Mohammed besänftigt Täter

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Am 13. März soll am Landgericht das Urteil gegen den 32-jährigen Iraker fallen. Foto: Ronald Rinklef
Am 13. März soll am Landgericht das Urteil gegen den 32-jährigen Iraker fallen. Foto: Ronald Rinklef

Die besonnenen Worte eines Zeugen gegenüber eines wegen versuchten Totschlags angeklagten Asylbewerbers verhinderten während der Tat womöglich Schlimmeres.

Der dritte und vorletzte Verhandlungstag am Landgericht Bamberg gegen einen irakischen Asylbewerber wegen eines versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung in der Sandstraße im April 2018 ließ zum einen den psychiatrischen Gutachter zu Wort kommen. Zum anderen sagten auch Zeugen aus, von denen einer den Angeklagten mit einem Ausspruch Mohammeds von weiteren Angriffen hatte abhalten können.   Der Oberstaatsanwalt: "Sie haben sich vorbildlich verhalten und Zivilcourage gezeigt, obwohl Sie sich damit selbst in Gefahr gebracht haben."

In den letzten Wochen hatte Oberstaatsanwalt Otto Heyder immer wieder Ärger mit Zeugen. Die wollten sich nicht erinnern oder widersprachen objektiven Beweisen im Videoformat. Das hatte in einem anderen Verfahren, dessen Ausgangspunkt auch die Sandstraße gewesen war, sogar für Festnahmen und bundesweite Schlagzeilen gesorgt.

Diesmal aber war der Vertreter der Anklagebehörde voll des Lobes. Immerhin war der Zeuge am Tatort Katzenberg auf den Angeklagten zugegangen, als dieser gerade sein Opfer bedrängte und hatte versucht, den wild Tobenden zu besänftigen. Tatsächlich gelang ihm das durch heftiges Zupacken und Schütteln und einen Satz, den er einmal in einem arabischen Gebet gehört hätte. "Als ich sagte: ,Der Prophet will, dass ihr euch vertragt', da war er plötzlich wie ausgewechselt. Von Hundertachtzig auf Null."

Ruhig weggegangen

Der Angreifer habe dann von Robert D. (Name geändert) abgelassen und sei dann ganz ruhig weggegangen. Er selbst habe keine Angst gehabt, so der Zeuge. "Er hat mich nicht als Ziel wahrgenommen. Ich war nicht in seinem Fokus."

Andere Nachtschwärmer hatten da schon größere Bedenken, hielten Abstand, aber durch Notrufe zumindest die Polizei auf dem Laufenden. "Als er den Streifenwagen gesehen hat, lief er an mir vorbei, als ob nichts gewesen wäre und knöpfte in aller Ruhe sein Hemd zu", so ein anderer Beobachter in den frühen Morgenstunden.

Doch dann musste doch noch ein Zeuge eindringlich auf seine Wahrheitspflicht hingewiesen werden, der gleich mehrfach definitiv Dinge behauptete, die er und andere bei der Polizei noch ganz anders ausgesagt hatten. Ob es an der Aufregung im Zeugenstand lag, an Nachlässigkeit oder an der Freundschaft mit dem Opfer der Attacke mittels einer abgebrochenen Flasche, konnte der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt nicht klären. Er konnte aber den jungen Mann zumindest aufklären: "Erst die Ohren aufsperren, dann das Hirn einschalten, dann den Mund aufmachen. Es geht ja hier um Einiges für den Angeklagten und nicht um 3,50 Euro."  

Posttraumatische Störungen

Es war auch der Tag des psychiatrischen Sachverständigen, um zu klären, ob der Angeklagte zum Tatzeitpunkt wusste, was er tat und dies auch wollte. Dr. Bernd Münzenmayer vom Psychiatrischen Krankenhaus Schloss Werneck attestierte neben einer posttraumatischen Belastungsstörung auch eine Alkoholabhängigkeit. Erstere erklärte der Facharzt mit schweren Misshandlungen am Angeklagten durch dessen trunksüchtigen Vater, der ihn schon im Kindesalter mit glühenden Messern geschnitten habe. Die Narben an den Händen des irakischen Asylbewerbers sind noch immer zu erkennen.

Der Hang zu Spirituosen beim Angeklagten käme wohl von einer "Selbsttherapie", um die schmerzhaften Erinnerungen auszulöschen. Dazu hatte es nach Angaben des 32-jährigen Mannes zuletzt eine Flasche Whisky oder Wodka täglich gebraucht. Trotzdem sei er seinem Beruf als Paketzusteller bis zu einer Bandscheibenoperation nachgegangen. "Durch die Kombination aus früheren Erlebnissen und Alkoholkonsum droht die Gefahr weiterer unkontrollierter Wutausbrüche und Aggressionen." Ähnliche Straftaten seien dann zu befürchten. Weshalb der Mediziner eine Einweisung in eine Entziehungsanstalt befürwortete, um dort im Rahmen einer bis zu zweijährigen Therapie an beiden Problemfeldern zu arbeiten.

Dass die Angaben des Angeklagten so gar nicht zu allen anderen Zeugenaussagen und zu den objektiven Beweisen wie den klaffenden Wunden am Opfer Robert D. passen wollten, dafür hatte Dr. Münzenmayer zwei mögliche Erklärungen: "Entweder es handelt sich um Schutzbehauptungen des Angeklagten oder eine dissoziative Amnesie, bei der man eigene schlimme Taten ausblendet, weil man mit ihnen nicht fertig wird."

Am 13. März ab 9 Uhr werden Oberstaatsanwalt Heyder und die beiden Verteidiger Thomas Drehsen und Jochen Kaller plädieren. Danach wird das Schwurgericht sein Urteil fällen. "Wir erwarten keinen Freispruch," so Rechtsanwalt Jochen Kaller (Bamberg).