Angst ist nützlich und wichtig, sagen Psychologen. Gefährlich wird sie nur, wenn sie Menschen lähmt oder ihr Leben beherscht.
Der Mensch soll sich nicht von Ängsten beherrschen lassen, auf der anderen Seite darf er auch keine Angst vor der Angst haben; den Angst ist auch ein Schutzmechanismus, eine "Summe von Erfahrungen und ein Zeichen von Weisheit", sagt Holger Süß, der Leiter einer psychosomatischen Reha-Klinik in Stadtlengsfeld (Thüringen). Entscheidend ist für ihn, sich Ängste klar zu machen und bewusst mit ihnen umzugehen, sie sogar für das eigene Leben nutzbar zu machen.
Das ist möglich, aber das andere Extrem ist weitaus häufiger und beschäftigt die Psychologen. Andreas J. Fallgatter schätzt, dass es etwa 15 bis 20 Millionen Angsterkrankte in Deutschland gibt.
Der Professor ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Tübingen und Experte für Angststörungen.
Flucht oder Angriff
Dabei, so sagt er, ist Angst an sich erst einmal nicht negativ: "Das Gefühl der Angst dient dazu, in Gefahrensituationen schnell und angemessen zu reagieren. Wer Angst hat, ist aufmerksamer, nimmt seine Umgebung deutlicher wahr und der Körper bereitet sich auf eine mögliche Reaktion - Flucht oder Angriff - vor", zitiert die Krankenkasse AOK den Psychologen auf ihrer Homepage.
"Angst war also für unsere Vorfahren überlebenswichtig. Heute kann uns Angst zum Beispiel anspornen, bestimmte Dinge zu tun oder an seine Grenzen zu gehen und diese zu überwinden. Das alles ist positiv, wenn die Angstgefühle in einem angemessenen Rahmen bleiben.
Wird die Angst zu stark, kann sie lähmen."
Denn, so Fallgatter: Bei einer Angststörung ist die Angst unangemessen und unrealistisch. Die Betroffenen leiden unter der Angst, sie ziehen sich immer mehr aus der Außenwelt zurück und schränken sich immer stärker ein. Das kann so weit gehen, dass sie die Wohnung nicht mehr verlassen.
(K)ein Leben ohne Angst
Das ist nicht unheilbar, sagt der Psychologe. In einer Psychotherapie könne man lernen, seine Ängste zu erkennen, zu kontrollieren und auf ein angemessenes Niveau zu regulieren. Das geht oft langsam und ist mühevoll, führt aber in der Mehrheit der Fälle zum Ziel, sagt Fallgatter. "Im ersten Schritt sollte man unter therapeutischer Anleitung seine Ängste besser verstehen lernen.
Überwinden kann man sie nur, wenn man sich in der Therapie seinen Ängsten stellt und dort die Erfahrung macht, dass die Ängste nachlassen, wenn man lange genug in den gefürchteten Situationen bleibt."
60 bis 75 Prozent aller Angstpatienten können so "geheilt" werden, was nicht bedeutet, dass sie danach angstfrei durchs Leben gehen. "Darüber muss sich jeder im Klaren sein. Ziel der Behandlung ist nicht, dass man vollkommen angstfrei ist, sondern, dass die Angst auf ein normales Ausmaß zurückgeht", sagt der Arzt.