Messerstecher-Prozess: Hat der Angeklagte weitere Tat begangen?

3 Min
Symbolfoto: Christopher Schulz
Symbolfoto: Christopher Schulz

Die Verhandlung gegen einen 40-Jährigen wird neu angesetzt. Er soll versucht haben, seine ehemalige Lebensgefährtin zu erstechen.

Das Vorstrafenregister des Angeklagten ist lang. Mehrmals musste Martin P. (Name geändert) bereits ins Gefängnis, gestern saß er erneut auf der Anklagebank. Für seine Verhandlung vor dem Bamberger Landgericht waren eigentlich zwei Tage angesetzt, doch schon nach drei Stunden war Schluss.

Der Grund: Seine ehemalige Lebensgefährtin berichtete dem Schwurgericht nicht nur von der angeklagten Tat, sondern kam auf einen weiteren Vorfall zu sprechen. Dieser soll nun auch juristisch aufgearbeitet werden.
Schon der erste Tatvorwurf hat es in sich: Es war der 25. Januar, ein Tag nach dem Geburtstag von Martin P. Dieser soll kurz vor acht Uhr morgens in die Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin Brigitte Z. (Name geändert) in Bamberg eingedrungen sein. Er "packte sie mit der linken Hand am Hals und stach mehrmals mit der rechten Hand mit einem Schweizer Taschenmesser (...) mit einer Klingenlänge von 8,5 Zentimetern in Richtung des Halses der Geschädigten, um diese zu töten", heißt es in der Anklageschrift. Die Frau wehrte sich heftig, trug aber trotzdem eine etwa 2,5 Zentimeter tiefe, klaffende Stichverletzung am Hals davon.
"Mein Sohn hat mich gerettet", sagte die 46-Jährige am Dienstag vor Gericht. Während ihrer Aussage rang sie um Fassung. Es gelang ihr nicht immer.


Alkoholsucht und Drogen

Was die Vorgeschichte ist, wie das ehemalige Paar zueinander stand, wollte das Gericht wissen.
Brigitte Z. und Martin P. lebten in einer Wohnung in Bamberg-Ost. Zur Familie gehören der jugendliche Sohn der Geschädigten aus erster Ehe sowie die viereinhalbjährige Tochter von Brigitte Z. und Martin P. Schon während deren Beziehung saß der Angeklagte immer wieder im Gefängnis. "Dann habe ich rausgefunden, dass mit ihm etwas nicht mehr stimmt. Dass er Crystal nimmt. Ich hab Kinder zu Hause, das geht nicht!", sagte sie aus. Martin P. konsumierte zudem Alkohol in ausgeprägtem Maße, er trank bereits seit seiner Jugend. "Er entwickelte eine erhebliche Toleranz, wirkte noch bei drei Promille relativ sicher", sagte Klaus Leipziger, Facharzt für Forensische Psychiatrie und Neurologie.

Brigitte Z. warf Martin P. aus der Wohnung, "aber er wollte den Schlüssel nicht abgeben, also hab ich das Schloss ausgetauscht". Zu ihrem Sohn Jonas Z. (Name geändert) habe sie gesagt: "Mach ihm nicht die Türe auf, er ist gefährlich, er nimmt Drogen."

Doch als Jonas an jenem Januarmorgen zur Schule aufbrechen wollte, habe der Angeklagte bereits vor der Tür gestanden. Er habe sich an Jonas Z. vorbeigedrückt. "Als er rein kam habe ich gesehen, dass er ein Messer dabei hatte. Ich hatte solche Angst um meine Kinder!", schilderte Brigitte Z. den Tatablauf aus ihrer Sicht. Martin P. habe ihren Sohn ausgesperrt, "dann hat er mich auf den Tisch gelegt und meinen Kopf zur Seite gedrückt. Er hat mehrmals versucht, mich zu erstechen. Ich habe um Hilfe geschrien."
Zu diesem Zeitpunkt habe sich ihr Sohn wieder Zutritt zur Wohnung verschafft und dem Angreifer mehrmals mit den Fäusten gegen den Kopf geschlagen. Diese Ablenkung habe Brigitte Z. genutzt, um ihrem Ex-Freund das Messer aus der Hand zu reißen. Der habe sich aus dem Küchenschrank sofort zwei neue scharfe Messer geholt. Doch als er bemerkt habe, dass mittlerweile die Nachbarin in der Wohnung stand, habe er die Messer weggeworfen.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte zunächst in dem Bewusstsein flüchtete, "dass er der Geschädigten eine tödliche Stichverletzung beigebracht hatte".
Die Angegriffene berichtet, dass Martin P. noch einmal zurückgekommen sei und ihr Taschentücher gebracht habe. "Außerdem hat er vor der Nachbarin zu mir gesagt: Ich habe das nicht gemacht, das warst du."
Der Angeklagte selbst wollte sich gestern mit keinem Wort persönlich äußern. Sein Anwalt gab jedoch eine Erklärung für seinen Mandanten ab. Der gebe zu, die Droge Crystal zu konsumieren, teilweise mehrmals täglich - so auch vor der Tat. Während dieser sei die Zeugin von sich aus nicht auf Stichverletzungen zu sprechen gekommen, sondern erst auf "Suggestivfragen" der Polizei hin. Zudem stellte der Anwalt in Frage, wie die Frau in den Besitz des Taschenmessers gekommen sei.

Die hatte bei ihren Schilderungen vor Gericht noch von einem weiteren angeblichen Übergriff berichtet, der bisher nicht bekannt war. Wegen dieses zusätzlichen schwerwiegenden Tatvorwurfs entschied sich das Schwurgericht, die Verhandlung auszusetzen.

Martin P. müsse sich einer erneuten ärztlichen Exploration unterziehen, zudem solle ein weiteres psychologisches Gutachten "zur Gefährlichkeit des Angeklagten" erstellt werden. Der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt deutete außerdem an: "Es wird zu prüfen sein, ob eine Sicherungsverwahrung in Betracht kommt."
Bis zur neuen Hauptverhandlung dürften einige Monate vergehen.