In Paris streiten sich die Regierungschefs um die richtigen Formulierungen zum Klimawandel. Der Freistaat bereitet sich längst auf ein neues Zeitalter vor: Zwischen Rhön und Alpen wird es heißer, trockener, extremer.
Am Dienstag reist Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) zum Weltklimagipfel nach Paris. Ob sie dort etwas ausrichten kann, ist fraglich, denn die Regierungschefs verlieren sich wieder einmal im Klein-Klein der Formulierungen. Während Frau Scharf in Bayern längst den Schwerpunkt darauf legen muss, die Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen.
Auch vom Zwei-Grad-Ziel, das in Paris so etwas wie der Heilige Gral zur Rettung des Weltklimas ist, hat sich Bayern längst verabschiedet: Der erste Klima-Report für den Freistaat, den Scharf am Montag vorgestellt hat, weist bis zum Ende des Jahrhundert einen Anstieg der Durchschnittstemperatur von vier Grad aus - damit ändert sich das Klima in Bayern schneller und drastischer als global und im Bundesdurchschnitt. "Die Folgen werden dramatisch sein", sagte die Umweltministerin am Montag in München.
200 Seiten Prognosen
Was vier Grad mehr bedeuten können, kann selbst der 200 Seiten starke Klima-Report nur anreißen: 2015 war in Bayern das wärmste Jahr seit Beginn der regelmäßigen Messungen Ende des 19. Jahrhunderts. Zweimal knackte Kitzingen den bundesweiten Temperaturrekord. Die anhaltende Trockenheit sorgte für Probleme. Dabei liegt die Durchschnittstemperatur in Bayern aktuell nur um 1,4 Grad über dem Niveau von 1900.
Vier Grad mehr bis zum Jahr 2100 werden die Jahreszeiten komplett verändern. Winter mit Schnee und Eis wird es in vielen Regionen nur noch in Ausnahmefällen geben. Das Wetter, das jetzt auf 1000 Metern Höhe herrscht, wandert auf 2000 Meter. Das dürfte das Aus für den klassischen Wintersport in den meisten bayerischen Fremdenverkehrsregionen bedeuten.
Das Frühjahr beginnt früher, der Herbst bleibt länger sommerlich. Das ist erst einmal eine gute Entwicklung für die Landwirtschaft, gerade auch für den Weinbau in Franken, denn die Vegetationsperiode wird künftig länger dauern, Ernteausfälle durch Spätfröste dürfte es kaum noch geben. Auf der anderen Seite macht den Forschern, die das Umweltministerium mit der Erstellung des Klima-Reports beauftragt hatte, die mit der Erwärmung einher gehende Veränderung bei den Niederschlägen Sorgen: Mit den Temperaturen im Sommer wird es immer trockener, während die Nässe im Winter zunimmt - je nach Szenario um bis zu 75 Prozent. Das kann regional das Hochwasserrisiko drastisch verschärfen.
"Klimasicherer Freistaat"
Bayern hält sich nach Scharfs Worten nicht mehr mit der Ursachenforschung auf: "Der Klimawandel in Bayern ist Fakt. Ein weiterer ungebremster Klimawandel wird das Gesicht des Freistaats verändern." Der Anpassung an die Folgen des Klimawandels kommt nach den Worten der Umweltministerin eine entscheidende Bedeutung zu. "Wir wollen Bayern klimasicher machen. Das wird ein gemeinsames Großprojekt: Vom Waldumbau bis zum Hochwasserschutz, vom Städtebau bis zum Tourismus", sagt Scharf.
Gerade beim letzten Punkt ist die bayerische Umweltministerin Expertin: Ihr gehört ein Reisebüro in Erding. Aktuell stehen Reiseziele im Nahen Osten im Angebot. Treffen die Prognosen zu, ist der Nahe Osten Bayern 2100 wirklich nicht mehr fern.
Der Klima-Report wurde vom Umweltministerium mit dem Deutschen Wetterdienst, dem Landesamt für Umwelt und der Umweltstation Schneefernerhaus erstellt.
Klimwandel in Franken
Der Winzer im Steigerwald hat seinen Sinn für Humor nicht verloren: "Dann lesen wir halt eines schönen Tages schon Mitte August und nennen es Glühwein." Tatsächlich sind die fränkischen Winzer wohl die, die über den Klimawandel noch am ehesten lachen können. Die Weinrebe stammt ja aus dem Mittelmeerraum und dürfte sich umso wohler fühlen, je wärmer es in Franken wird.
