Gefahr auf fränkischen Straßen: Raser am Pranger

4 Min
Foto: privat
Foto: privat

Zu schnelles Fahren und zu geringer Abstand: Das sind die Ursachen für die meisten schweren Unfälle außerhalb geschlossener Ortschaften. Die wenigsten dieser Verkehrsrowdies sind Fahranfänger, sondern auffallend oft "Profis" am Steuer - und die haben es eilig.

Es sind Einzelfälle, und die sind alles andere als repräsentativ, aber sie haben sich im Gedächtnis festgesetzt: Bei der Verkehrspolizei in Schweinfurt spricht man heute noch über den Raser, der vor zehn Jahren in eine Radar-"Falle" tappte:

Auf der B303 war er im 80er-Bereich mit 160 unterwegs, und das "Erinnerungsfoto" zeigte ihn auf den ersten Blick mit dem Handy am Ohr. Auf den zweiten Blick entpuppte sich das Handy als Rasierapparat.

Der Geschäftsmann war damals knapp dran und versuchte, die verlorene Zeit auf der Strecke zwischen Coburg und Schweinfurt mit dem Bleifuß wieder reinzuholen; und die Morgentoilette erledigte der Handlungsreisende auch gleich am Steuer, damals zum ersten Mal, wie er gegenüber der Verkehrsstreife beteuerte - und für längere Zeit auch letzten Mal, denn den Führerschein war er erst einmal los. "Wenigstens hat er mit der freien Hand nicht auch noch gefrühstückt", beweist man bei der Polizei die Fähigkeit zum (Galgen)humor ...

Derlei Einzelfälle sind zweierlei: zum einen die Spitze des Eisbergs, denn nur ein geringer Prozentsatz der Raser und vor allem auch der Drängler wird tatsächlich erwischt und zur Rechenschaft gezogen. Zum anderen ergibt der Blick auf diese Einzelfälle ein schiefes Bild, denn der allergrößte Teil der Autofahrer verhält sich im Straßenverkehr vernünftig, beachtet an die Regeln.


Ein schiefes Bild

Ein Beamter der Autobahnpolizei aus Unterfranken verweist auf das schiefe Bild, das bei der eigenen Beobachtung zwangsläufig entsteht: "Wenn Sie hundert Kilometer fahren und Ihnen nur ordentliche Fahrer begegnen, nehmen Sie das gar nicht wahr. Werden Sie auf der gleichen Strecke zufällig einmal geschnitten und dann noch einmal von hinten bedrängt, haben Sie das Gefühl, dass nur Idioten auf der Straße unterwegs sind."

Diesen Eindruck hatte auch einer unserer Leser, dem als Beifahrer ein rücksichtsloser Autofahrer vor die Linde der Handy-Kamera geriet. Dichtes Auffahren provozierte einige kritische Situationen. Der Fahrer, das ergab die Recherche dieser Zeitung, war ein Profi; Chauffeur bei einer Behörde. Mehr als peinlich und auch mit Zeitdruck nicht zu entschuldigen. "Die Verkehrsregeln gelten für alle", heißt es dazu von der Polizei. Die Fotos des Lesers alleine (die Bilderfolge) sind natürlich nicht beweiskräftig, aber eindrucksvoll genug, um die betroffenen Behörde dazu zu bringen, ihren Fahrern ans Herz zu legen, sich im Straßenverkehr regelgerecht und vorbildlich zu verhalten.


Raser und Schleicher

Objektiv oder subjektiv: Umfragen bestätigen, dass sich immer mehr Autofahrer durch andere bedrängt, gefährdet oder aber einfach nur genervt fühlen: Notorische Linksfahrer finden sich ebenso am oberen Ende der Nervensägen-Skala wie konsequente "Schleicher". Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Autofahrerclubs ADAC.

Und diese Umfrage liefert auch Indizien dafür, dass der Leser unserer Zeitung mit seiner Kamera nicht etwa zufällig einen Profi am Steuer erwischt hat, denn die Fahrer, die im Straßenverkehr häufigsten als Rüpel auffallen, sitzen meist am Steuer eines Mercedes, BMW oder Audi, Farbe schwarz, die klassischen Fahrzeuge in den Dienstwagenflotten.

Das Ergebnis des ADAC ist eindeutig: Rasen, drängeln und pöbeln begegnet über der Hälfte der Autofahrer danach auf der Autobahn. Dabei werden Fahrer von PS-starken Autos als besonders bedrohlich wahrgenommen. Vor allem durch dichtes Auffahren und Drängeln fallen den Befragten BMW (50,6 Prozent), Mercedes (32,2 Prozent), Audi (25,9 Prozent) und Porsche (8,7 Prozent) auf.

