Chefarzt-Prozess: Tumult im Gerichtssaal

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Guter Dinge betritt der Angeklagte Dr. W. den Gerichtssaal. Hinter ihm Jürgen Scholl, Anwalt einer Nebenklägerin. Foto: Peter Groscurth
Guter Dinge betritt der Angeklagte Dr. W. den Gerichtssaal. Hinter ihm Jürgen Scholl, Anwalt einer Nebenklägerin.  Foto: Peter Groscurth

Der Anwalt von Heinz W. und Nebenkläger-Verteidiger liefern sich in der Verhandlung ein erbittertes Wortgefecht, an dessen Ende eine Strafanzeige wegen Bedrohung steht.

Der 17. Tag des Missbrauchs-Prozesses stand ganz im Zeichen eines lautstarken Eklats, an dessen Ende es sogar einen Strafantrag wegen Bedrohung gegeben hat. Im Mittelpunkt des Konflikts standen Klaus Bernsmann, Verteidiger von Ex-Chefarzt Heinz W., sowie Jürgen Scholl, der Anwalt einer Nebenklägerin. Der polterte in der Verhandlung gegen Bernsmann los, erklärte in dessen Richtung: "Ich werde es aber noch schaffen, Sie abzustellen." Die Folge: Eine Strafanzeige wurde gestellt und bald werden sich wohl Staatsanwälte mit diesem Vorfall beschäftigen. Richter Manfred Schmidt beendete das Wortgefecht ganz rustikal mit einem Schlag auf den Tisch und appellierte eindringlich, die Form vor Gericht zu wahren.

Zunächst war jedoch Georg A. Pistorius, der ärztliche Direktor am Klinikum Bamberg, vernommen worden, der auch Vorgesetzter des Angeklagten war.
Er schilderte die Vorgänge rund um die Ermittlungen gegen Heinz W., dem die Staatsanwaltschaft Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und gefährliche Körperverletzung vorwirft. Er soll im Klinikum Patientinnen ruhiggestellt und sich an ihnen vergangen haben. Diese Praktiken habe er gefilmt und fotografiert. Der Gefäßchirurg beteuerte bei seinen Aussagen stets, aus rein medizinischen Gründen gehandelt zu haben. Eine sexuelle Motivation weist er bis heute zurück. Im Falle einer Verurteilung drohen dem Mediziner bis zu 15 Jahre Haft.

Ampullen verwechselt

Sein früherer Vorgesetzter Pistorius habe laut eigenen Schilderungen erst am 18. August 2014 durch Heinz W. selbst von den polizeilichen Ermittlungen erfahren. An diesem Tag erhielt er vom Chefarzt für Gefäßchirurgie diese Information. "Er sagte mir, er habe bei einer Venen-Untersuchung an einer Studentin die Ampullen verwechselt und ein falsches Medikament verabreicht. Ich antwortete ihm damals, das ließe sich klären", so der ärztliche Direktor vor der Zweiten Strafkammer am Landgericht Bamberg. Anzeigen gegen Ärzte kämen am Klinikum nicht oft vor und seien daher sehr gravierend.

Im weiteren führte Pistorius aus, dass Heinz W. als Chefarzt an insgesamt fünf Studien mitgearbeitet und dies auch der Studien-Zentrale der Sozialstiftung angemeldet hätte. "Diese Regularien werden streng beachtet", erklärte Pistorius. Unter all diesen Studien sei aber keine gewesen, die einer neuartigen Behandlung von Beckenvenen-Thrombosen gedient habe. Heinz W. hatte zuvor immer betont, Untersuchungen an Patientinnen für eine solche Studie gemacht zu haben.

Der ärztliche Direktor sprach auch davon, dass es für Mediziner unerlässlich sei, ihre Patienten darüber aufzuklären, wenn sie neuartige Behandlungsformen anwenden würden. "Außerdem muss das zusätzlich laut Dienstvertrag dem Krankenhaus gemeldet werden."

