Wenn Kinder und Jugendliche Schicksalsschläge erleben, trauern sie anders als Erwachsene. Der Bamberger Hospizverein unterstützt sie auf ihrem Weg: Eine Erfahrung, über die wir mit der 19-jährigen Rebekka B. sprachen. Sie musste lernen, mit dem Tod ihres Bruders zu leben.
14 Jahre alt war Rebekka, als ihr großer Bruder starb. "Er hatte einen Gehirntumor. Es gab keine Heilungschance." Monatelang kämpfte der Abiturient um sein Leben. "Ich weiß noch, wie wir den 18. Geburtstag meines Bruders feierten, der bis zuletzt hoffte.
Er tröstete
mich damals und sagte, dass nur das Jetzt zählt", erinnert sich die Bambergerin. Dass sie über all die schmerzlichen Erfahrungen heute selbst mit Fremden offen sprechen kann, verdankt Rebekka B. einer Gruppe des Hospiz Vereins, die sich trauernder Jugendlicher annimmt.
Vor sechs Jahren begannen die Treffen, an denen im Lauf der Zeit neben Rebekka wohl um die 30 Jungen und Mädchen teilnahmen. In Köttensdorf erwartet Marlene Groh mit drei weiteren Trauerbegleiterinnen Kinder und Jugendliche, die in zwei Gruppen im Alter von vier bis zehn Jahren und zehn bis 19 Jahren aufgeteilt sind.
Neben Gesprächen stehen gemeinsame Ausflüge und andere Unternehmungen. Es gibt Nachmittage, an denen die jungen Leute kreativ arbeiten - mit Ton, Steinen oder Perlen, an denen sie Improvisationstheater spielen oder rappen: Jonas MC von den Bambägga zeigte den Jugendlichen bei einem Workshop, wie man Songs schreibt. So fassten sie ihre Gefühle und Gedanken in Reime, aus denen eine CD wurde. Die CD "Für Dich", auf der auch Rebekkas Track zu finden ist.
"Bei uns können die Kinder und Jugendlichen offen über den Tod, das Sterben, ihre Trauer und anderes, was sie bewegt, sprechen", sagt Marlene Groh, die selbst mehrere schwere Schicksalsschläge erlitt. "Sie haben aber auch Gelegenheit, ihre Gefühle nonverbal auszudrücken": spielerisch, übers Malen, Basteln oder eben Musizieren wie beim Rappen mit Jonas Ochs. So trauern junge Leute eben anders als Erwachsene, deren Rituale ihnen oft nicht weiterhelfen.
Sie entziehen sich dem "Trauerzwang" bei Friedhofsbesuchen und ähnlichen Gelegenheiten, um ihren Kummer auf eigene Weise zu bewältigen und Abschied zu nehmen.
Es gibt kein Richtig oder Falsch
Ihren eigenen Weg ging auch Rebekka, die sich fünf Jahre lang mit anderen Jugendlichen bei Marlene Groh traf - alle vier oder sechs Wochen. "Man konfrontierte uns hier nicht mit Patentlösungen, einem vorgegebenen Konzept, sondern unterstützte uns in unserer Gedankenwelt." Ein Richtig oder Falsch gab es nicht. "Was auch immer man sagte oder auszudrücken suchte, wurde ernst genommen."
Leicht fiel es der Bambergerin anfangs nicht, sich Fremden zu öffnen. "Ich hatte Angst davor, über meine innersten Gefühle, den Tod zu sprechen", berichtet die mittlerweile 19-Jährige.
"Aber alles war anders als erwartet: Ich traf auf eine Gruppe, in der keine getragene, sondern eher fröhliche Stimmung herrschte." Rebekka begann zu begreifen, dass die Trauer Menschen nicht nur weinen lässt, sondern viele Facetten hat: "Wer trauert, durchlebt verzweifelte, ernste, aber auch wütende und lustige Momente."
Gerade auch den Umgang mit Gleichaltrigen, die den Tod eines Verwandten oder nahen Freundes erlebten, empfand Rebekka als hilfreich. "Sie hatten dieselben Gedanken wie ich. So unterstützten wir uns gegenseitig." Viel schwieriger sei es gewesen, mit den Eltern oder Geschwistern über ihre Trauer zu sprechen. "Ich wollte sie nach all dem Schmerz, nach allem, was wir zusammen durchgemacht hatten, nicht noch mehr belasten."
Lähmende Schuldgefühle
Schuldgefühle musste Rebekka bewältigen.
"Ich fragte mich, warum ich die Zeit mit meinem Bruder nicht besser genutzt hatte." Es dauerte, bis sie stattdessen wieder den Blick auf die schönen Erinnerungen lenken konnte.
Ihre Erfahrungen gibt Rebekka mittlerweile an andere Kinder und Jugendliche weiter. So begleitet die Studentin Marlene Groh bei Schulbesuchen, um auf das Angebot des Hospizvereins aufmerksam zu machen. Auch Marlene Groh fand in ihrer Arbeit als Familienbegleiterin beim Hospizverein Trost, nachdem ihr Sohn mit nur 25 Jahren starb. Zumal sie aus eigener Erfahrung weiß, was es bedeutet, von einem geliebten Menschen in jungen Jahren Abschied nehmen zu müssen. 13 war die Fränkin, als ihre Mutter starb, und 18, als sie den Vater verlor. "Mir half damals ebenfalls ein Außenstehender, nachdem man sich innerhalb der Familie schonen und nicht noch mehr deprimieren möchte": Ein Lehrer begleitete die Schülerin über die schlimmsten Phasen hinweg.
"Damals begann ich, alles so anzunehmen, wie es ist, und ganz bewusst im Hier und Jetzt zu leben."
Kontakt aufnehmen
Wer selbst einer Trauergruppe beitreten möchte oder sich dazu mehr Informationen wünscht, kann sich telefonisch unter 0951/ 955070 oder schriftlich unter kindertrauer@hospizverein-bamberg.de an den
Hospizverein (Lobenhofferstraße 10, 96049 Bamberg) wenden.