner Stimme. Weitere Details dieser verhängnisvollen Beziehung waren später Bestandteil einer nichtöffentlichen Aussage der Angeklagten - wegen schutzwürdiger Fragen aus dem Intimbereich, wie der Richter ausführte.
Doch bis es soweit war, gab es für das Publikum einen tiefen Einblick in die Arbeitspraxis einer öffentlichen Verwaltung: Um ihren Bekannten mit Geld zu versorgen, musste die Standesamts-Mitarbeitern kaum das Risiko der Entlarvung fürchten. In ihren Schilderungen tat sich ein Abgrund auf, wie fahrlässig der Umgang mit Bargeld im Rathaus von Scheßlitz war.
Fazit: Barbara S. Hatte konnte mit ihrer Kasse schalten und walten, wie sie wollte. Weder wöchentliche Abrechungen noch jährliche Überprüfungen waren zu fürchten.
Es existierten zwar Dienstanweisungen des früheren Bürgermeisters Franz Zenk (CSU) von 2005 nach denen unter anderem Abrechnungen der Kassen am Ende jeder Woche zu erstellen seien. Doch die besten Bestimmungen nützen gar nichts, wenn sie nicht beachtet werden: Niemand von der Behördenleitung oder der Kämmerei achtete auf die Einhaltung.
Schulbewusstsein
Brauchte die frühere Angestellte wieder einmal Geld, öffnete sie die Geldkassette mit den Einnahmen aus Standesamts-Gebührenund bediente sich am Bargeld. Dabei war sie sich immer bewusst, dass sie Grenzen überschritt, wie sie zugab: "Ich ließ auch immer einen Restbetrag drin, damit es nicht auffällt. Zwischen 100 und 1000 Euro bewegten sich die Beträge, die ich herausgenommen habe."
Diese Diebstähle hätten sie enorm belastet, beteuerte die Frau im Verhandlungssaal, in dem rund 30 Scheßlitzer den Prozess verfolgten: "Ich stand massiv unter Druck, den ich mir selbst machte. Ich realisierte, was ich da machte. Ich lebte ständig in Angst und konnte nachts nicht mehr schlafen."
Für einen Mann
Das alles geschah wegen ihres Bekannten und seiner Geldnot - allerdings konnte genau dieser Mann (43) wenig zur Entlastung der Angeklagten beitragen. In Handschellen wurde er von zwei Polizeibeamten als Zeuge vorgeführt. Zurzeit sitzt der Scheßlitzer in Haft, weil er Senioren betrogen hat.
Als er Platz genommen hat, blickte er zur Angeklagten und sagte nur einen Satz: "Diese Frau trifft keine Schuld." Mehr kam nicht, denn der Zeuge wollte sich nicht selbst belasten.
Auch der Alt-Bürgermeister verlor nur wenige Worte über seine frühere Mitarbeiterin. Franz Zenk forderte sie auf: "Sagen sie die Wahrheit. Ich bitte darum."
Zumindest hat sich die Angeklagte ihrer Schuld gestellt, sie kooperierte nach ihrer Überführung mit der Polizei und hat sich in einer Vereinbarung mit dem neuen Bürgermeister von Scheßlitz, Roland Kauber (CSU), verpflichtet, den Schaden für die Stadtkasse in Monatsraten zu je 125 Euro zu tilgen. Auch Richter Schaffraneck erkannte das an und verurteilte Barbara S. wegen schweren Diebstahls in zehn Fällen zu einem Jahr Haft auf Bewährung und 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit.
Ungläubiges Staunen
Prozessbeobachter aus Scheßlitz ließ das Geschehen kopfschüttelnd staunen: "Es ist wirklich traurig, wie fahrlässig Politiker und Verwaltung mit öffentlichen Geldern umgehen. In Unternehmen wäre so ein laxer Umgang nie und nimmer möglich."
Bürgermeister Kauber und sein Stellvertreter Holger Dremel waren ebenfalls im Gericht. Beide beteuerten, Lehren gezogen zu haben. Kauper hob hervor: "In der Verwaltung gibt es nur noch eine Kasse, bei der immer mindestens zwei Mitarbeiter Abrechnung machen. Zudem haben wir die Zahl der Beschäftigten aufgestockt, um Arbeitsüberlastungen zu vermeiden." Noch in diesem Jahr wolle er dafür sorgen, dass kassenmäßig wieder alles im Lot laufe.
Weiteres Verfahren
Ein ehrgeiziges Ziel. Denn es steht noch ein weiterer Prozess aus: die Berufungsverhandlung gegen eine weitere Angestellte des Rathauses, die sogar 102 000 Euro veruntreut haben soll. Anfang Mai war die städtische Angestellte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Die 56-jährige Frau beteuert aber bis heute ihre Unschuld.
