Wirtschaft regional: Neues Kapitel für Paul & Co

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fast 500 Arbeitsplätze bietet der Betrieb Paul & Co in Oberwildflecken. Zum Familienfest bei der Präsentation der fast abgeschlossenen Baustelle waren viele von ihnen gekommen. Fotos: Sebastian Schmitt-Matthea
fast 500 Arbeitsplätze bietet der Betrieb Paul & Co in Oberwildflecken. Zum Familienfest bei der Präsentation der fast abgeschlossenen Baustelle waren viele von ihnen gekommen. Fotos: Sebastian Schmitt-Matthea
Das neue Logistikbüro bei Paul & Co ist fast bezugsfertig.
Das neue Logistikbüro bei Paul & Co ist fast bezugsfertig.
 
Neuer Schutzwall vor Lärm
Neuer Schutzwall vor Lärm
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Neue Impulse nach 125 Jahren Firmengeschichte: Paul & Co in Oberwildflecken wagt einen baulichen Befreiungsschlag.

"Er hätte sicher seine Freude gehabt, das alles hier zu sehen", sagt Geschäftsführer Manfred Kunert und erinnerte an den Begründer der Kunert Gruppe, Alois Paul, der im Jahr 1893 im Sudetenland eine Schachtelfabrik auf die Beine gestellt hatte. Jetzt präsentierte das Unternehmen die Ergebnisse einer zweijährigen Großbaustelle einer breiten Öffentlichkeit. Beschäftigte und deren Familienangehörige, Politiker, Baustellenmitarbeiter, Geschäftsleute, Unternehmer, Selbstständige aus der Region und viele ehemalige Mitarbeiter des Hartpapierhülsenherstellers Paul & Co nutzten die Chance, sich bei einem zweitägigen Fest über die aktuellen Entwicklungen im familiengeführten Unternehmen der Kunert Gruppe am Standort Wildflecken zu informieren.

Auf einer Fläche von drei Hektar sind innerhalb von 24 Monaten eine neue Kfz-Werkstatt, eine neue Waschhalle und eine neue Gas- und Dieseltankstelle gebaut worden. Gleichzeitig wurde das bestehende Pförtnerhaus abgerissen und abschließend ein neues Gebäude mit rund 320 Quadratmetern Bürofläche für den Bereich Logistik errichtet.

Anpassungen allerorten

Zahlreiche Großbaustellen beschäftigen aktuell die gesamte Kunert Gruppe: Bei der Wellpappenfabrik in Bad Neustadt wird ein neues Hochregallager mit über 40 Metern Höhe für bis zu 19 000 Paletten errichtet. In der Papierfabrik Macher bei Hof in Oberfranken wird ein fahrerloses Fertigwarenlager für über 15 000 Tonnen Papier gebaut. Auch die Papierhülsenfabrik im oberbayerischen Peiting bekommt eine neue Halle. Und in Thailand ging eine neue Fertigungsstätte für Papierhülsen in Betrieb.

Eine großflächige Umgestaltung und Erneuerung des Werksgeländes von Paul & Co in Oberwildflecken wurde aus ganz unterschiedlichen Gründen notwendig, beschreibt der Manfred Kunert: Das rund 8000 Quadratmeter große Gelände des ehemaligen Kreuzberghofes, das mittlerweile in das Firmengelände integriert ist, spielte dabei eine wesentliche Schlüsselrolle. Das Areal des Unternehmens in Oberwildflecken war stets von den längst verwaisten Bahngleisen geprägt, die das Werk an allen Seiten quasi eingerahmt haben. Nach Stilllegung der Bahn entwickelten sich einige Probleme durch die unvermeidliche Zunahme des Lkw-Verkehrs. Auch das wilde Parken von Lastfahrzeugen in ganz Oberwildflecken führte zu Schwierigkeiten.

Lärmbelästigungen ließen sich nicht mehr vermeiden. Ein Teil des Staplerverkehrs führte jahrelang zwangsläufig über die stark befahrene Straße zum Kreuzberg, um das Papier für die Produktion im Werk II bereitzustellen. Bis zur Stilllegung der Bahn im Sinntal waren wesentliche Teile des Lieferverkehrs noch über die Schiene abgewickelt worden.

