Sie haben 2018 an Basisprämie, Umverteilungsprämie, Greening-Prämie, Erstattung nicht genutzter Mittel der Krisenreserve und als Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete Geld von der EU erhalten.
Es relativiert sich, wenn man weiß, dass 1950 63 Cent pro für Lebensmittel ausgegebenem Euro (umgerechnet) beim Landwirt hängegeblieben sind, 2019 waren es 23 Cent. Wir sind die einzige Branche mit nicht ansteigenden Preisen. Seit zehn Jahren gab es keine Preiserhöhung. Ja, wir bekommen Geld pro Hektar. Aber nur dann, wenn wir alle Auflagen einhalten. Wenn ich in der Rhön beispielsweise beim Silberdistelpflücken erwischt werde, wird mir das Geld gestrichen. Die Landwirtschaftsbetriebe sind deshalb gläsern: Wir müssen die Dünge- und Humusbilanz einhalten, die Gewässerverordnung, Randstreifenprogramme sowie die Vogelschutzrichtlinie beachten. Aber ohne diese Zuschüsse können wir oft nicht mehr kostendeckend produzieren. Für eine Tonne Müllentsorgung zahlt man 300 Euro. Für eine Tonne Weizen etwa 150 Euro. Wir müssen uns fragen: Wollen wir uns eine Lebensmittelproduktion im eigenen Land leisten oder nicht? Gerade in Deutschland ernten wir im Verhältnis zum Ressourceneinsatz am besten. Das heißt, die Ökobilanz ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern nicht so schlecht. Entweder haben wir billige Preise mit Subventionen oder es müsste auf den Preis aufgeschlagen werden. Dann würde das Brötchen teurer - aber das will der Verbraucher nicht.
Wie halten Sie es mit dem Einsatz von Glyphosat?
Ich sehe mich gleichzeitig als Nahrungsmittelproduzent und Dienstleister. Wenn die Gesellschaft will, dass wir kein Glyphosat mehr einsetzen - gut. Aber dem Verbraucher muss klar sein, dass die Alternative für den Umweltschutz auch nicht zwingend besser ist. Der Landwirt muss viel öfter übers Feld fahren. Das heißt Gummiabrieb, Stahlabrieb, Bodenverdichtung, Dieselabgase. Es werden wieder mehr Ressourcen verbraucht. Wenn die Bevölkerung keine Neonikotinoide möchte, dann müssen wir mit einem anderen Insektizid raus, sonst können wir den Raps nicht großziehen. Wenn die Gesellschaft das so will, dann mache ich das - aber die Gesellschaft muss bereit sein, das zu tragen. Gerade die bäuerlichen Familienbetriebe können das sonst nicht leisten.
Aber es ist doch so, dass Insektengifte nicht gesund sein können. Der Konzern Bayer wurde gerade zu einer Zahlung von 90 Millionen Dollar an ein an Krebs erkranktes Ehepaar verurteilt, da ein US-Gericht es als erwiesen sah, dass die beiden durch den Einsatz von Roundup - ein glyphosathaltiges Unkrautvernichtungsmittel - erkrankt waren.
Wir tun bereits alles, um den Einsatz der Pflanzenschutzmittel so niedrig wie möglich zu halten. Wir werfen mit Drohnen Schlupfwespen ab, um den Maiszünslerbefall zu bekämpfen; wir haben bestimmte Lenksysteme, Spritzenkontrollen, Biomassekarten, die den Mitteleinsatz reduzieren und uns Auskunft über Bodenart und Bodengüte geben, damit wir wissen, was die Pflanze braucht. Man darf auch nicht vergessen, dass mit Pflanzenschutzmitteln Pflanzenkrankheiten bekämpft werden, die ebenfalls für den Menschen schädlich oder sogar giftig sind, wie zum Beispiel Mykotoxine, also ein Stoffwechselprodukt einer Pilzerkrankung. Bleibt der Pflanzenschutz aus, sind diese natürlich auch im Erntegut enthalten.
Wie sieht es bei der Düngung aus?
Eine Kreislaufwirtschaft war früher normal - was im Stall anfällt, kommt aufs Feld. Jetzt wird die Gülle quasi mit Gift gleichgesetzt - obwohl der ordnungsgemäß bewirtschaftende Betrieb sich an die Düngeverordnung hält. Die regelt die Ausbringung der Gülle.
