Die in Bamberg sesshaften Griechen verfolgen das Geschehen in ihrem Heimatland mit einem gewissen Unbehagen - aber auch mit einer guten Portion Hoffnung.
Das Thema Griechenland und Schuldenkrise sorgt Tag für Tag für immer neue Schlagzeilen. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf dem Rekordniveau von über 25 Prozent, wobei mehr als jeder zweite junge Mensch keinen Job hat. Die Sorgen und Nöte der Menschen kommen bei all dem Dilemma häufig zu kurz. Nur noch 60 Euro gibt es pro Tag für die Bürger von den Banken - gesetzt den Fall, dass man eine Geldkarte zum Abheben hat. Das Gesundheitssystem darbt, die öffentliche Infrastruktur verfällt.
Natürlich verfolgen auch die Griechen in Bamberg die Entwicklung ihrer Heimat aus der Ferne. 348 Menschen von der Peloponnes leben in der Domstadt. Einige von ihnen sind Mitglieder im Deutsch-Griechischen-Club. Dessen Präsident, Panagiotis Malekas, lud nun ins Sportheim der TSG 05 zur Diskussion ein. Als Vierjähriger kam Malekas mit seinen Eltern nach Bamberg, arbeitet bei einem Automobilzulieferer.
Panagiotis Malekas nimmt vor allem die Verantwortlichen der EU um Kommissionschef Jean-Claude Juncker in die Pflicht, ist sich sicher, dass Sparen allein der Athener Regierung nichts bringt. Malekas hofft weiter auf eine Lösung aus dem Schuldendilemma: "Europa ist zivilisiert, und wir als Griechen haben Fehler gemacht, obwohl wir es hätten besser lösen können."
Als Beispiel nennt er die überbordende Bürokratie bei der Rentenverwaltung. "Ich war einmal in der Behörde, um etwas für meinen Vater zu klären. Dort standen überall blaue Ordner herum - nur Ordner." Die Mitarbeiterin hatte dennoch den Überblick, doch sie musste sich stur an die starren Regeln ihrer Behörde halten. Die Folge: Malekas Vater nahm monatelange Wartezeiten in Kauf und erhielt solange überhaupt keine Rente. Er musste - wie so viele Menschen in Griechenland - improvisieren und sich Geld von Bekannten oder Verwandten leihen.
Schilderungen wie diese hören die Gäste an diesem Abend häufig. Nikolaos Poukamissas ist zwiegespalten: "Ich bin seit 38 Jahren hier in Deutschland, denke bereits deutsch, obwohl ich vom Gefühl her noch Grieche bin." Er klagt vor allem die Politiker seines Heimatlandes an, die sich und ihren Anhängern Privilegien und Posten über Jahrzehnte hinweg zugeschachert hätten. Der Beamtenapparat sei dadurch enorm aufgebläht worden und die Kosten dafür brachten den Staat in Schieflage. "Es gibt Menschen, die hungern, und alle sind verunsichert, weil sie nicht wissen, was der Morgen bringt", ergänzt er nachdenklich.
Schlangen am Bankautomaten Kopfnicken auch bei Kieferchirurg Christos Giannoulopoulos. "Viele haben keine Ahnung, wie sehr die Griechen unter der Krise leiden. Bis zu zwei Stunden stehen die Bürger in der prallen Sonne an, um Geld am Automaten zu bekommen", schildert er. Für ihn sei es erstaunlich, wie still das Volk dies alles erdulde. Das Gesundheitssystem funktioniere nur noch gegen Bargeld. 30 Minuten Behandlung würden Patienten etwa 20 Euro kosten. Ernüchtert ergänzt er: "Griechen werden leider früh zur Korruption erzogen." Gutverdienende Berufsstände wie Ärzte, Notare oder auch Steuerberater müssten dabei so gut wie keine Abgaben an den Staat zahlen. "Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt und vieles falsch gemacht. Wir brauchen jetzt endlich eine Lösung. Würde ich derzeit in Griechenland leben, dann wäre ich ratlos", meint Giannoulopoulos.
Diese Planlosigkeit prangert auch Panagiotis Patsiadas an. Er sitzt im Migrations- und Integrationsbeirat Bambergs und möchte bei all dem Streit um Griechenland und die Milliardenschulden nie die Menschen vergessen. "Es lebt eine verlorene Generation von jungen Leuten dort. Diese Frauen und Männer haben in ihrer Heimat keine Perspektiven. Ihnen muss geholfen werden." Das könnte auch über Initiativen in Deutschland geschehen, die der griechischen Jugend etwa Jobs anbieten, kann sich Patsiadas vorstellen.
Menschen helfen sich Was passiert aber mit der Krise? Kann eine Entscheidung am Sonntag eine Lösung bringen? Wie wird sich die griechische Regierung verhalten? Die Regierung hat zwar stets Reformen versprochen - den Beamtenapparat zurückzufahren, das Steuersystem effektiver zu machen, Korruption zu bekämpfen. Echte Erfolge auf diesen Gebieten blieben aus. Dafür hat Athen zumindest bei den Ausgaben gespart.
Malekas hofft derweil, dass sich alles zum Guten wendet. Er ist sich sicher, dass das Kabinett unter Ministerpräsident Alexis Tsipras einen Plan in der Schublade hat: "Er besitzt eine Strategie. Nur mit Logik kommt er nicht mehr weiter. Er weiß, dass er die Schulden nicht zurückzahlen kann. Tsipras muss zuerst an sein Volk denken, sich darum sorgen, dass alle Essen haben. Dann kommt alles andere." Aus vielen Gesprächen mit griechischen Landsleuten kennt er deren Lage: "Seit Jahren leben sie mit den Folgen der Krise. Die Menschen organisieren sich und helfen sich aus. Die verschärfte Geldpolitik zurzeit hat die Lge nicht weiter verschlimmert." Selbst ein Austritt aus dem Euro käme in Betracht, so Malekas. "Die Griechen haben sich darauf vorbereitet und so hätte das Land die Chance auf einen Neuanfang."
Ein Neuanfang, den sich viele so sehr wünschen. Damit alle Menschen Griechenlands eine Perspektive in ihrer einzigartigen Heimat haben - dort, wo Millionen Deutsche ihren Urlaub genießen und die antiken Reste der Zivilisation Europas hautnah erleben können. "Die Griechen haben überall Freunde", stellt Malekas fest. Trotz der Krise und des Schuldenstreits.