Jesus kam unmaskiert

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Blick in den Dom, in dem sich die Besucher der Vorabendmesse nur auf nummerierte Plätze setzen durften. Foto: Marion Krüger-Hundrup
Blick in den Dom, in dem sich die Besucher der Vorabendmesse nur auf nummerierte Plätze setzen durften. Foto: Marion Krüger-Hundrup
Eine "Kirche im Grünen" gab es in St. Matthäus-Gaustadt mit Pfarrerin Jutta Müller-Schnurr. Foto: Marion Krüger-Hundrup
Eine "Kirche im Grünen" gab es in St. Matthäus-Gaustadt mit Pfarrerin Jutta Müller-Schnurr. Foto: Marion Krüger-Hundrup
 
Teambesprechung in der Sakristei vor Beginn der Messe in St. Martin: v.l. Mesner Johann Czerlau, Pastoralreferent Sebastian König, Lektorin Regina Paul und Pfarrer i.R. Andreas Eckler. Foto: Marion Krüger-Hundrup
Teambesprechung in der Sakristei vor Beginn der Messe in St. Martin: v.l. Mesner Johann Czerlau, Pastoralreferent Sebastian König, Lektorin Regina Paul und Pfarrer i.R. Andreas Eckler.      Foto: Marion Krüger-Hundrup
 
Das gab es auch: mehr Interessenten als Plätze. Foto: Marion Krüger-Hundrup
Das gab es auch: mehr Interessenten als Plätze. Foto: Marion Krüger-Hundrup
 

Zu den wieder möglichen öffentlichen Gottesdiensten am Sonntag kamen überwiegend jüngere Menschen. Corona zwang Hygienemaßnahmen auf.

Gerhard Römmelt nahm seine neue Aufgabe ernst. Mit Mund- und Nasenschutz und Latexhandschuhen stand er als Ordner am rückwärtigen Eingang des Doms und sprühte erst einmal jedem Eintretenden eine ordentliche Portion Desinfektionsmittel in die Hände. Selbstredend, dass nur ebenfalls Maskierte zur Vorabendmesse am Samstag um 17 Uhr hinein und ausschließlich auf den nummerierten Sitzen in den Bankreihen Platz nehmen durften. Durch das vorgeschriebene Abstandsgebot von mindestens zwei Metern standen in der großen Kathedrale lediglich 80 Plätze zur Verfügung. Doch die reichten aus, zumal es am Sonntag noch zwei weitere Gottesdienste für die Dompfarrei gab.

Organist Karl-Heinz Böhm stimmte zum Einzug das Lied "Ein Haus voll Glorie schauet" an, passend zur Domkirchweih, die begangen wurde. Nur verhalten sangen die versammelten Besucher mit. Kräftiger Gemeindegesang war ja wegen der Gefahr einer Tröpfcheninfektion ohnehin nicht erlaubt. Und mit Maske "schmettern": Das funktioniert schon gleich gar nicht.

Beruhigende Normalität

Nur kurz ging Dompfarrer Markus Kohmann auf die Umstände ein, unter denen die Eucharistiefeier stattfinden musste: "Ich erkenne Sie heute nicht alle unter den Masken!", begrüßte er seine Gemeinde und vollzog dann das liturgische Geschehen in einer Normalität, die beruhigte. Obwohl es alles andere als "normal" war, dass keine Kinder als Ministranten fungierten, sondern Dommesner Sebastian Dornheim - mit Mundschutz. Und dass Kohmann erst Handschuhe anzog und eine Maske aufsetzte, bevor er von Bank zu Bank ging, um die Kommunion zu reichen.

"Jesus zeigt sich unmaskiert in seiner Liebe zu uns Menschen", hatte der Dompfarrer zuvor in seiner Predigt betont. Jesus, der von sich sagt: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben", wie es im Johannesevangelium dieses 5. Sonntags der Osterzeit hieß.

