Mit ihrem "Judith"-Abend in München zeigen die Regisseurin Katie Mitchell und die Dirigentin Oksana Lyniv, dass man Béla Bartóks "Blaubart"-Oper auch aus spezifisch weiblicher Sicht sehen und hören kann.
Frauen in der Oper: Das ist - bei aller Liebe - zumeist eine Leidensgeschichte, die zwar nicht nur, aber bevorzugt für die weiblichen Protagonisten tödlich ausgeht. Egal, ob sie von vornherein gern die Opferrolle angenommen haben oder seltener als Femme fatale zunächst noch die Männerwelt ein bisschen aufmischen dürfen.
Dass es auch anders geht, zeigt der beglückend feministische "Judith"-Abend an der Bayerischen Staatsoper, mit zwei Frauen als den Hauptverantwortlichen der Produktion.
Zweiteiliger Krimi
Männer müssen trotzdem keine Angst haben. Denn schließlich geht es in dem 1918 uraufgeführten, allein nicht abendfüllenden Einakter "Herzog Blaubarts Burg" von Béla Bartók, der hier erstmals in Kombination mit Bartóks Konzert für Orchester in fünf Sätzen von 1944 aufgeführt wird, um einen Serienmörder.
Es ist also vom Ansatz her kein Fehlgriff, wenn Regisseurin Katie Mitchell daraus einen zweiteiligen Krimi macht. Im ersten Teil wird Bartóks Konzertmusik von einem Film aus dem nächtlichen London begleitet (Filmregie: Grant Gee), der die Vorgeschichte der hier kühn uminterpretierten Opernhandlung zeigt und später belegt, dass das reale Musiktheater dem doch eindimensionalen Medium Film überlegen ist.
Der blaublütige Blaubart, für den es historische Vorbilder gab und der seit Ende des 17. Jahrhundert als Märchen- und Kunstfigur sein Unwesen treibt, ist bei Mitchell ein ganz heutiger Psychopath. Und zwar einer, der reich genug ist, um sich seine Opfer von einem Helfershelfer in sein hermetisch abgeschlossenes Refugium zuführen zu lassen. Der Film zeigt, wie eine der Entführungen abläuft, und führt dann Kriminalbeamtin Anna Barlow (Nina Stemme) auf der Suche nach drei vermissten Frauen vor. Sie wird bei "Senior Queens" fündig, einem Escort-Service mit älteren Frauen, gibt sich die passende Identität und bekommt als Judith von einem Mann, der sich Blaubart nennt, den Auftrag. Als dessen Chauffeur die Undercover-Kommissarin in die Garage fährt, beginnt nahtlos die Opernhandlung.
Eine mutige Frau
Bühnenbildner Alex Eales hat eine klaustrophobische Zimmerflucht entworfen, die sich den Stationen mit den sieben Türen entsprechend im Zeitlupentempo von rechts nach links schiebt.
Von der Garage geht es erst in die Überwachungszentrale, die Folterkammer ist ein Operationssaal, die Schatzkammer ein Tresorraum und so weiter. In ihren fahlen Farben haben alle Zimmer schon bessere Zeiten gesehen - war nicht schon der Zielort im Film ein verlassener Bürokomplex vor dem Abbruch?