Für beide Seiten - Gemeinde wie Angeklagte - ist ein neues Urteil von großer Bedeutung. Denn der finanzielle Schaden für die Stadtverwaltung kann erst dann durch die Kassenversicherung beglichen werden, wenn geklärt wurde, wie sorgfältig oder fahrlässig mit Geld im Rathaus umgegangen worden ist.
ist viele, besonders die höhe des arbeitslosengeldbezuges, net dass man an belohnung glauben möchte
ist nicht die Höhe des Arbeitslosengeldes (da dies gesetzlich geregelt ist und mit dem Fehlverhalten der Standesbeamtin nichts zu tun hat), sondern das Verhalten der Scheßlitzer Stadtspitze (wie sich das aus den einschlägigen FT-Artikeln rekonstruieren lässt).
Barbaras S. Tat ist nicht zu beschönigen. Sie hatte, wie die anderen Sachgebiete auch, eine sog. Handkasse, die in bestimmten Zeitabständen oder beim Überschreiten eines bestimmten Betrages mit der Hauptkasse abrechnen muss. Das geschah nicht! Die Aufsicht - der Geschäftsleiter Werner Götz und die Bürgermeister Franz Zenk und Roland Kauber - hat jämmerlich versagt. Diese Herren sind nicht nur Mitwisser, sondern in gewisser Hinsicht auch Mittäter. Diese Annahme wird dadurch bestärkt, dass „dienstrechtliche Schritte durch Kaupers Vorgänger Franz Zenk (CSU) … trotz Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und Polizei ausblieben“.
Die „diversen Fehlbuchungen und nicht vermerkte Barzahlungen“ in der Kasse (mit einem Schaden von 102.000 €) können ohne Zutun einer weiteren Person nicht getätigt worden sein. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass dies die Angestellte auf ausdrücklichen Wunsch ihrer Vorgesetzten tat, um damit z. B. ominöse Geschäfte (Grundstücksspekulationsgeschäfte etc.) abzuwickeln und diese zu verschleiern. Die Tatsache, dass sie „bis zu einem neuen Prozess vor dem Landgericht und neuem Urteil sogar bei der Stadt Scheßlitz beschäftigt bleibe“, könnte ein Indiz für diese Annahme sein. Auch in diesem Falle gehört gegen die leitenden Herren ein Verfahren eingeleitet.
Das Kassenunwesen hätte dem Landratsamt als Kommunalaufsichtsbehörde auffallen und abgestellt werden müssen; insofern ist auch dieses Amt nicht unschuldig an diesem Schlamassel.
Die Gerichte in Bamberg und die Regierung in Bayreuth haben noch eine Menge Arbeit vor sich.
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ist sowas. Da greift jemand in die Stadtkasse und keiner merkt etwas. Hier gehts ja "nur" um 12000 Euro. In einem anderen Verfahren gehts um knapp das zehnfache. Es kommt mir vor, als ob wir in irgendeiner Bananenrepublik leben würden. Da hat sowohl der ehemalige 1.Bürgermeister, der neu 1.Bürgermeister(vorher 2.) , der Geschäftsführer und der Kämmerer in ganzer Linie versagt. Jedes normale Unternehmen wäre unter solcher Führung schon längst pleite.
„Wenn die Macht der Liebe, kriminelle Energie und mangelnde Kontrolle zusammenkommen, ist ein Auftritt vor Gericht fast schon programmiert.“ Gut formuliert!
Mich interessiert die „mangelnde Kontrolle“. Und es wundert mich geradezu, dass der Amtsrichter den früheren Bürgermeister, der diesem Exzess Vorschub leistete und als Dienstvorgesetzter offenbar total versagt hat, nicht gleich behalten hat. Barbara S. konnte schalten und walten wie sie wollte. In einer Bananenrepublik kann es nicht schlimmer zugehen. Der damalige Bürgermeister hat sich einen feuchten Dreck darum geschert. Die frühere Angestellte aufzufordern, die Wahrheit zu sagen, ist lachhaft und zeigt, dass er scheinbar nicht begriffen hat, wie sehr er in der Sache verstrickt ist.
Deshalb ist die Reaktion der Scheßlitzer Prozessbeobachter verständlich. Sie sollten sich aber auch fragen, wer den Bock zum Gärtner gemacht, d. h. gewählt, hat. Gespannt bin ich darauf, wie das Verhalten des Bürgermeisters rechtlich gewürdigt wird und inwieweit das Landratsamt als Aufsichtsbehörde involviert war. Für die Justiz dürfte der Fall Scheßlitz noch nicht erledigt sein.