Es hat keiner geschwänzt

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Das alte Schulhaus ist seit 50 Jahren der Wirkungsort von dem "Herrn Lehrer" Horst Wirth (links). Sein ehemaliger Schüler Roland Breitenbach organisiert seit 1998 Klassentreffen. Foto: Stephanie Elm
Das alte Schulhaus ist seit 50 Jahren der Wirkungsort von dem "Herrn Lehrer" Horst Wirth (links). Sein ehemaliger Schüler Roland Breitenbach organisiert seit 1998 Klassentreffen.  Foto: Stephanie Elm

Horst Wirth war der "Herr Lehrer" in Speicherz. 50 Jahre liegt das schon zurück. Zu Klassentreffen lädt Roland Breitenbach seit 1998 ein.

Der 5. September 1966 war Horst Wirths erster Tag in Speicherz, vorher hatte er ein Jahr lang in Werberg unterrichtet. Die Heizung im Schulhaus war noch nicht fertig installiert, so musste der gebürtige Würzburger zunächst im Gasthaus nächtigen. Erst im Winter konnte er in die Lehrerwohnung über dem Klassenzimmer umziehen.
Im Schuljahr 1966/ 67 traf Wirth auf fast doppelt so viele Schüler, wie er zuletzt in Werberg im Klassenzimmer vor sich sitzen hatte.
"Da wurde ja schon einer nach dem anderen abgesiedelt, die Begeisterung war nicht mehr so da", erinnert sich der 78-Jährige. In Speicherz erwarteten 25 Schüler den Neuen, in den vorausgegangenen eineinhalb Jahren waren sie nur von Aushilfslehrern unterrichtet worden. "Die Bänke waren ausgesessen, es gab nix Neues, bis auf den Lehrer" scherzt Roland Breitenbach.


Herzliche Nachbarschaft

Das gute Verhältnis zum Lehrer hat sich gehalten, die beiden pflegen seit 50 Jahren eine herzliche Nachbarschaft, so wie viele der ehemaligen Schüler. Nach der Lehre, so erzählt der 59-Jährige, ist man dann auch mal vom "Sie" zum dorfüblichen "Du" übergegangen, als der ausgelernte Elektriker für den Lehrer was zu erledigen hatte. War er ein guter Schüler? Roland Breitenbach: "Nö." - Horst Wirth: "Ja." Nur dank seiner "Sauklaue" musste der Schüler Roland die Hausaufgaben des Öfteren nochmal schreiben.
Der Lehrer Wirth war streng, darüber sind sich beide einig. "Wenn du da nicht gespurt hast,..." Roland Breitenbach lässt den Satz unvollendet. "... aber nicht bei mir", vollendet ihn Horst Wirth mit erhobenem Zeigefinger, die Prügelstrafe hat er stets abgelehnt. Wohl aber schickte er den einen oder anderen Mal in die Ecke oder vor die Tür.
Der ehemalige Schüler stellt seinem ehemaligen Lehrer ein gutes Zeugnis aus: "Er hat sich mit gutem Verhalten in die Gemeinschaft integriert." Die Schüler mögen ihn noch heute.


Vertrauen war da

Hat sich der Lehrerberuf gewandelt? "Das Ein-Mal-Eins ist geblieben", sagt Horst Wirth verschmitzt. Verglichen mit Stadtkindern sei es einfacher gewesen, Dorfkinder zu unterrichten: "Die mussten noch zuhause helfen, die waren ruhiger." Ohne Probleme konnten Schüler früher nach Hause gehen, falls es erforderlich war, weil das Getreide eingeholt werden musste oder eine Kuh auf dem elterlichen Hof kalbte. "Es hat keiner geschwänzt. Das Vertrauen war da", erinnert sich Horst Wirth. Es ist auch keiner sitzengeblieben.


Um Schwächere gekümmert

Roland Breitenbach blickt zurück: "Es waren ja acht Klassen in einem Klassenzimmer. Die Kleinen haben leichter gelernt, denn sie haben bei den Älteren schon mitgehört." Sich mit Schwächeren intensiver zu befassen, war für den Lehrer Horst Wirth eine Selbstverständlichkeit.
Die spontan - je nach Wetterlage - festgelegten Kartoffelferien, Schlachtschüsselessen und viele weitere Erinnerungen werden bei jedem Klassentreffen wach. Das Jubiläums-Klassentreffen zu "50 Jahre Horst Wirth in Speicherz" findet am 24. September statt. Um 17 Uhr treffen sich die Ehemaligen bei der alten Schule, um 18 Uhr findet für die verstorbenen Mitschüler ein Gottesdienst statt. Der Tag endet in der alten Schule mit einem gemütlichen Ausklang.