Aus für "Monstermasten" - Doch wie bringt man den Strom unter die Erde?

3 Min
Freileitung oder Erdkabel? Die Politik gibt dem Kabel den Vorrang, die Umsetzbarkeit müssen die Techniker jetzt prüfen. Foto: Günter Flegel
Freileitung oder Erdkabel? Die Politik gibt dem Kabel den Vorrang, die Umsetzbarkeit müssen die Techniker jetzt prüfen. Foto: Günter Flegel

Was in Berlin zur Energiewende beschlossen wurde, ist erst einmal eine gute Nachricht für Franken: Es soll keine "Monstermasten" geben. Wie aber die Wünsche der Politik technisch umgesetzt werden können, ist noch völlig offen.

Für die Netzbetreiber war 0.47 Uhr in den Nacht zum Donnerstag die "Stunde Null". Als sich die Spitzen der Koalition in Berlin auf ein Paket zur Energiewende geeinigt haben, setzten sie die gesamte Planung für den Netzausbau auf Anfang. Jetzt haben die Techniker das Wort - ob sie halten können, was die Politik den Bürgern versprochen hat?

Die für Franken wichtigste Frage bei der Energiewende ist der mögliche Bau neuer Stromtrassen. Bisher kommt ein großer Teil des Stroms, der in Bayern und Baden-Württemberg verbraucht wird, aus Atomkraftwerken. Vor ein paar Tagen ging der älteste deutsche Meiler in Grafenrheinfeld vom Netz; ohne Probleme für die Versorgungssicherheit, was nicht zuletzt auch Wasser auf den Mühlen der Stromtrassen-Gegner in Unterfranken war: Warum für Milliarden neue Stromleitungen quer durchs Land bauen, wenn sich die Atomenergie doch offenkundig problemlos ersetzen lässt?

Lücken und Überschüsse

Was im Falle Grafenrheinfeld gilt, ist keine Blaupause für die Energiewende insgesamt. Die Bundesnetzagentur in Bonn hat wiederholt darauf hingewiesen, dass mit der Abschaltung aller Atomkraftwerke in Süddeutschland das Stromnetz aus dem Gleichgewicht zu geraten droht; dann reichen die unter anderem für Notfälle und für planmäßige Abschaltungen bei Revisionen im Netz vorgehaltenen Reserven nicht mehr aus.

Leitungen wie "Südlink" aus Hamburg nach Grafenrheinfeld oder die Südost-Trasse von Sachsen-Anhalt nach Landshut werden geplant, um die Stromlücken an den bisherigen AKW-Standorten zu schließen. Sie sollen Stromüberschüsse im Norden (unter anderem aus Windkraftanlagen) in den künftig stromarmen Süden bringen. Und dies so verlustarm wie möglich, weshalb man für diese Leitungen auf Gleich- statt Wechselstromtechnik setzt.

Dick und teuer

Diese Technik (HGÜ) ist nicht neu. Hochspannungsleitungen unter Wasser, etwa zum Anschluss der Windparks in der Nordsee, sind immer Gleichstromkabel. Über weite Strecken über Land wurden solche Systeme aber noch nicht verlegt. Damit beschreitet Deutschland bei der Energiewende Neuland. Bislang planten die Netzbetreiber mit Freileitungen, wie sie beim Wechselstrom gängig sind. Der Vorteil: Hier dient die Luft als Isolator, während unter der Erde verlegte Kabel einen dicken Schutzmantel brauchen.

Das macht HGÜ-Kabel teuer und schwer, die Verlegung aufwendig: Mehr als 1000 Meter Kabel passen auf keinen Laster, die Kabelstücke müssen in speziellen Bauwerken für die empfindlichen Muffen verbunden und geschützt werden.

Trotz dieser technischen Hürden hat die Politik am Donnerstag dem Erdkabel den Vorrang gegenüber den vor allem auch in Franken verhassten "Monstermasten" gegeben.

Bestand statt Neubau?