Für die Polizei ist diese Rechnung zu einfach. Die Erfahrung lehrt die Verkehrsfahnder, dass Vielfahrer nicht zwangsläufig auch Viel-Falschfahrer sind; die Wahrscheinlichkeit, wahrgenommen oder erwischt zu werden, ist bei ihnen einfach größer als beim "Sonntagsfahrer".


Drängler erwischt

Die Klage über Verkehrsrowdies verhallt natürlich trotzdem nicht ungehört. Vor einigen Wochen erwischte die Autobahnpolizei auf der A3 bei Kitzingen einen rücksichtslosen Fahrer, nachdem sich andere Verkehrsteilnehmer per Handy über ihn beschwert hatten. Nach einer Videoverfolgung stoppte die Streife den Drängler und Raser. Er fuhr einen schwarzen BMW.


Die häufigsten Unfallursachen

Vorfahrt Die Missachtung von Schildern, Ampeln oder der Rechts-vor-links-Regel ist die häufigste Ursache für Unfälle auf deutschen Straßen. Dabei kracht es meist innerorts, die Folgen sind meist weniger schlimm.

Tempo Mehr als ein Drittel aller Unfälle auf den Autobahnen ist auf überhöhtes Tempo zurück zu führen. Das kann auch bedeuten, dass bei nasser Fahrbahn mit - erlaubten - 130 km/h gefahren wird. Die Folgen solcher Unfälle sind meist gravierend.

Abstand Zu dichtes Auffahren folgt dicht auf als Unfallursache: Der Abstand ist als Bremsweg zu kurz, im schlimmsten Fall kommt es zur Massenkarambolage.



Ranking

Wo sollte man als Autofahrer besonders vorsichtig sein? Auch für die Sicherheit auf den Straßen gibt es, wie sollte es anders sein, Rankings.

Die Abendzeitung in München hat einen scheinbar objektiven Maßstab gewählt; die Einträge im Verkehrszentralregister. Danach ist Nürnberg eine der Städte mit den meisten Verkehrsrowdies in Bayern, während im Landkreis Lichtenfels überwiegend vorbildliche Autofahrer unterwegs sind.

Bei der Unfallstatistik der größeren Städte dagegen schneidet Nürnberg nicht schlecht ab, landet auf einem Mittelplatz; am häufigsten kracht es danach in Hannover, selten in Herne.

Mit Vorsicht zu genießen sind Portale wie "fahrerbewertung.de". Hier kann man andere Autofahrer mit Noten von 1 bis 6 bewerten. Glaubt man diesem Ranking, dann sind mit die besten Autofahrer im Landkreis Wunsiedel unterwegs; der Landkreis Unterallgäu hat hier die rote Laterne. Die meisten fränkischen Regionen fahren durchschnittlich gut/schlecht.



Kommentar: trügerische Sicherheit

Deutschlands Straßen sind so sicher wie nie zuvor; diesen Schluss kann man aus der regelmäßig veröffentlichten Unfallstatistik ziehen, die bei der Zahl der auf der Straße Getöteten und schwer Verletzten seit Jahren einen Abwärtstrend zeigt.

Der wichtigste Grund für diese sehr erfreuliche Entwicklung sind neben der Optimierung des Straßensystems etwa durch den Bau von Kreiseln, die gefährliche Kreuzungen entschärfen, die großen Fortschritte bei der Fahrzeugtechnik. In den 70er Jahren gab es eine heftige Kontroverse um die Gurtpflicht; viele Autofahrer beklagten die Bevormundung durch den Staat. Heute sind nicht nur Airbags selbstverständlich, sondern zahlreiche Assistenzsysteme, die dem Fahrer Entscheidungen abnehmen und kritische Situationen erst gar nicht entstehen lassen. Trotzdem: Noch so ausgeklügelte Technik kann dem Fahrer weder die Verantwortung abnehmen noch die Gesetze der Physik außer Kraft setzen.

Der erste Paragraf der Straßenverkehrsordnung ist der entscheidende und wird weder durch Regeln und Kontrollen noch durch Elektronik überflüssig: ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Das ist genau das Gegenteil vom Recht des Stärkeren, das immer noch viel zu viele deutsche Autofahrer für sich reklamieren.

Lade TED
 
Ted wird geladen, bitte warten...