Bamberger Künstler brechen die Norm

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Auch das ist DIN A4: Johannes Schreibers Glasverschmelzung "terra incognita" Foto: Barbara Herbst
Auch das ist DIN A4: Johannes Schreibers Glasverschmelzung "terra incognita"  Foto: Barbara Herbst
 
 
Bekämpft die Norm: Susanne Braun
Bekämpft die Norm: Susanne Braun
 
 
 
 
 
Christiane Toewes Porzellanblätter
Christiane Toewes Porzellanblätter
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Adelbert Heil
Adelbert Heil
 
Waltraud Scheidel
Waltraud Scheidel
 
 
 
Aufgetrennte Kaffeetüten von Brigitte Böhler
Aufgetrennte Kaffeetüten von Brigitte Böhler
 
 
 

Der Berufsverband Bildender Künstler Oberfranken hat seine Mitglieder eingeladen, sich Gedanken über das Format DIN A4 zu machen. Entstanden ist eine an vielen Stellen überraschende Schau in der Villa Dessauer.

Dieses Werk könnte ein immer noch nicht ausgestorbenes Ressentiment bestätigen: Das soll Kunst sein? In grauen Schachteln, wie sie im Büro verwendet werden, liegen Reißwolfschnipsel, gefaltete, zerknüllte, zerrissene Blätter. Titel der Installation: "Metamorphosen." Das soll Kunst sein?
Ja, es ist Kunst. Zeitgenössische Kunst erschließt sich eben nicht sofort, sie ist aus einem Kontext heraus zu interpretieren. Dieser Kontext heißt in diesem Fall: DIN A4. So ist die Jahresausstellung der Sektion Oberfranken des Berufsverbands Bildender Künstler (BBK) benamst, die morgen in der Stadtgalerie Villa Dessauer eröffnet und bis 2. Mai zu sehen sein wird.
Rund 140 Künstler gehören zum BBK, einige übrigens auch aus Mittel- und Unterfranken, und es sind keine Dilettanten, denn Aufnahmevoraussetzung ist entweder ein akademisches Studium oder ein erfolgreich bestandenes Auswahlverfahren durch eine BBK-Jury.

55-mal formatiert - oder nicht

Und einmal im Jahr lädt der Verband ein zur Leistungsschau. 55 Künstler mit 497 Arbeiten sind es in dieser Sammelausstellung, die mit besonderem Elan vom neuen Vorsitzenden Gerhard Schlötzer und Koordinatorin Christine Frick kuratiert worden ist. Das DIN-A4-Format ist in den meisten Industrieländern seit 1922 die am häufigsten verwendete Größe für Drucksachen und steht damit für eine verwaltete, normierte, vielleicht auch langweilige Welt. Grund genug für die Ausstellungsmacher, ihre Künstlerkollegen aufzufordern, diesen Normierungsgedanken kreativ aufzubrechen.
Was 55 Kreative der Region getan haben. Die Vorgabe "DIN A4" interpretieren sie dabei mit viel Fantasie, einige wenige auch gar nicht - oder aber nur der Sockel von Adelbert Heils Gruppe aus Bronze und Eisen "On The Cloud" steht auf der geforderten Fläche. Vielfältige Ergebnisse hat das Nachdenken über die 210 mal 297 Millimeter große Fläche gezeitigt (von denen hier naturgemäß nur einige genannt werden können). Zunächst einmal reduzierten viele Künstler schlicht ihr gewohntes Werkformat oder komponierten die DIN-A4-Blätter zu Serien, zu tagebuchartigen Impressionen, wie es Heike Preier getan hat, die zwölf Tage im Januar auf Holztafeln malte.
Mathias Börner wiederum verzerrte das quadratische Format in "Spektralwelten/diagonal" zu Parallelogrammen, die pfeilartig nach oben schießen. Oder der Weg in die dritte Dimension. Albert Ultsch faltete aus Messingplatten Skulpturen von schlichter, doch betörender Schönheit, während Christiane Toewes Porzellanblätter auf blauem Plexiglas in "mare nostrum", dem lateinischen Namen für Mittelmeer, auf das Flüchtlingselend zwischen Afrika und Europa verweisen. Versteht sich, dass die hauchdünnen Porzellanblätter die Größen-Anforderungen erfüllen. Jenseits der Spielerei bewegen sich auch die grotesken Frottagen von Udo Rödel, neun DIN-A4-Blätter auf Wellpappe, die er "und sie hatten keine reue" nennt.
Mit Licht arbeitet dann wieder Michaela Schwarzmann, die Pflanzen auf Papier zeichnete und nähte und vor ein Fenster hängte, ebenso wie Johannes Schreiber bei seinen gläsernen Farbspielereien Licht einsetzt. Verspielt sind dann auch die Schützenscheiben, deren Einschusslöcher Matthias Höppel mit Zeichnungen geschmückt hat, oder die Scherenschnitte Wolfgang Müllers ("Linientreu") mit Figuren in wechselnden Konstellationen.
Videoinstallationen sind dabei und Fotos; manche Idee weniger inspiriert, manche verblüffend - das liegt in der Natur der Sache. Eine genial simple Idee hatte Christa Pawlowsky: Sie stapelte 1400 DIN-A4-Blätter mit fotokopierten Bratwurstbrötchen aufeinander. "Avier - wie geil ist das denn" nannte sie ihre Aufforderung zum Mitmachen, das heißt Bemalen. Damit einmal aus einem öden Blatt etwas Interessantes werde.

Die Jahresausstellung DIN A4 des BBK Oberfranken ist zu sehen vom 22. März bis 2. Mai in der Villa Dessauer, Hainstr. 4a, Di.-Do. 10-16, Fr.-So. 12-18 Uhr. Jeden Sonntag Künstlerführungen um 15 Uhr

Lesung
von Gudrun Schury und Rolf-Bernhard Essig aus "Schlimme Finger. Eine Kriminalgeschichte der Kunst" am 12. April, 11 Uhr. Eine Preisliste und ein schmaler Katalog (DIN A5) liegen am Eingang.