Und es wird sehr warm. Der bayerische Klima-Report, den Umweltministerin Ulrike Scharf vorgestellt hat, zeichnet ein dramatisches Bild. In Bayern wird es bis zum Jahrhundertende im Jahresdurchschnitt um bis zu vier Grad wärmer; der Klimawandel vollzieht sich damit im Freistaat schneller und drastischer als in anderen Regionen; und in einigen Gebieten Frankens könnte die Erwärmung mit einem Plus von bis zu sechs Grad sogar noch heftiger ausfallen.
Wann fällt der Rekord?
Damit ist es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste "Jahrhundertsommer" (nach 2003) Geschichte schreibt; und wann Kitzingen seinen Allzeitrekord bei der deutschen Höchsttemperatur wieder abgeben muss, der heuer in Unterfranken gleich zweimal mit 40,3 Grad erreicht wurde. Zugleich zeigt das in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Wetterjahr 2015 gerade auch in Unterfranken, welche Probleme der Klimawandel verursacht: Die monatelange Trockenheit ließ Grundwasserstände und Flusspegel bedenklich sinken.
Die Weinbauern passen sich an: Immer mehr Rebanlagen in Unterfranken werden künstlich bewässert, neue Sorten ergänzen das klassische Sortiment. Luft nach oben haben die fränkischen Winzer noch: Da die klassischen Süd-Steillagen verstärkt dem Hitze- und Trockenstress ausgesetzt sind, wandern die Rebstöcke bei Neuanlagen in weniger "ideale" Regionen. In Handthal im Steigerwald befinden sich die am höchsten gelegenen fränkischen Weinberge. Hier erprobt die Landesanstalt für Weinbau in Veitshöchheim neue Sorten und innovative Anbaumethoden. "Glühwein" ist da allerdings nicht im Programm...
Der Wald im Wandel
Nicht nur der Wein ist ein (Sorgen-)Kind des Klimawandels. Auch da, wo kein Wein wächst, schaut man mit Sorge auf das Thermometer und in den Regenmesser. In Mittelfranken findet man einige der Wetterstationen, die die geringsten Niederschlagsmengen in Bayern messen. Der Grundwasserpegel Nürnberg-Kaiserburg meldete sogar am gestrigen Montag einen neuen Niedrigstwert. Der Brombachsee hat nach der langen Trockenperiode nach wie vor einen niedrigen Pegel.
Zu den ersten Opfern des Klimawandels in Mittelfranken könnten die Fichten gehören. Dieser schnell wachsende Nadelbaum galt Generationen von Forstleuten als erste Wahl. Heute machen Hitze, Trockenheit, der Borkenkäfer und die gehäuft auftretenden Stürme den Bäumen den Garaus. Der Nürnberger Reichswald wird sein Gesicht verändern. Hier legte Peter Stromer im 14. Jahrhundert die Grundlagen für die planmäßige Forstwirtschaft - auch damals eine Folge des Klimawandels.
Wärmer und älter
In Oberfranken wird sich der Klimawandel nicht nur durch sinkende Flusspegel bemerkbar machen. Ohne die Überleitung von Donauwasser säße man heute an Regnitz und Main auf dem Trockenen. Dramatisch werden die Veränderungen in den Fremdenverkehrsregionen sein. Der Wintersport im Fichtelgebirge wird vor allem auf Mountainbike-Trails, auf Wanderwegen und Sommerrodelbahnen stattfinden. Die Tage mit Schnee kann man wohl schon bis zur Mitte des Jahrhunderts an einer Hand abzählen. Tourismusexperten suchen mit neuen Angeboten nach neuen Zielgruppen.
Das ist im Nordosten Oberfrankens eine doppelt schwere Aufgabe, weil sich zum Klimawandel die demografische Veränderung gesellt. Wellness und Gesundheit wie in der unterfränkischen Bäderregion sind eines der Rezepte in einer wärmer und älter werdenden Welt. Vielleicht passieren auch Dinge, mit denen heute niemand rechnet: Wenn es in Franken so heiß wird, wandert der Weinbau ja am Ende aus Unter- nach Oberfranken ...
Fakten zum Klima
Temperatur Neun der zehn wärmsten Jahre in Bayern wurden seit 1990 registriert. Der Klima-Report zeigt, dass vor allem die Winter milder werden. Bis 2050 wird die Temperatur im Mittel zwischen einem und zwei Grad zunehmen. Bis zum Ende des Jahrhunderts kann es im Durchschnitt sogar um 4,5 Grad wärmer werden.
