Brennpunkt Gereuth in Bamberg: Dealer streckte Crystal mit Badesalz

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Der Stadtteil Gereuth war nach Aussagen von Anwohnern ein Brennpunkt, was Drogengeschäfte betrifft. Foto: Ronald Rinklef
Der Stadtteil Gereuth war nach Aussagen von Anwohnern ein Brennpunkt, was Drogengeschäfte betrifft. Foto: Ronald Rinklef
 

Ein Frührentner beteiligte sich am offensichtlich schwunghaften Handel mit Crystal Meth im Stadtteil Gereuth. Jetzt wurde er zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Drogenhandel auf der Straße, zwielichtige Gestalten, die offen und ungeniert Joints rauchen oder Crystal Meth schnupfen - alles am Tage, ganz offen und für jeden sichtbar. Bittere Realität in vielen deutschen Metropolen. Doch nicht nur dort. Denn auch Bamberg hat solche Brennpunkte, wo die Armut spürbar ist und die Bewohner ihre Hoffnungslosigkeit zudröhnen.

Glaubt man Anwohnern, waren solche Zustände in der Gereuthstraße wohl auch keine Ausnahme. Eine Frau erzählt: "Diese Szene bekam jeder mit, alle im Viertel sahen aber weg. Aber keiner hat etwas dagegen getan." Auch der Enkel der Bambergerin rutschte ab in den Sumpf aus Drogen, schweren Rauschzuständen und Beschaffungskriminalität. Und er war Kunde eines Mannes, dem jetzt vor dem Landgericht Bamberg der Prozess wegen des Besitzes und des Handels mit Methamphetaminen (dem sogenannten Crystal Meth) gemacht wurde.

Vom Krebs gezeichnet

Ralf K. (53) sitzt vor Richter Manfred Schmidt, gezeichnet im Gesicht von einer schweren Krebserkrankung. Nur mühsam kann er sprechen und sich zu den Anschuldigungen äußern. Der gelernte Zimmermann ist Frührentner und rutschte allmählich immer mehr ab. "Ich nahm Crystal, weil so meine Schmerzen erträglicher wurden und ich mich seelisch besser fühlte aufgrund meiner Erkrankung", erklärt er mit undeutlicher Stimme. Seine Frührente beträgt 497 Euro, dazu kam noch Grundsicherung vom Staat, denn alleine die Miete für seine Vier-Zimmer-Wohnung kostete 454 Euro.

Die Drogen bekam der Angeklagte, der auch Waffen besaß, von einem Nachbarn, dessen Sohn er kannte. Immer wieder habe er von beiden Crystal gekauft. Das Gramm - je nach Menge - war rund 100 Euro teuer. "Weil ich die Drogen selbst nahm und nicht genügend Geld besaß, habe ich das Crystal mit Badesalz gestreckt", führt er aus. So wurden aus sieben Gramm Crystal dann zehn Gramm. Den Stoff, den er selbst nicht konsumierte, verkaufte er an andere weiter.

16 bis 17 Abnehmer habe er laut eigenen Angaben gehabt, die Drogengeschäfte seien in der Wohnung von Ralf K. abgewickelt worden. Aber nicht all seine Kunden seien zufrieden gewesen, daher habe er das Crystal weniger gestreckt, versetzte nur noch zwei Teile Badesalz mit acht Teilen Drogengrundstoff, räumt der Drogen-Händler ein. "Damit die Reklamationen aufhören."

0,5 Gramm habe Ralf K. pro Tag selbst genommen. Insgesamt schätzt er, dass er von Juli bis November 2014 etwa 80 Gramm Rauschgift umgesetzt habe - zum Eigenverbrauch sowie zum Weiterverkauf.

Sturm auf die Wohnung

Dann kam der 18. November vergangenen Jahres. An diesem Tag stürmten schwer bewaffnete Beamte eines Unterstützungskommandos die völlig verwahrloste und vermüllte Wohnung von Ralf K. Und zwar während er gerade Stoff an einen Bekannten dealte. In den Zimmern stellten die Ermittler 8,76 Gramm Methamphetamine sicher, zudem fanden sie 6695 Euro an Bargeld, zwei Schreckschuss-Pistolen, einen Revolver mit aufgebohrtem Lauf sowie einen Wurfstern und ein Messer.

Ralf K. war jedoch nicht der einzige Bewohner aus der Gereuth, der an diesem Datum Besuch von der Polizei hatte. Auch sein wichtigster Lieferant, Nachbar Klaus B. aus einem Nebenhaus, wurde verhaftet. Er hatte sogar 600 Gramm Stoff in seinen vier Wänden gelagert. Auf der Straße hat diese Menge einen Wert von stolzen 60 000 Euro!

