Die Aggressionen nicht im Griff

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Zahlreiche Delikte bringen einen 38-jährigen Schreinergesellen nun für 15 Monate hinter Gittern.

Nein, eine Bewährung kam für Amtsrichterin Christine Schäl nach der Vorgeschichte des Angeklagten aus dem Landkreis Bamberg nicht mehr in Betracht. Der Mann muss wegen zahlreicher Delikte für 15 Monate ins Gefängnis.

Für seine Taten hatte der Angeklagte, der sich zuletzt als Staplerfahrer finanziell über Wasser gehalten hatte, einige originelle Ausreden parat. "Die Wahrheit ist eben oft skurril", kommentierte Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Jochen Kaller (Bamberg).

Als sein Mandant vom Koch eines Hotels in der Bamberger Innenstadt dabei überrascht wurde, wie er mit der Winterjacke eines 14-jährigen Gastes umherlief, beteuerte dieser, sich diese nur ausgeliehen zu haben, um draußen "eine zu rauchen". Die herbeigerufene Polizeistreife entdeckte allerdings gleich drei übereinander angezogene Jacken. Als aus einer Hotel-Tiefgarage der Drahtesel eines Mitarbeiters abhanden kam, fand die Polizei das gute Stück beim Angeklagten. Der meinte, er hätte es mit dem Zweirad eines Kumpels "verwechselt". Nicht nur Staatsanwältin Katja Erlwein mochte derlei Geschichten nicht glauben.


Lapidare Aussagen

Einige Straftaten räumte der teilgeständige Angeklagte aber auch unumwunden ein: So hatte er sich im Winter in einer Bamberger Apotheke eine Flasche Hustensaft geschnappt. "Ich hatte Husten." Gleich mehrfach hatte der Angeklagte außerdem in Cafés und Restaurants gegessen und getrunken, ohne die Zeche zu zahlen. Er habe einfach Hunger gehabt, so die lapidare Aussage. Zuvor hatte er jedoch behauptet, die Rezeptionistin habe ihm den Gang zum Buffet erlaubt. Zudem erbeutete er in einem Hotel ein Handy, angeblich um seine Ex-Freundin anzurufen. Seines hätte im Fundbüro gelegen, und die fünf Euro zur Auslösung hätte er nicht gehabt. Dann fand ein Smartphone, das er im Berufsförderungszentrum erblickt hatte, den Weg in seine Tasche.

Für Amtsrichterin Schäl war der Angeklagte kein Unbekannter mehr. Seit 1998 hatte er acht Vorstrafen wegen Diebstahls, räuberischen Diebstahls, Hehlerei, Hausfriedensbruchs, Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung und gefährlicher Körperverletzung angehäuft.

Dabei kam der Angeklagte noch glimpflich davon, weil vier Anklagepunkte eingestellt wurden. Darunter drei Diebstähle, bei denen die rechtmäßigen Eigentümer eines Fahrrades und zweier Mobiltelefone nicht festgestellt werden konnten. Auch der Vorfall Anfang Dezember, als der Angeklagte mit über einem Promille Blutalkohol über eine rote Ampel und einer Polizeistreife direkt in die Arme radelte, fiel der "juristischen Flurbereinigung" zum Opfer. Es konnte nicht nachgewiesen werden, ob er wegen vorsätzlicher Trunkenheit oder "des Ausdrucks großer Vorfreude" auf den Sieg des FC Bayern München in der Champions League in Schlangenlinien im Bereich Markusplatz auffällig geworden war. Es blieben aber noch fünf Diebstähle, sechs Betrügereien, eine Beleidigung und eine Bedrohung übrig. Zudem wird er wohl eine zweijährige Haft antreten müssen, da er die ihm nachgewiesenen Straftaten innerhalb der Bewährungszeit eines Urteils des Amtsgerichtes Nürnberg verübt hatte.


Busfahrer bedroht

Zudem hatte sich der Angeklagte zwei Busfahrer ausgesucht, die beide die Stadtlinie 910 zum Klinikum am Michelsberg fuhren. Den einen beschimpfte er, als "Arschloch, das nicht busfahren kann", weil sein Trolley im Wageninneren umgefallen war. Es folgte der Satz: "Guck nicht so blöd, Du Hurensohn! Geh lieber heim und fick dei Mama." Auf der Rückfahrt stand der Angeklagte auf der Straße, zwang den Bus so zum Halten, um dann gegen die Front- und Seitenscheibe zu hämmern und zu spucken. Der 62-jährige Busfahrer war von einem Vorfall zwei Wochen zuvor, als ein Kollege hinter dem Steuer krankenhausreif geschlagen worden war, noch so angeschlagen, dass er mit psychischen Problemen zwei Tage ausfiel.

Nur zwei Stunden nach dem ersten Ausfall kam der 61-jährige Kollege am Zentralen Omnibusbahnhof dran. Dort schrie der Angeklagte den Busfahrer grundlos an, ob er ihm "ein paar in die Fresse" hauen solle - oder ihn "gleich kaltmachen". Etwas derartig Aggressives habe er auch nach 34 Jahren im Dienst noch nicht erlebt, so der Wagenlenker im Zeugenstand. "Er baute sich auf wie ein wilder Stier. Da ging mir schon die Düse."

Nach der Freiheitsstrafe wartet eine 14-monatige Soziotherapie auf den Angeklagten, damit er einerseits sein Suchtproblem in den Griff bekommt. Neben Alkohol hatte er Haschisch, Crystal Meth, Speed, LSD und psychoaktive Pilze konsumiert. Andererseits aber auch, um seine durch Drogen erzeugte Persönlichkeitsstörung zu behandeln, die für seine extremen Stimmungsschwankungen und damit auch seine Aggressionen verantwortlich scheint.