Erinnerungen von Erika Gehring aus Großwenkheim

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Regelmäßig trafen sich Heimatvertriebene aus verschiedenen Dörfern in der "Schwarzen Pfütze" bei Rottershausen zum Gedankenaustausch. In der vorderen Reihe ist Erika Gehring (stehend, mit weißer Bluse) im Alter von etwa 14 Jahren zu sehen. Foto/Archiv: Anton Then
Regelmäßig trafen sich Heimatvertriebene aus verschiedenen Dörfern in der "Schwarzen Pfütze" bei Rottershausen zum Gedankenaustausch. In der vorderen Reihe ist Erika Gehring (stehend, mit weißer Bluse) im Alter von etwa 14 Jahren zu sehen. Foto/Archiv: Anton Then

Beim traditionellen Seniorennachmittag begrüßte Schützenmeister Wilfried König vom gastgebenden Verein "Hubertus" rund 80 Gäste im Großwenkheimer Schützenhaus. Einige der eingeladenen Einwohner über 65 Jahre mussten wegen des winterlichen Wetters kurzfristig absagen.

In den gemeinsamen Stunden wurden wieder viele Gedanken über Gott und die Welt ausgetauscht. Im Mittelpunkt standen die Erinnerungen von Erika Gehring, die erst vor wenigen Tagen 75 Jahre alt wurde. "Weil es leichter ist, habe ich in Grössewehmer Dialekt erzählt", sagte sie. Vor 70 Jahren kam sie wie rund 100 andere Personen auch nach dem Zweiten Weltkrieg als Heimatvertriebene aus dem Sudetenland nach Großwenkheim. Die erste Hälfte der Flüchtlinge, wie sie von der Bevölkerung genannt wurden, erreichte Großwenkheim im April 1946, die andere im Herbst.
Erika Gehring, geborene Behmel, kam im Alter von fünf Jahren mit ihren Eltern und Großeltern in Großwenkheim an. Ihr Flüchtlingsausweis datierte vom 17. April 1946.
Mit einem Lkw wurden die Heimatvertriebenen nach Großwenkheim gebracht und dann vom damaligen Bürgermeister Otto Müller verschiedenen Familien zugewiesen. "Keiner hat sich um uns gerissen", erzählt Gehring.


Gegenseitig beschnuppert

Mit Vorbehalten seien sie aufgenommen worden, man habe sich gegenseitig beschnuppert und ausgetestet. Vor allem bei den älteren Menschen sei die Erinnerung an die alte Heimat nie ausgelöscht worden. Die Leute hier hätten gar nicht so richtig registriert, was bei der Vertreibung aus der Heimat mit ihnen wirklich passiert ist. "Wir sind als Heimatvertriebene gekommen, nicht als Flüchtlinge", betonte Gehring.
Mit der Zeit hätten sie sich in die Dorfgemeinschaft integriert. Es wurden Ehen geschlossen, aus denen die nächste Generation hervorging, Faschingstanz organisiert, und einige gehörten jahrelang zu den Leistungsträgern der Fußballmannschaft des FC. Allerdings sei die damalige Situation mit der heutigen Flüchtlingsdebatte nicht vergleichbar. Garniert wurden die Erzählungen mit alten und neuen Bildern, die zu vielen Diskussionen führten.
Nur noch die ältere Generation in Großwenkheim kann sich an die zahlreichen Heimatvertriebenen erinnern. Verschiedene Namen gibt es schon nicht mehr. "Heute wohnen in Großwenkheim noch zwei Originale", sagte Gehring. Sie selbst und Otto Klein, der bei der Vertreibung noch im Kinderwagen lag, wurden im Sudetenland geboren und leben heute noch in Großwenkheim, ebenso teilweise die folgenden Generationen.


In andere Orte geheiratet

Einige seien inzwischen gestorben, andere vor vielen Jahren weggezogen, oder haben in andere Orte geheiratet. So verblassen allmählich die Spuren.