In Fußketten schlurft der Crystal-Händler Klaus B. in den Gerichtssaal. Heute sagt er als Zeuge aus, demnächst muss er auf der Anklagebank Platz nehmen. Die Schilderungen des Zwischenhändlers erlauben einen tiefen Blick in das schmutzige, aber sehr lukrative Geschäft mit Drogen. Immer wieder fuhr Klaus B. mit Reisebussen oder Zügen von Bamberg aus nach Tschechien. Gleich hinter der Grenze kaufte er Crystal Meth. "Das Gramm kostete in Tschechien 25 Euro, zu Hause in Bamberg habe ich es für 100 Euro weiterverkauft", schildert er. Er schätzt, dass er insgesamt etwa drei Kilogramm der Drogen nach Bamberg geschmuggelt habe. Und wo hat er verkauft? "Im Keller, in meiner Wohnung und an meinem Gartentürla", erzählt der Crystal-Händler ohne große Umschweife. Er behauptet sogar: "Halb Gereuth war bei mir und jeder wusste es." Doch Klaus B. hat auch enorme Erinnerungslücken und muss sich häufig vor Gericht korrigieren, wenn es darum geht, wann er wie viele Drogen an seinen Nachbarn Ralf K. verkauft haben will. Der Zwischenhändler war selbst lange harter Konsument von "Kristall", wie er die Droge in breitestem oberfränkisch oft nennt. Zwei bis fünf Gramm habe er täglich geraucht oder geschnupft. "Ich musste dann Hasch rauchen und Heroin nehmen, damit ich vom Kristall runterkam", gesteht er unumwunden.

Angeblich im Casino gewonnen

Allerdings konnte auch Klaus B. nicht beantworten, woher Ralf K. das Geld für seine Drogenkäufe hatte. Die Version des Frührentners: "Ich habe insgesamt 8000 Euro im Spielcasino gewonnen und so auch den Crystalkauf finanziert." Sogar einen Stoffbeutel mit vier Gramm Rauschgift darin will er nachts auf der Gereuthstraße gefunden haben. "Das lag dort einfach so herum", sagt der Angeklagte.

Im weiteren Verlauf des Prozesses schlägt Richter Schmidt schließlich eine Verständigung vor. Es sollen nur noch insgesamt 15 Fälle von Drogenbesitz und Verkauf, in einem Fall in Verbindung mit unerlaubten Besitz einer Waffe angeklagt werden. Dem stimmten Staatsanwalt sowie der Angeklagte samt dessen Verteidiger Jochen Kaller zu. Ralf K. wurde schließlich zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt, zusätzlich wurde eine Drogenentziehung in einer geschlossenen Einrichtung angeordnet. Es bleibt mit Sicherheit nicht das einzige Urteil rund um die frühere Szene in der Gereuthstraße.

Die frühere Anwohnerin ist skeptisch, ob die Ermittlungen der Polizei dauerhaft Früchte getragen haben: "Es ist zwar ruhiger geworden, aber die Junkies holen sich ihren Stoff nun woanders." Ein Ermittler bestätigt diese Vermutung: "Häufig entsteht ein Verdrängungsmarkt, die Kunden weichen auf andere Standorte aus." Ernst sieht die Frau im Gericht auf den Angeklagten und sagt mit bebender Stimme: "Er hat meinem Enkel das Teufelszeug besorgt." Durch den Drogenkonsum habe der junge Mann Psychosen bekommen, soll einen Bekannten mit einem Messer attackiert haben. "Jetzt wird er stationär in einer Klinik behandelt. Mein Enkel ist noch weit von einem normalen Leben entfernt", meint die Großmutter. Ein normales Leben? Das ist auch den Menschen in der Gereuthstraße zu wünschen, ohne Crystal und miese Dealer, die mit der Sucht Geschäfte machen.


Bezeichnung Crystal Meth ist die Kurzform für das englische "Crystal Methamphtamine". Dabei handelt es sich um eine weiße, kristalline Droge, die geschnieft, geraucht oder gespritzt wird.

Folgen Die Konsumenten haben zunächst ein Hochgefühl, sind hyperaktiv und voller Energie. Doch rasch greift das Gift die Gesundheit der Konsumenten an, führt zu Gedächtnisverlust, Herz- und Hirnschäden.

Kriegsdroge Massenhaft nutzten die Nazis die Wirkung dieser Substanz, gaben es als Medikament "Pervitin" während des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) an die kämpfende Truppe aus.

Strafverfolgung Für die Polizei ist der Kampf gegen diese Droge enorm schwer. Oftmals schnappen Ermittler zwar Dealer, doch dabei handelt es sich zumeist nur um kleine Zwischenhändler. Vor allem Rockergruppen wie die Hells Angels stehen in Verdacht, aus dem Hintergrund heraus den Markt mit Crystal Meth zu kontrollieren.