SAMS-ationell

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Ja wer schlüpft denn da aus dem gepunkteten Ei?
Ja wer schlüpft denn da aus dem gepunkteten Ei?
aul Maar hat nicht nur das Sams erfunden (unten), sondern auch viele andere Persönlichkeiten — vom gestiefelten Skater ...
aul Maar hat nicht nur das Sams erfunden (unten), sondern auch viele andere Persönlichkeiten — vom gestiefelten Skater ...
 
... über die Trolle aus "Peer und Gynt" (Theater Fürth) ...
... über die Trolle aus "Peer und Gynt" (Theater Fürth) ...
 
...bis hin zu "Klaras Engel" aus dem gleichnamigen Theaterstück. Fotos: Maar
...bis hin zu "Klaras Engel" aus dem gleichnamigen Theaterstück.  Fotos: Maar
 
Paul Maar
Paul Maar
 

Vom Sams bis zum gestiefelten Skater: Paul Maars Buchhelden sind fulminante Freunde für Jungs und Mädchen.

S tuhlbeine essen, freche Gedichte erfinden, Wünsche erfüllen: Der etwas andere Hund Herr Bello, die quirligen Opodeldoks und natürlich das Sams machen bevorzugt das, was Menschen nicht machen dürfen - oder nicht machen können. Es sind halt ganz besondere Persönlichkeiten, so wie auch Herr Taschenbier, der verträumte Lippel und das kleine Känguru. Sie alle hat Paul Maar in die Welt gesetzt und großgezogen. Dass er ein paar von ihnen am Samstag, 9. Juli, zum Kinderkulturtag im unterfränkischen Castell mitbringt, verriet der Autor und Illustrator in einem Telefongespräch.


Herr Maar, wo erwische ich Sie gerade?
Paul Maar: In Bamberg. Gestern Abend bin ich von einem TV-Termin aus Oberbayern zurückgekommen und beginne den Tag jetzt recht entspannt.


Heute ist kein Schreibtag?
Nein, heute stehen Verwaltungs-, Verlags- und Pressearbeit an. Zum Schreiben ziehe ich mich meistens nach Birkenfeld zurück. Das ist ein kleiner Ort bei Maroldsweisach, wo meine Frau und ich ein Häuschen gemietet haben.

Woran arbeiten Sie derzeit?
Im September soll ein neues Buch erscheinen. Titel: "Schiefe Märchen und schräge Geschichten." Das Manuskript habe ich gerade abgegeben. Es geht darin unter anderem um einen gestiefelten Skater und um das moderne Geschwisterpaar Hänsel und Gretel, das im tiefen Wald keinen Handy-Empfang hat...

Für die Kinder von heute sind Handy-Empfang und Online-Angebote oft die größten Sorgen. Wohin führt in unserer digitalisierten Zeit der Weg für das Buch?
Kennen Sie "Fahrenheit 451" von Ray Bradbury? Der Roman spielt in einem Staat, in dem es als schweres Verbrechen gilt, Bücher zu besitzen oder zu lesen. Nur in heimlichen, revolutionären Zellen existiert das Buch weiter... Ganz so extrem wird es bei uns nicht kommen, aber ich merke deutlich, dass sich das Leseverhalten der jungen Generation stark wandelt.

Können Sie die Veränderung beschreiben?
Viele lesen zuhause kaum noch. In Zeiten von What'sApp und anderen Kurznachrichten denken Kinder sehr eingeschränkt. Viele erschrecken regelrecht vor Büchern mit "engen, vielen Buchstaben", vielleicht noch ohne Bilder zwischendrin.

Kann man ihnen beibringen, dass es schön ist, wenn die eigene Fantasie nicht immer und überall durch Bilder beeinflusst wird?
Wir versuchen es so: Erstlesebücher werden heute auf allen Seiten farbig illustriert und mit sehr wenig Text versehen, zum Beispiel nur mit einer kleinen Sams-Episode. Dadurch - so hoffen wir - werden die Kinder neugierig auf die ganze Geschichte.

Wie lesen Sie selbst - in Büchern oder per E-Reader?
Für mich ist das Buch grundsätzlich unersetzlich. Ich liebe es, wenn die Seiten knistern oder ich Lesezeichen an den Rand malen kann. Nur im Urlaub nutze ich das Tablet, weil es einfach leichter ist, sich 20 bis 25 Bücher runterzuladen als sie mitzuschleppen.