Kommen wir zum nächsten großen Thema...
...da wären wir jetzt bei der Massentierhaltung.
Richtig.
Solche Skandale wie der des Milchviehbauerns kürzlich im Allgäu dürfen nicht passieren, das ist furchtbar. Das geht gar nicht und bringt die ganze Branche in Verruf. Dennoch geht es den Tieren im Stall heute besser als vor 50 Jahren, vorausgesetzt, die Ställe werden ordentlich geführt. Die Kuh als Herdentier ist unter ihresgleichen, sie kann sich bewegen, der Stall ist hygienisch, da gibt es unter anderem Bürsten für die Tiere, Liegeboxen, wärmende Matten und noch viel mehr, damit sich das Tier so wohl wie möglich fühlt. In den heutigen Ställen ist die Klimatisierung um Welten besser als in den 1960er Jahren.
Warum kommen sie nicht auf die Weide?
Weil das logistisch häufig nicht vertretbar ist. Man braucht eine stallnahe Wiese und muss auch die Bevölkerung mitnehmen: Wenn da eine Glocke bimmelt, geht das Gemecker los. Von den Fladen, den die Kühe hinterlassen, gar nicht zu reden. Das stinkt, das zieht Insekten an und zwar keine süße Biene - und schon hast du zwei Anzeigen am Hals. Im Urlaub die Weide in den Alpen zu genießen, das ist toll - aber sie vor der Haustür zu haben ist heutzutage etwas anderes.
Es gibt also auch nicht die großen stallnahen Flächen, die es dazu bräuchte?
Nein, die gibt es in Unterfranken eher selten.
Und wie sehen Ställe dann heute aus?
In modernen, eher größeren Ställen gibt es Melkroboter, die den Bauern entlasten. Aber welcher kleine Landwirt kann sich heute einen Melker oder einen Melkroboter leisten? Die sind noch an 365 Tagen im Jahr an ihren Stall genagelt wie vor 50 Jahren, da gibt es kein freies Wochenende. Und wie soll der Familienbetrieb einen besseren Stall abbezahlen, wenn er morgens um Fünf aufstehen muss, um am Ende eines langen Tages 23 Cent pro Liter Milch zu bekommen? Ich komme wieder auf den Punkt: Die Gesellschaft muss sich die Lebensmittelproduktion leisten wollen.
Der Verbraucher bestimmt?
Richtig. Es war einmal eine Gymnasial-Klasse bei mir. Einer fragte mich, ob ich noch ruhig schlafen kann angesichts der Massentierhaltung. Ich sage: In modernen Ställen haben die Tiere höchste hygienische Standards, sauberes Trinkwasser, Futter zur freien Aufnahme und medizinische Versorgung. Ich frage jetzt mal provokativ: "Wie viel Prozent der Menschheit hat das weltweit?" Ich bin froh um jeden Bio-Bauern, er entlastet den Markt. Ich empfehle: Kauft beim Bioladen und beim Metzger vor Ort. Lasst das argentinische Rindfleisch, das demnächst dank des Freihandelsabkommens Mercosur bei uns billiger zu haben sein wird, als wir es je regional produzieren könnten, liegen. Wenn unser heimisches Rindfleisch solange abgehangen ist wie es von Argentinien hierher im Schiff hängt, ist es ebenso zart. Jeder, der das tut, ist auf dem richtigen Weg. Und es ist der einzige Weg, der funktioniert. . Grün wählen und beim Discounter billigst einkaufen - na, herzlichen Glückwunsch. Das passt nicht mehr zusammen.
Und passt es zusammen, dass sich die Menschen jetzt so für die Biene engagieren?
Natürlich. Aber: Wir Landwirte haben schon früher Blühflächen angelegt. Damals taten wir das für die Insekten. Jetzt machen wir es für die Leut'.
Info:
Volker Schmitt (53) ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Der Landwirtssohn aus Münnerstadt bewirtschaftet zusammen mit seinem Sohn Johannes (27) fünf Betriebe in vier Bundesländern (Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen). Das Kerngeschäft ist der Ackerbau, daneben haben sie zwei Rinderherden und eine Schafherde. So weiden beispielsweise 120 Angusrinder in Thüringen. Daneben ist Volker Schmitt der derzeitige Präsident des Rotary Clubs in Bad Kissingen.