Elser - ein bedrückender, aber unbedingt sehenswerter Film

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Christian Friedel spielt Georg Elser, den lange verkannten und verleumdeten Hitler-Attentäter. Foto: NFP
Christian Friedel spielt Georg Elser, den lange verkannten und verleumdeten Hitler-Attentäter.  Foto: NFP

Oliver Hirschbiegel ist mit seinem Elser-Film das bedrückende Porträt eines Landes gelungen, in dem provinzielle Beschaulichkeit in die Barbarei abgleitet. Überragende Hauptdarsteller trösten auch über manche Fragwürdigkeit.

Zu Beginn vermisst ein schwer atmender junger Mann mit der Taschenlampe zwischen den Zähnen eine Säule. Wir sehen die Nazi-Kamarilla im Münchner Bürgerbräukeller am 8. November 1939, wir hören Hitler reden. Ihm wird ein Zettel zugeschoben; er muss früher als geplant den Saal verlassen. Das wird ihm das Leben retten. 13 Minuten später detoniert die von Georg Elser konstruierte Bombe, die den Diktator vermutlich getötet hätte.
1989 hatte Klaus-Maria Brandauer sich in einem durchaus unverächtlichen Film des lange missachteten und verfemten Attentäters angenommen, der auf Anordnung Hitlers wenige Tage vor Kriegsende im KZ Dachau ermordet worden war. Warum also die Neuverfilmung durch Oliver Hirschbiegel, der mit seinem überaus fragwürdigen "Untergang" einen menschelnden Führer gezeigt hatte?

Der Regisseur beruft sich auf neue Erkenntnisse der Historiker, und er macht diesmal (fast) alles richtig. In Rückblenden wird die Vorgeschichte des Anschlags vom November 1939 erzählt, und das Drehbuch des Routiniers Fred Breinersdorfer und seiner Tochter Leonie-Claire hält sich recht eng an die historischen Fakten. Fiktionale Elemente kommen insbesondere ins Spiel, wenn die Beziehung des Elser, der bei Frauen gut ankam, zu seiner Geliebten, der mit einem brutalen Säufer verheirateten Elsa, geschildert wird.

Naturgemäß muss in einem historischen Spielfilm Fantasie die Fakten ergänzen. Vielleicht etwas zu holzschnittartig werden Nazis und Kommunisten in einem schwäbischen Kaff am Vorabend des Zweiten Weltkriegs gezeichnet, und dass statt der realen Nazi-Schergen Heinrich "Gestapo"-Müller und der Leiter des Reichskriminalpolizeiamts Arthur Nebe die Verhöre leiten, kann kritisiert werden. Zumal Nebe, ein nazistischer Schwerstverbrecher, der zuletzt Verbindungen zum 20. Juli knüpfte, noch als menschlicher Polizist aufscheint.

Dennoch: Hirschbiegel gelingt ein bedrückendes Porträt der schwäbischen Provinz in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Es sind gerade die kleinen Leute, die wegschauen, die nichts wissen wollen oder gleich zu den Nationalsozialisten überlaufen. Ein Verdienst des Films ist auch, die materielle Not der Arbeiter und Kleinbürger zu thematisieren, die buchstäblich ums Überleben kämpfen. Ein überragender Elser-Darsteller, der Theater-Star Christian Friedel, macht den Wandel des klassenbewussten Arbeiters und habituellen Luftikus zum entschlossenen Tyrannenmörder plausibel. Katharina Schüttler spielt seine Geliebte Elsa mit naiver Sinnlichkeit. Burghart Klaußner als Arthur Nebe und Johann von Bülow als Gestapo-Müller geben beklemmend die Nazi-Bürokraten - Nebes Hinrichtung in Plötzensee wird bedrückend, doch ohne jeden Voyeurismus gezeigt.

Am erschütterndsten sind die - nach den Verhörprotokollen authentisch gezeigten - Folterszenen. Eine Sekretärin zieht sich auf den Flur zurück und liest, während die Schreie des gequälten Elser aus dem Verhörzimmer dringen. Später freilich wird sie ihm ein Foto seiner Geliebten zustecken. Der Film bemüht sich eben, Schwarzweißzeichnung zu vermeiden, so wie er Hinweise auf den Holocaust oder die Euthanasie einbaut.

Bis zuletzt mochte man dem schwäbischen Tüftler nicht abnehmen, dass er die Bombe allein konstruiert hatte. Seine Nähe zu den Kommunisten, die Konzentration auf die Attentäter des 20. Juli verhinderten lange eine angemessene Würdigung Georg Elsers, der kein Heiliger, sondern ein ganz normaler Mensch war, wie dieser Film klarmacht. Er ist mit ruhigen Einstellungen gedreht, ohne jeden Klamauk und ohne Sensationshascherei, für ein sehr großes Publikum geeignet. Ein verdienstvoller Film, der zur weiteren Rehabilitation des Georg Elser beitragen möge.