Als zweite Alternative, die erst einmal vielversprechend klingt, haben sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) für die Nutzung bestehender Stromtrassen statt Neubau ausgesprochen. Damit, so heißt es, soll vor allem verhindert werden, dass der Stromnetzknoten in Grafenrheinfeld noch dichter geknüpft wird. Auch das ist ein Novum: Es gibt keine Erfahrungen, ob man Gleich- und Wechselstromleitungen im Höchstspannungsbereich (bis zu 500.000 Volt) problemlos auf einem System unterbringen kann. Eine bestehende Leitung kann man überdies nur umbauen, wenn man sie für Monate stilllegt; auch das wirft Fragen zur Umsetzbarkeit auf.

Denkbar ist die Nutzung des Mittelspannungsnetzes: Leitungen, die nur einige zehntausend Volt transportieren, kann man vergleichsweise problemlos unter die Erde verlegen. Die dann frei werdenden Masten könnte man durch etwas höhere Konstruktionen ersetzen, die dann eine HGÜ-Leitung aufnehmen.

"Keine Entwarnung"

Die Bürgerinitiativen gegen die neuen Stromleitungen geben keine Entwarnung. Das sei "alles viel zu unverbindlich", sagte der der Sprecher des "Aktionsbündnisses gegen die Süd-Ost-Trasse", Markus Bieswanger, in Pegnitz. Aus Berlin sei ja lediglich ein Auftrag zur Prüfung neuer Trassen gekommen. "Es kann also sein, dass die Leitungen am Ende doch so gebaut werden wie bislang geplant", kritisierte Bieswanger das "Einknicken" von Horst Seehofer.

Der bezieht auch vom Bund Naturschutz Prügel. Landesvorsitzender Hubert Weiger sagte, das grüne Licht für neue Stromtrassen bedeute das Aus für eine der Säulen der Energiewende, die Dezentralisierung.


Info: Stromnetz


Länge Alle Leitungen zur Verteilung des Stroms in Deutschland sind zusammen fast zwei Millionen Kilometer lang. Den geringsten Anteil daran hat das überregionale Verteilnetz mit Höchstspannungen von 230.000 oder 400.000 Volt; es ist 35.000 Kilometer lang.

Technik In den Anfangsjahren der Stromwirtschaft gab es einen Wettstreit zwischen Gleich- und Wechselstromtechnik. Weil Wechselstrom leichter transformiert werden kann (von 400.000 bis herunter auf 230 Volt), setzte sich diese Technik durch. Beim Energietransport über weite Strecken sind die Verluste in Wechselstromleitungen allerdings sehr hoch.



Kommentar

Zwangsläufig denkt man an die lange Leitung oder an den Spruch von einem, der auf der Leitung steht: Was Donnerstagnacht in Berlin zur Energiewende beschlossen wurde, war nicht erst beim Frühstück kalter Kaffee.
Nach dem langen Hin und Her, nach täglich neuen Meldungen und einem Energiedialog mit breitest möglicher Bürgerbeteiligung hat man von den Koalitionsspitzen nicht mehr oder weniger als den großen Wurf erwartet: Die Energiewende wird komplett durchgerechnet, die Trassen-Geometrie neu gezeichnet ...

Das wäre das Mindeste gewesen,was Seehofer und Co. nach ihrem konsequenten Quertreiben in Berlin hätten erreichen müssen. Stattdessen bleibt alles beim Alten; der bayerische Erfolg besteht darin, dass die Trassen, die man nicht haben will, weil sie angeblich gar nicht notwendig sind, jetzt mit großem finanziellen Aufwand neu geplant und dann möglichst unter die Erde verlegt werden sollen. Und aus der bayerischen Formel "Gaskraftwerk statt Stromtrassen" machte die große Energiekoalition ein Sowohl-als-Auch.

Offenbar denken Gabriel und Seehofer, dass die Akzeptanz für die Energiewende größer wird, wenn der Bürger sie nicht mehr sieht. Die Beschlüsse in Berlin werden aber unübersehbare Folgen haben: auf der Stromrechnung.

Die große Koalition hat einen Verbündeten: die lange Leitung. Monate, wenn nicht Jahre werden ins Land gehen für die Prüfung, die neue gesetzliche Grundlage, Planungen, Anhörungen. Ausbaden muss es die nächste Regierung.