Laut eigenen Aussagen experimentierte der Angeklagte darüber hinaus mit dem Einsatz von sogenannten Butt-Plugs an Patienten. Bei diesen Geräten handelte es sich jedoch um Sexspielzeug, das nur über einschlägige Erotik-Händler vertrieben werde. Solche Instrumente seien völlig unnötig, so Pistorius auf die Nachfrage des Gerichts. "Denn es gibt medizinische Geräte, die Analdehner genannt werden und die sogar über das Hilfsmittelgesetz abgerechnet werden können. Solche Analdehner werden aber nur von den Patienten selbst verwendet und nicht von Medizinern", stellte Pistorius fest. Ärzte würden vorher die Anwendung nur mündlich erklären.

Neue Operationsmethoden in Bamberg etabliert

Seinen Kollegen Heinz W. schilderte er im Anschluss als einen Mediziner, der ein "vorantreibendes Naturell" und auch neue Operationsmethoden in Bamberg etabliert habe. In diesem Zusammenhang nannte er das Einbringen von Gefäßprothesen durch die Leiste. Derartige Eingriffe hätten aber seit der Verhaftung des früheren Chefarztes rapide abgenommen. "Die Patienten meiden seitdem die Bamberger Gefäßchirurgie", brachte es Pistorius auf den Punkt.

Nach dessen Vernehmung trat der Vater eines der mutmaßlichen Opfer in den Zeugenstand. Dessen Tochter, eine Medizin-Studentin und Praktikantin, hatte Heinz W. am 28. Juli 2014 untersucht und gefilmt. Danach habe sich die junge Frau seltsam gefühlt und wollte eine Blutprobe machen lassen. Am Krankenhaus Forchheim wurde das abgelehnt. Daher habe ihr Vater - selbst Internist und Hausarzt - dies auf einem Parkplatz in Zapfendorf durchgeführt. Gegen 23.45 Uhr am selben Tag. "Ich habe verschiedene Röhrchen mit Blut abgefüllt", schilderte der Vater. Einen Teil habe er an ein Labor geschickt und andere Serum-Proben an die Rechtsmedizin nach Erlangen durch seine Frau fahren lassen. Je nach Einrichtung seien als Werte dabei zwischen 27 und 44 Nanogramm vom Beruhigungsmittel Midazolam gefunden worden. Einem Medikament, das auch zur Sedierung von Patienten während Untersuchungen diene. Allerdings habe Heinz W. gegenüber der jungen Frau nie von einer Verabreichung des Mittels gesprochen. "Ich war schockiert, als ich von den Werten hörte", sagte der Vater.

Doping-Experte: "Mit solchen Proben kann ich gar nichts anfangen"

Der Pharmakologe Fritz Sörgel aus der Nähe von Nürnberg - ein anerkannter Experte auf dem Gebiet des Dopings - bewertete die Entnahme dieser Blutprobe und deren Auswertung dagegen äußerst kritisch. "Mit keinem Wort ist erwähnt, nach welchen Methoden genau diese Proben in den Laboren und der Rechtsmedizin ausgewertet worden sind", bemerkte Sörgel. Zudem könne nicht komplett ausgeschlossen werden, dass das Blut des mutmaßlichen Opfers während der Aufbewahrung in der Praxis des Vaters manipuliert worden sein könnte. "Mit solchen Proben kann ich gar nichts anfangen. Sie dürfen keinen Moment unbeaufsichtigt sein", meinte Sörgel. Richter Schmidt gab zu Bedenken, dass die Blutprobe nicht das einzige Indiz in der Miss brauchs anklage sei: "Es gibt ja auch noch außerhalb dieser Probe Beweismittel - wie etwa das Video der Untersuchung."

Außerdem wollte selbst der international bekannte Experte nicht völlig ausschließen, dass der Angeklagte dem mutmaßlichen Opfer Midazolam verabreicht haben könnte. Sörgel gab an, dass diese Frage nur ein "zusätzliches, wissenschaftlich exaktes Gutachten" klären könne. Dessen Erstellung dauere mehrere Monate, ergänzte der Pharmakologe.

Ein Ende des Prozesses rückt damit weiter in die Ferne. Auch nicht absehbar ist zudem, dass die Untersuchungshaft von Heinz W. bald enden wird. Ein weiterer Antrag auf Haftprüfung läuft zwar, doch mit einer Entlassung des früheren Chefarztes rechnen nur wenige Prozessbeteiligte. Zu groß sei die weiter hohe Fluchtgefahr - schon aufgrund der langen Freiheitsstrafe im Falle der Verurteilung.