In der evangelischen Kirchenordnung war es der Sonntag "Kantate", also "Singt". Die sonst so sangesfreudigen Protestanten mussten jedoch auch Corona Tribut zollen, wie es etwa in St. Matthäus-Gaustadt geschah. Obwohl der Gottesdienst ohne Abendmahl im Freien auf der Wiese stattfand. "Herzlich willkommen in unserer Kirche im Grünen", freute sich Pfarrerin Jutta Müller-Schnurr über das frühlingshafte Ambiente. Und darüber, dass "wir wieder da sind, und wir all das mitbringen, was uns in den letzten Wochen beschäftigt hat". Bei aller Freude, wieder Gottesdienst feiern zu können, mag es ein Wermutstropfen gewesen sein, dass nicht alle Interessenten dabei sein konnten. Denn nur 50 Personen durften wegen der Abstandsregeln auf das Gelände. Die Zahl war erreicht, sodass einige weggeschickt werden mussten.

Nur wenige kamen

Anders dagegen in der 11 Uhr-Messe in der Innenstadtkirche St. Martin. 60 Gläubige hätten aufgenommen werden können, weitaus weniger kamen. Das schreckte Pfarrer i. R. Andreas Eckler aber nicht: "Ich habe das Vertrauen, dass wir wieder in die Normalität hineinfinden, wir wollen Geduld bewahren und uns mit biblischen Worten stärken", erklärte der Priester kurz vor Gottesdienstbeginn in der Sakristei und besprach noch mit Pastoralreferent Sebastian König das Prozedere der Kommunionspendung.

Unverhohlene Freude über den Neustart nach der mehrwöchigen Durststrecke zeigte Regina Paul, die ehrenamtlich als Lektorin im Einsatz war: "Ich freue mich, wieder im kirchlichen Rahmen Gottesdienst feiern und Gott danke sagen zu können, dass ich bisher unbeschadet durch die Corona-Krise gekommen bin." Mesner Johann Czerlau nickte zustimmend. Er mache seine Arbeit wie bisher, eben nur mit Handschuhen und Mundschutz: "Ich nehme die Sache ernst", versicherte Czerlau, "Corona ist kein Kinderspiel".

Kommentar von Marion Krüger-Hundrup

Besser so als gar nicht? Gottesdienste unter Corona-Bedingungen mögen für die noch fest im Glauben stehenden Menschen ein Trost sein. Vor allem nach acht Wochen "ohne", gerade am Hochfest Ostern. Doch diese sonderbaren "Feiern" ohne rechte Feierstimmung, dafür mit Mund- und Nasenschutz, Abstandsgeboten und weiteren Denkwürdigkeiten sind fragwürdig. Ist es trotz allem ein "besser so als gar nicht"?

Kirchenverantwortliche haben sich vor diesem ersten Sonntag mit öffentlichen Gottesdiensten nach der Lockerung des Versammlungs-Verbots förmlich überschlagen mit Freudenbekundungen, dass die Gläubigen wieder zusammen kommen dürfen. Dass sie aus der Corona-Krise aber auch Lehren ziehen, war bisher jedenfalls nicht zu hören. Obwohl in dieser Zeit auch Dinge gewachsen sind, die "nach Corona" bleiben sollten. Zum Beispiel der wahre Modernisierungsschub an alternativen Feier- und Gebetsformen auf allen zur Verfügung stehenden medialen Kanälen.

In der Not war plötzlich möglich, was sonst nicht ging. Ausschlaggebende Lehre sollte jedoch sein, die Krise als "Zeichen und Aufruf" zu verstehen, wieder neu "Christus zu suchen". So schreibt der Prager Religionsphilosoph Tomás Halík in einem eindrücklichen Essay (auf der Internetseite www.theologie-und-kirche.de). Und zwar sollten die Kirchen sich nach seinen Worten darauf besinnen, sich vor allem als solidarische Weggefährtinnen auf dem offenen Weg aller (!) Suchenden zu verstehen, die dem auferstandenen Christus und mit ihm dem lebendig machenden Gott vornehmlich in den Anliegen, Leiden und Wunden der Welt und aller Lebewesen begegnen. Also nicht nur den ohnehin gefestigt Gläubigen, die mit einer rein gottesdienstlichen Versorgung, die wie auch immer ausschaut, abgespeist werden, und die sich damit zufrieden geben.

Ob dieser Corona-Sonntag schon ein neues Kapitel Christsein und Christwerden aufgeschlagen hat im zerlesenen Buch des kirchlichen Lebens? Da melden sich Zweifel, Verstörung, aber auch vage Hoffnung.