Was lesen Sie aktuell?
Ich habe immer wieder Phasen, in denen ich mehrere Bücher zum gleichen Thema lese. Zurzeit sind es Tagebücher. Diejenigen von Peter Sloterdijk, Friedrich Hebbel und Fritz Raddatz kann ich durchaus als Sommerlektüre empfehlen.

Haben Sie ein persönliches "Allerlieblings-Lieblingsbuch", das Sie schon lange durchs Leben begleitet?
Ja, den Roman des englischen Schriftstellers Laurence Sterne aus dem 18. Jahrhundert: "Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman". Ich liebe es, wie Sterne mit der Sprache spielt.Überhaupt seine witzigen Einfälle! Ich lese die Bände immer mal wieder in Teilen. Und wenn ich ganz ehrlich bin, frage ich mich manchmal, ob man nicht in dem einen oder anderen meiner Bücher kleine Sterne-Formulierungen entdecken kann...

Stimmt es, dass Ihr Vater es nicht leiden konnte, wenn er seinen Sohn irgendwo lesend vorfand?

Für meinen Vater war Lesen Zeitverschwendung, ja. Wenn er von der Arbeit heimkam und ich las ein Buch, hat er mich gefragt, ob ich denn sonst nichts zu tun hätte. Er hat dann auch immer irgendeine Arbeit für mich gefunden. Nur sonntagnachmittags, da waren Lesen und Nichtstun erlaubt.

Warum war Ihr Vater so?
Er hatte ein Bauunternehmen aufgebaut. Dann kam der Krieg. Er war als Matrose bei der Invasion in Frankreich dabei, nach Kriegsende war er noch lange in Gefangenschaft. Als er heimkam, war von der Firma nichts mehr da und Vater hatte ein Kriegstrauma. Er musste ganz von vorn anfangen, sich durchkämpfen. Da war kein Platz für viel Fantasie.

Sie und Ihre Frau Nele haben drei Kinder. Deren Fantasie und Bücherliebe haben Sie sicher gefördert, oder?
Als die Kinder klein waren, habe ich noch studiert, viel Geld hatten wir nicht. Auf Packpapier - weißes war zu teuer - habe ich für unsere Tochter einen dicken Kater gezeichnet und mit Reißzwecken an die Wand gepinnt. Irgendwann wollte die Kleine wissen, was es mit der Katze auf sich hat. So ist dann nach und nach mein erstes Kinderbuch entstanden: "Der tätowierte Hund".

Sie illustrieren heute viele Ihrer eigenen Bücher und auch fremde Werke. Gibt's beim Kinderkulturtag in Castell eine Kostprobe Ihres Talents?

Ich werde auf jeden Fall etwas zeichnen. Außerdem lese ich aus meinem neuen Buch "Ein Sams zu viel" vor. Und es wird ein paar Gedichte geben - denn obwohl man denkt, Kinder mögen keine Gedichte, kommen die Reime rund um "Kakadu und Kukuda" und "Jaguar und Neinguar" stets großartig an. Und nach der Lesung freue ich mich beim Buch-Signieren auf die Gespräche mit den Mädchen und Buben.



INFO:

Spiel, Spaß und eine Lesung: SAMS-Tag

Wer: Paul Maar, geboren am 13. Dezember 1937 in Schweinfurt, studierte nach dem Abitur an der Kunstakademie Stuttgart Malerei und Kunstgeschichte. Danach war er sechs Jahre als Kunsterzieher in Schulen tätig. Heute lebt er als freier Kinderbuchautor, Illustrator, Übersetzer, Drehbuch- und Theaterautor in Bamberg. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

Was: Maar schreibt Kinder- und Jugendbücher und übersetzt, zusammen mit seiner Frau Nele Maar, Kinderbücher aus dem Englischen. Er schreibt auch Kindertheaterstücke und verfasst Drehbücher für Kindersendungen. Außerdem reist er im Auftrag des Goethe-Instituts in Sachen Kinderliteratur um die Welt. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Wo: Die Kulturgemeinde im unterfränkischen Castell (Kreis Kitzingen) lädt am Samstag, 9. Juli, ab 16 Uhr zu einer Lesung mit Paul Maar sowie zu Spiel und Spaß rund um das Sams ein. Treffpunkt ist an der Johanneskirche. Unkostenbeitrag: 5 Euro. Info: www.castell-kulturgemeinde.de