Das Werk II für großvolumige Hartpapierhülsen war in seiner baulichen Entwicklung stark eingeschränkt, weil es von Gleisen und zwei Straßen umschlossen war. Die Gebäudehöhe von nur etwa 3,7 Metern machte eine Modernisierung mit Hilfe von Robotern und neuen Großmaschinen nahezu unmöglich. "Früher oder später hätten wir eine Standortverlegung des Werks II mit rund 50 Arbeitsplätzen vornehmen müssen", so Kunert. Gleiches gilt auch für das historisch gewachsene Werk I direkt daneben.

Umbau im laufenden Betrieb

Neuen Möglichkeiten lieferte das Grundstück rund um den Kreuzberghof: Es sollten keine neuen Flächen versiegelt werden. Die beiden Werksteile I und II sollten im laufenden Betrieb überbaut und modernisiert werden. Das Unternehmen wollte vermeiden, dass es zu leerstehenden Industriebrachen mit eingeschlagenen Fensterscheiben kommt, während "auf der grünen Wiese" neue Gebäude aus dem Boden gestampft werden.

"Wir haben einen unbequemen Weg gewählt und das Werk II komplett überbaut", erläuterte Kunert. Ein weiteres großes Ziel der Baumaßnahmen war, die Durchlaufzeiten der Lkw zu verkürzen - gegen das frühere Wildparken im ganzen Ort. Ein Lärmschutzwall soll die Anwohner entlasten. "Solche Baumaßnahmen im laufenden Betrieb forderten von allen Beteiligten eine Menge ab."

Zahlen, Daten, Fakten

Die Zahlen des baulichen Großprojektes bei Paul & Co, das von Architekt Klaus Abert geplant wurde, sprechen eine deutliche Sprache: Die Parkfläche für Lkw im Werksgelände wurde von 4000 auf 12 000 Quadratmeter verdreifacht. Es wird ein modernes elektronisches Leitsystem an den Start gehen, um die Lkw-Bewegungen auf dem Gelände zu koordinieren. Ein neues Pförtnerhaus mit 320 Quadratmetern Bürofläche für die Logistik wurde errichtet. Der neue Lärmschutzwall hat eine Länge von 180 Metern, ist sieben Meter breit und hat eine Höhe von sechs Metern. 2000 Tonnen Steinquader wurden alleine für den Lärmwall verarbeitet. Das Werk II wurde von 3500 Quadratmeter auf 6500 Quadratmeter erweitert. Die neue Gebäudehöhe von 10,5 Metern macht einen neuen Maschinenpark möglich, damit will die Firma eine effiziente, robotergestützte Fertigungsstätte für Hülsen bis ein Meter Durchmesser in Europa realisieren. Die Verladezone im Werk I wurde von 1800 Quadratmeter auf 2700 Quadratmeter erweitert.

Neue Robortertechnik

Im Produktionsbereich des Werks I wurden marode Teile des Daches ausgewechselt. Dort wird auch die Robotertechnik ausgebaut. "Es sind noch nicht alle Arbeiten abgeschlossen", berichtete Kunert. Die Sanierung der Kantine steht noch an, auch die Sozialräume werden renoviert. Und die Produktionsstätte für parallel gewickelte Automatenhülsen wird saniert. "Zwei modernisierte Werksteile mit modernsten Trockenanlagen und Entstaubungseinrichtungen gehen dieser Tage in Betrieb", sagt Kunert. Alle Gebäude wurden mit Fernheizung ausgerüstet. Mehr als 1000 Tonnen Stahl und 12 500 Tonnen Beton wurden in zwei Jahren Bauzeit verarbeitet. Rund 18 000 Kubikmeter Erde wurde verschoben.

"Für das breite Verständnis und die Leidensfähigkeit der Anwohner sind wir dankbar." Froh ist er auch, dass alles unfallfrei verlief: "Teilweise waren bis zu 60 Arbeiter auf der Baustelle aktiv. Das ist mehr als erfreulich, dass es während der Bauzeit nicht zu Unfällen gekommen ist", so Kunert.

Bis auf wenige Ausnahmen wurden Baufirmen aus der Region, aus den Landkreisen Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld und Fulda eingesetzt. Sonderschichten und ungewöhnliche Arbeitszeiten sorgten während der Bauphase für eine reibungslose Belieferung der Kunden, sagt der Chef. "Das war großartig, wie alle mitgezogen haben."

Landtagsabgeordneter Sandro Kirchner (CSU) zeigte sich beeindruckt von der Modernisierung des Industriebetriebes. Stellvertretender Bürgermeister Wolfgang Illek (PWG) unterstrich die Bedeutung von Paul & Co als wichtiger Arbeitgeber mit fast 500 Arbeitsplätzen in Oberwildflecken.