Eistage Tage, an denen die Temperatur nicht über null Grad steigt, werden seltener. Zwischen 1971 und 2000 gab es durchschnittlich 30 solcher Tage im Jahr. Bis zum Jahr 2050 werden es noch neun bis 21 Tage sein, bis 2100 vielleicht sogar nur noch bis zu 14 Tage.
Hitze Heiße Tage, an denen es mindestens 30 Grad warm ist, gibt es aktuell etwa fünf Mal im Jahr. Bis 2050 wird diese Zahl auf bis zu 14 Tage ansteigen. Im Jahr 2100 können es laut Klima-Report bis zu 30 Tage sein.
Jahreszeiten Der Winter wird nicht nur milder, sondern auch kürzer. Entsprechend länger wird die Vegetationsperiode.
Hochwasser Von 1932 bis 2010 haben die Tage mit erhöhtem Wasserstand in Bayern zugenommen. Vor allem im Winterhalbjahr kommt es oft zu Hochwasser. Der Klima-Report geht davon aus, dass diese Tendenz sich verschärft.
Glosse: Volle Pulle Klimawandel
Kaum haben sich die Franken von Horrorvorstellung verabschiedet, dass ihr Land eines Tages in einem atomaren Winter versinkt, müssen sie umdenken: Jetzt soll ihnen vor dem globalen Treibhauseffekt grauen.
Als Erste haben es die Winzer gemerkt, die heute schon reihenweise Spätlesen ernten und womöglich demnächst Glühwein frisch aus dem Weinberg anbieten können.
Für wenige ordinäre Gaumen lernen die fränkischen Winzer jetzt Französisch, um ihrer Kundschaft künftig von Ölschnabel und Pfaffenberg einen Chateau Bouteilley Rouge Premieres Cotes de Bordeaux anbieten zu können.
Vorkehrungen für die Klimakatastrophe treffen inzwischen auch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und das Wasserstraßenneubauamt. Das illegale Einwandern der Meeresgrundel aus dem Schwarzen Meer war erst der Anfang. Jüngst hat man nahe der Mainmündung in den Rhein bei Mainz eine Meeresgrundel im Bauch eines Grauhais gefunden, den eine suptropische Meeresströmung flussaufwärts gespült hatte.
Um eine weitere Verbreitung der gefräßigen Räuber zu verhindern, werden an den Staustufen Haisperren gebaut. Ob die vor einer Massenvermehrung der Piranhas im warmen Mainwasser schützen, wird derzeit getestet - vielleicht zu spät. Neulich soll schon ein Angler gebissen worden sein.
Dass bei der nächsten kleinen Landesgartenschau im Jahr 2022 der Schwerpunkt auf Bananen, Ananas und Kokosnüsse liegt, ist derzeit allerdings nicht mehr als ein Gerücht. Konkreter sind schon die Pläne der Stadt Eltmann, die weitläufige Mainpromenade zukunftsträchtig umzubauen. Ein Sponsor wurde schon gefunden. Im nächsten Sommer werden die ersten Urlauber am Palm Beach erwartet.
Ganz Franken sonnt sich in der Vision, zum Urlaubsparadies zu werden. Wenn da nicht die Miesmacher wären, die der Klimaerwärmung schon die Luft ausgehen sehen, weil bald der Golfstroms kollabiert. Dann wird's überall heißer, bloß Franken friert. Na und? Dann gibt's statt Glüh- halt nur noch Eiswein ...
In Deutschland gab es im Jahrhundertsommer 2003 ca. 7000 zusätzliche Hitzetote. Die Temperaturabweichung vom Durchschnittswert betrug in 2003 in den Sommermonaten 3,4 Grad. In einigen Jahrzenten werden wir somit fast jedes Jahr einen "Jahrhundertsommer" bekommen. Franken wird innerhalb Bayerns besonders stark betroffen sein.
Die Landesumweltministerin Scharf (CSU) sagt, dass sie Handlungsbedarf in Bayern sieht.
Vor einigen Wochen hat Frau Scharf das Waldschutzgebiet "Der Hohe Buchene Wald" bei Ebrach abgeschafft. Mit solchen Maßnahmen fördert die Umweltministerin Scharf den Klimawandel und belastet das Kleinklima in der Region. Wenn Frau Scharf den Klimawandel wirklich ernst nehmen würde, dann müssten jedoch deutlich mehr Waldschutzgebiete entstehen.
Die Aussagen und das Handeln von Frau Scharf passen nicht zusammen.